Neue Vorschläge zur externen Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten in der EU

Mögliche Folgen des Entwurfs einer Corporate Sustainability Reporting Directive für die Wirtschaftsprüfung

Am  veröffentlichte die EU-Kommission ihre Entwurfsfassung zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), mit der die Rahmenbedingungen für die nichtfinanzielle Berichterstattung (bzw. zukünftig für die Nachhaltigkeitsberichterstattung) in der EU grundlegend überarbeitet werden sollen. Neben einer erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs und inhaltlichen Erweiterungen zur Ausgestaltung der Berichtspflichten stehen im Besonderen die geplanten Änderungen hinsichtlich der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Fokus. War die inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung i. S. der CSR-Richtlinie bislang nur für den Aufsichtsrat verpflichtend, soll zukünftig eine externe inhaltliche Prüfung durch den Abschlussprüfer implementiert werden. Langfristig soll dabei das Prüfungsniveau einer hinreichenden Sicherheit angestrebt werden, womit die Nachhaltigkeitsberichterstattung – zumindest diesbezüglich – „auf Augenhöhe“ mit der Finanzberichterstattung stehen würde. Auch im Hinblick auf das Enforcement sind zahlreiche Verschärfungen vorgesehen. Der nachstehende Beitrag fasst die geplanten Änderungen zur externen Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung im CSRD-Entwurf zusammen und würdigt anschließend die damit einhergehenden Implikationen für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer.

Sopp/Baumüller/Scheid, Die nichtfinanzielle Berichterstattung, 2021, NWB PAAAH-73394

 

Kernaussagen
  • Bislang musste die nichtfinanzielle Berichterstattung i. S. der CSR-Richtlinie vom Abschlussprüfer lediglich auf Vorhandensein geprüft werden. Mit der Entwurfsfassung zur CSRD soll nunmehr die inhaltliche Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch den Abschlussprüfer verpflichtend eingeführt werden. Mittels delegierter Rechtsakte will die EU-Kommission diesbezüglich besondere Prüfungsstandards annehmen.

  • Im CSRD-Entwurf ist vorgesehen, das Prüfungsniveau der inhaltlichen Prüfung durch den Abschlussprüfer zunächst auf eine Prüfung mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) zu belassen; in absehbarer Zeit soll dieses allerdings auf eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) angehoben werden.

  • Auch das Enforcement der Nachhaltigkeitsberichterstattung soll gestärkt werden. Den nationalen Enforcement-Behörden sollen vor diesem Hintergrund entsprechende Leitlinien zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sind die EU-Mitgliedstaaten zukünftig verpflichtet, Sanktionen gegen Organmitglieder bei Verstößen gegen die Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzusehen.

I. Einleitung und Überblick

Die Bestimmungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung nehmen eine Schlüsselrolle in den Plänen der EU-Kommission ein, welche unter dem Titel der „Sustainable Finance“ verfolgt werden. Das Ziel dieser Agenda ist die Transformation der europäischen Wirtschaftsordnung in Richtung eines nachhaltigen Wachstums – d. h. bei Wahrung der Balance von ökonomischen, ökologischen und sozialen Erfolgsdimensionen. Die 2019 neu gewählte EU-Kommission hat dies mit ihrem Amtsantritt durch den Green New Deal zu ihrer zentralen Priorität erklärt – und früh erkannt, dass vollständige und verlässliche Unternehmensdaten die Grundlage für die Funktionsfähigkeit der veränderten Rahmenbedingungen auf den europäischen Kapitalmärkten sein sollen.

Die Kritik an den bisherigen Rahmenbedingungen für die nichtfinanzielle Berichterstattung, welche mit der sog. CSR-Richtlinie (2014/95/EU) im Jahr 2014 ins europäische Bilanzrecht eingefügt wurden und seit dem Geschäftsjahr 2017 zu beachten sind, ist zeitgleich jedoch eine immer lautere geworden. Bereits im Rahmen ihres „Fitness Check“ aus dem Jahr 2018 zum europäischen Normenrahmen für die Unternehmensberichterstattung erhielt die EU-Kommission die Rückmeldung, dass die Bestimmungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung im besonderen Maße reformbedürftig seien.1 Die Anfang 2020 initiierte Konsultation zur Überarbeitung der CSR-Richtlinie brachte gleichermaßen umfassende Kritik an fast allen Facetten des gegenwärtigen Normenrahmens hierfür zum Ausdruck.2

Die EU-Kommission reagierte hierauf in zweifacher Hinsicht: Zunächst beauftragte sie das European Lab der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) mit Vorarbeiten für europäische Standards für die nichtfinanzielle Berichterstattung.3 Zeitgleich begann sie selbst mit den Arbeiten an neuen bilanzrechtlichen Vorgaben hierfür. Diese Arbeiten schritten mit hohem Nachdruck voran – und so konnte der Projektendbericht des European Lab bereits im Februar 2021 an die EU-Kommission übermittelt werden.4 Die EU-Kommission berücksichtigte diesen noch beim Abschluss ihrer Arbeiten und veröffentlichte schließlich am  den Vorschlag für eine neue Änderungsrichtlinie, welche die bisherigen Bestimmungen der CSR-Richtlinie ersetzen und inhaltlich vor allem erweitern soll: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).5

Zunächst stehen die Vorschläge bis Juni 2021 zur Konsultation offen – worauf im Anschluss der Beginn der politischen Verhandlungen vorgesehen ist. Die Endfassung der CSRD wird erst für Mitte 2022 erwartet. Dennoch sollen die Bestimmungen dieser Richtlinie bereits für Geschäftsjahre gelten, die ab dem  beginnen. Die zukünftig – potenziell – berichtspflichtigen Unternehmen sind deshalb schon gegenwärtig angehalten, sich mit den erwartbaren Neuerungen in den Vorgaben, die sie treffen werden, auseinanderzusetzen und diese zu antizipieren.

Der Paradigmenwechsel, der mit der CSRD einhergehen soll, wird bereits durch die abgeänderte Terminologie angedeutet: von der „nichtfinanziellen Berichterstattung“ zur (konzeptionell bedeutend weiter gefassten) „Nachhaltigkeitsberichterstattung“.6 Doch nicht nur Unternehmen sehen sich durch eine erweiterte Berichtspflicht betroffen. Auch für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer zeigen sich zahlreiche Implikationen für die Praxis hinsichtlich der Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen.7 Ein Schwerpunkt des Kommissionsvorschlags zur CSRD liegt nämlich auf der Stärkung der Rahmenbedingungen für die Verlässlichkeit der vorgelegten Informationen – und erweitert hierfür vor allem die Vorgaben zur externen Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese werden in Folge dargestellt – und auch im Kontext weiterer relevanter Vorschläge zur Governance in Nachhaltigkeitsbelangen diskutiert.

II. Neue Regelungen zur externen Prüfung

1. Regelungen zur Rolle der Abschlussprüfung

Durch Art. 2 des CSRD-Entwurfs soll eine Reihe von Vorschriften zur Abschlussprüfung in der EU mit dem Ziel abgeändert werden, die künftig erforderliche Nachhaltigkeitsberichterstattung von einer externen Stelle inhaltlich prüfen zu lassen. Bislang ist nämlich – u. a. auch in Deutschland – einzig der Aufsichtsrat in der Pflicht, die Gesetzmäßigkeit und Verlässlichkeit der vorgelegten nichtfinanziellen Berichterstattung im Rahmen einer inhaltlichen Prüfung zu gewährleisten.8 Nur wenige Mitgliedstaaten der EU machten von dem Wahlrecht der CSR-Richtlinie Gebrauch, eine verpflichtende externe inhaltliche Prüfung durch den Abschlussprüfer oder andere geeignete Stellen vorzusehen.9 Allerdings wurde dieser Umstand auch schon lange kritisch gewürdigt – vor allem im Lichte der Erkenntnis, dass die praktischen Möglichkeiten für den Aufsichtsrat, eine anspruchsvolle Prüfung der teils komplexen und sehr umfassenden Nachhaltigkeitsinformationen durchzuführen, stark limitiert sind.10 Der Kommissionsvorschlag zur CSRD adressiert diesen Punkt, indem er eine verpflichtende externe inhaltliche Prüfung der vorgelegten Nachhaltigkeitsberichterstattung vorsieht; zugleich konkretisiert er die Ausgestaltung der vorzunehmenden Prüfung.11

Zukünftig hat der Abschlussprüfer auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung seines Mandanten zu prüfen. Es ist allerdings ebenso möglich, anstelle des Abschlussprüfers einen unabhängigen Prüfungsdienstleister hierfür zu beauftragen. Die Vorgaben, wer als ein solcher Prüfungsdienstleister in Betracht kommt, werden durch eine neue Definition für Art. 2 der Bilanz-Richtlinie (2013/34/EU) geregelt und damit europaweit harmonisiert – und erfolgen in Form eines Verweises auf Art. 34 der EU-Verordnung 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten. Zuallererst wird hierbei natürlich an andere Wirtschaftsprüfer zu denken sein, die nicht auch als Abschlussprüfer beauftragt wurden.

Vom Berufsstand der Wirtschaftsprüfer sind darüber hinaus neue Qualifikationsnachweise zu erbringen, um den Anforderungen aufgrund des erweiterten Aufgabenfeldes gerecht zu werden. Hierfür sollen in der Abschlussprüfer-Richtlinie (2006/43/EG) die Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1, Art. 11 Buchst. a sowie Art. 14 Abs. 2 entsprechend überarbeitet werden. Zudem sieht der CSRD-Entwurf vor, dass für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausreichend Zeit aufgebracht werden soll (Art. 26 Abs. 2a der Abschlussprüfer-Richtlinie); auch die Bestimmungen zu Bestellung, Rücktritt und Abberufung des Prüfers (Art. 38a der Abschlussprüfer-Richtlinie) werden aus dem Kontext der Finanzberichterstattung übertragen.

All diese genannten geplanten Überarbeitungen der Abschlussprüfer-Richtlinie im CSRD-Entwurf sollen dem Ziel gerecht werden, eine Gleichsetzung zwischen den Voraussetzungen der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten mit der Prüfung von Finanzberichten, wie sie bisher schon für Abschlussprüfer zu erfüllen waren, zu erreichen. Im Rahmen der Berufszulassungsprüfung sind nunmehr entsprechende Ausbildungsinhalte mit umfasst. Darüber hinaus werden laufende Weiterqualifikationspflichten vorgesehen, um bereits zugelassene Wirtschaftsprüfer mit den notwendigen Kenntnissen zu versehen.

Der konkrete Gegenstand der vorgeschlagenen Prüfungspflicht ist nun nicht mehr bloß die Vorlage einer Berichterstattung des Unternehmens, sondern es hat eine inhaltliche Behandlung zu erfolgen. Diese wird wie folgt festgelegt:

  • die Übereinstimmung der Berichterstattung mit den Vorgaben der maßgeblichen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung;12

  • die Durchführung des Prozesses der Wesentlichkeitsanalyse;13

  • das elektronische Tagging der Nachhaltigkeitsinformationen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der CSRD;14

  • die Umsetzung der Berichtsvorgaben des Art. 8 der Taxonomie-Verordnung.15

Anders als für die Prüfung der Finanzberichterstattung vorgesehen fordert der CSRD-Entwurf lediglich eine Vornahme von Prüfungshandlungen mit begrenzter Prüfungssicherheit (limited assurance). Dies entspricht der bisher vorherrschenden Praxis von auf freiwilliger Basis beauftragten Prüfungen – und trägt u. a. Bedenken hinsichtlich der Qualität und Belastbarkeit von Berichtssystemen in den geprüften Unternehmen wie auch hinsichtlich der bereits vorhandenen methodischen Kompetenz seitens der Prüfer Rechnung. Allerdings verfehlt die EU-Kommission damit auch das Ziel, eine Prüfung von finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Informationen „auf Augenhöhe“ zu etablieren – wie es an sie im Rahmen der Konsultation aus dem Jahr 2020 deutlich herangetragen wurde. Spätestens drei Jahre nach dem Inkrafttreten der CSRD soll die EU-Kommission daher auch zu einer Evaluierung der Umsetzung der Bestimmungen zur Prüfung angehalten werden – die dann ausdrücklich die Möglichkeit einer Weiterentwicklung der Prüfungsintensität in Richtung einer hinreichenden Prüfungssicherheit (reasonable assurance) zu adressieren hat.16 Damit wird die bereits heute kritisierte „Verlässlichkeitslücke“ bzw. „Prüfungslücke“ im Hinblick auf die höheren Maßstäbe, die an den Aufsichtsrat in seinen Prüfungshandlungen anzulegen sind,17 jedoch noch auf Jahre fortgeführt. Darüber hinaus wird sogar ein neues Problem geschaffen, da die nunmehr vom CSRD-Entwurf ebenso vorgeschlagene Verpflichtung, die geforderten Nachhaltigkeitsinformationen in den Lagebericht aufzunehmen, die Adressaten dieser Informationen mit der Herausforderung konfrontiert, die unterschiedlichen Verlässlichkeitsgrade der in diesem enthaltenen Informationen (aufgrund der abweichenden Prüfungssicherheiten, die zur Anwendung gelangen) zu erkennen.

Für die Prüfung der vorgelegten Nachhaltigkeitsberichte sollen spezifische (europäische) Prüfungsstandards zur Anwendung gelangen. Diese sind von der EU-Kommission formell zu übernehmen und in Form eines delegierten Rechtsakts zu veröffentlichen (Art. 26a Abs. 2 der Abschlussprüfer-Richtlinie). Solange dies allerdings noch nicht geschehen ist, hat stattdessen eine Anwendung nationaler Prüfungsstandards aus den EU-Mitgliedstaaten zu erfolgen.18 Sobald die von der EU-Kommission übernommenen Prüfungsstandards auch eine Prüfung mit hinreichender Prüfungssicherheit ermöglichen, soll diese ebenfalls verpflichtend werden.

Der beauftragte Prüfer hat einen Key Audit Partner zu benennen (entsprechend festgehalten im neuen Art. 24b Abs. 1 der Abschlussprüfer-Richtlinie), der auch in die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung eingebunden ist. Die Durchführung und Ergebnisse der Prüfung sind im Bestätigungsvermerk – und zwar demselben, in dem auch über die Prüfung der Finanzberichterstattung berichtet wird –19 aufzunehmen; dies schafft zugleich einen zeitlichen Rahmen für den Zeitraum, der für die Prüfungsdurchführung zur Verfügung steht.20 Darüber hinaus stellen viele weitere Bestimmungen einen Gleichklang zwischen der Prüfung der Finanzberichterstattung und der Nachhaltigkeitsberichterstattung her – z. B. in puncto Aufsicht, Bestellung und Prüfungsgebühren.

Der CSRD-Entwurf enthält schließlich Vorschläge zur Änderung der Abschlussprüfungs-Verordnung (537/2014). Diese umfassen zwei Kernregelungen:

  • Die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung führt zum Ausschluss von der Erbringung von Beratungsleistungen für das geprüfte Unternehmen auf diesem Gebiet.

  • Weiterhin wird eine gesonderte Offenlegung der Honorare aus der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung gefordert.

Dem Wortlaut des CSRD-Entwurfs nach scheint die zukünftig vorgesehene Pflichtprüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung als „Nichtprüfungsleistung“ klassifiziert zu werden. Dies ist im Besonderen hinsichtlich einer Einbeziehung der hierfür verrechneten Honorare in das Fee Cap für den Abschlussprüfer von Bedeutung; dem Kommissionsvorschlag folgend würden die Honorare für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung allerdings nicht unter die vorgesehene Honorarobergrenze fallen.

2. Weitere Regelungen von Bedeutung für die externe Prüfung

Neben den zuvor dargestellten Regelungen, welche den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer mit unmittelbar ersichtlichen Konsequenzen konfrontieren, enthalten einige weitere Bestimmungen des CSRD-Entwurfs nicht minder relevante Neuerungen für diesen.

Zunächst sind die vorgeschlagenen Bestimmungen zur Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen anzuführen. Gerade für Deutschland wird dies ersten Einschätzungen zufolge gravierende Konsequenzen zeigen – erwartet wird eine Steigerung der Zahl der betroffenen Unternehmen um den Faktor 30.21 Während bisher die Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattungen insbesondere den großen WP-Gesellschaften (und dabei vor allen den „Big Four“ zzgl. BDO) vorbehalten ist,22 wird damit in Zukunft eine weitaus größere Zahl an Wirtschaftsprüfern mit der Notwendigkeit konfrontiert sein, entsprechende Prüfungsleistungen zu erbringen. Dies kann bis in die Sphäre mittelständischer Kanzleien reichen. Ob dies dazu führt, dass die Prüfungslandschaft auf diesem Gebiet heterogener wird, oder aber ob das sich eröffnende Marktpotenzial wegen der hohen Anforderungen wieder bei den großen WP-Gesellschaften verbleibt, wird abzuwarten bleiben. In letzterem Fall besteht allerdings darüber hinaus die Gefahr, dass diesbezüglich die Übernahme der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten dazu führen kann, dass mittel- bis langfristig auch die korrespondierenden Mandate für die Prüfung der Finanzberichterstattung mit an die neuen Prüfer übertragen werden – und sohin die Gefahr der Marktkonzentration weiter befeuert wird.

In inhaltlicher Hinsicht wird die Beurteilung der vorgelegten Nachhaltigkeitsberichte im Vergleich zum Status quo komplexer, da der CSRD-Entwurf bereits sehr weitreichende neue Berichtspflichten vorsieht – und die zu entwickelnden Berichterstattungsstandards hierzu gewiss noch einiges hinzufügen werden. Allerdings ist zugleich mit ausformulierteren Vorgaben und damit mehr Anhaltspunkten für die durchzuführenden Beurteilungen zu rechnen, welche einen Checklisten-basierten Zugang im Rahmen der Erstellung und der Prüfung der Berichterstattung wieder begünstigen dürften.

Darüber hinaus ist gerade die Perspektive auf die neuen europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, welche gegenwärtig von der EFRAG entwickelt werden, von besonderer Relevanz für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer. Schon die Vorarbeiten hierzu, welche in den Projektendbericht vom Februar 2021 mündeten, wurden in einem wesentlichen Maße von Vertretern dieses Berufsstands mitgetragen, welche einen großen Teil der angefallenen Arbeitsleistung erbrachten. Dies wird sich wohl auch in der Zukunft fortsetzen – und räumt Wirtschaftsprüfern einen zentralen Stellenwert in der inhaltlichen Entwicklung dieser neuen Standards ein.23 Zu hoffen ist dabei freilich, dass dies stets im besten Interesse der übertragenen Aufgabe geleistet wird, während ebenso nicht von der Hand zu weisende Eigeninteressen der Vertreter des Berufsstands möglichst hinten angestellt werden.

III. Weitere Regelungen zur Stärkung der Nachhaltigkeits-Governance

1. Neue Verantwortlichkeiten für Vorstand und Aufsichtsrat

Nicht nur der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wird in die Pflicht genommen, um die Grundlage für eine verlässlichere Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU zu schaffen – auch die berichtspflichtigen Unternehmen selbst und die verantwortlichen Akteure in diesen werden in die Pflicht genommen.24 Hervorzuheben sind dabei die folgenden Bestimmungen des Kommissionsvorschlags zur CSRD:

  • Konkrete Angabepflichten in Art. 1 des CSRD-Entwurfs adressieren etwa die Unternehmensstrategie (insbesondere hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte) sowie die Rollen von Vorstand und Aufsichtsrat im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens.

  • In Art. 2 des CSRD-Entwurfs wird der Bilanzeid des Vorstands auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgedehnt.

  • Art. 3 des CSRD-Entwurfs sieht darüber hinaus vor, dass sich der Prüfungsausschuss ebenfalls mit der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu befassen hat. Dies ist vor allem hinsichtlich des IKS und des Risikomanagements von großer Bedeutung.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Vorstand schon den allgemeinen Sorgfaltsmaßstäben nach zur Führung eines angemessenen IKS und Rechnungswesens verpflichtet ist – was nicht allein auf die Finanzberichterstattung beschränkt bleibt.25 Der Aufsichtsrat hat dies wiederum zu überwachen und zu prüfen. Mit den gestiegenen inhaltlichen Anforderungen, die sich aus dem Kommissionsvorschlag zur CSRD ergeben, gewinnen auch diese Anforderungen an weiterer Bedeutung.

Damit steht ein Weiterqualifikationsbedarf für Vorstand und Aufsichtsrat im Fokus. Die Entwicklung eines neuen Rollenprofils des „Sustainability Expert“ (in Analogie zum Finanzexperten) ist dazu eine Forderung, die für den Aufsichtsrat bereits vor einiger Zeit erhoben wurde –26 und sich von der Unternehmenspraxis auch immer häufiger aufgegriffen findet. Darüber hinaus ist die Organisation der Nachhaltigkeitsagenden im Unternehmen einer Evaluation zu unterziehen – und dort die notwendigen Schritte für eine Zusammenführung mit der Finanzorganisation und den dafür entwickelten Systemen, Prozessen und Rollenprofilen zu setzen.27 Das Thema Nachhaltigkeit ist spätestens jetzt auf der Top-Ebene des Managements zu verankern.28

Der Aufsichtsrat wird weiterhin für die Beauftragung und Sicherstellung der adäquaten Durchführung der beauftragten Prüfung verantwortlich sein. Da die vorgeschlagenen Neuregelungen zur (zukünftig verpflichtenden) externen inhaltlichen Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nun von hoher Komplexität sind, wird sich der Aufsichtsrat ebenso frühzeitig mit ihnen befassen müssen, um den gesetzlichen Anforderungen Genüge zu tun.29

2. Klarstellungen zum Enforcement und erweiterte Sanktionsbestimmungen

Gemäß Art. 51 der Bilanz-Richtlinie („Sanktionen“) unterliegt die Sanktionierung in puncto Berichterstattung von Unternehmen, die nicht an einem geregeltem EU-Markt notiert sind, den jeweiligen Mitgliedstaaten. Unterschiedliche Sanktionierungen untergraben laut der EU-Kommission jedoch den Binnenmarkt. Darüber hinaus ist eine entsprechende Stärkung bzw. Vereinheitlichung der unionsrechtlichen Vorgaben zum Enforcement geplant, um das Enforcement der Nachhaltigkeitsberichterstattung30 in Einklang mit dem intendierten integrativen Wirtschafts- und Finanzsystem der EU zu bringen.31

Im Hinblick auf das Enforcement der Nachhaltigkeitsberichterstattung soll zunächst die Transparenz-Richtlinie (2004/109/EG) modifiziert werden, um den Mitgliedstaaten der EU ein gesetzliches Mandat einzuräumen. Darüber hinaus soll die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) beauftragt werden, Leitlinien für die nationalen Aufsichtsbehörden zu erlassen, um einer weiteren Harmonisierung der Enforcement-Praktiken in der EU zuzutragen. Damit soll dem Problem einer gegenwärtig zu beobachtenden großen Heterogenität an Zugängen in den EU-Mitgliedstaaten Rechnung getragen werden – und der Nachdruck auf die Entwicklung der Berichtspraktiken über den Weg des Enforcement erhöht werden.32

Die vorgeschlagene Neufassung des Art. 51 der Bilanz-Richtlinie sieht vor, die EU-Mitgliedstaaten zukünftig zu verpflichten, Sanktionen gegen Organmitglieder bei Verstößen gegen die Vorgaben der CSRD zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erlassen. Diese umfassen u. a. Offenlegungen und Verwaltungsgeldstrafen. Dabei soll den Umständen des Einzelfalls auf angemessene Weise Rechnung getragen werden.

IV. Abschließende Würdigung und Fazit

Mit ihren Vorschlägen zur Reform der Bestimmungen zur externen Prüfung in der CSRD-Entwurfsfassung greift die EU-Kommission zahlreiche Kritikpunkte auf, die in der Vergangenheit an sie herangetragen wurden – und sieht in fast allen dieser Vorschläge sehr weitreichende Neuregelungen vor (wie dies auch die Vorschläge zur inhaltlichen Ausgestaltung der Berichtspflichten selbst tun). Einzig die einstweilen vorgesehene Pflicht zu einer „limited assurance“ greift kürzer, als dies von vielen Stakeholdern gewünscht wird. Hier scheint allerdings vor allem den Vorschlägen berufsständischer Interessenvertretungen gefolgt zu werden, eine Übergangsfrist vorzusehen.33 Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer profitiert hiervon durch gewonnene Zeit, die für den Aufbau entsprechender Prozesse und Strukturen, nicht zuletzt auch für die Gewinnung und Schulung der benötigten Mitarbeiter genutzt werden sollte. Dennoch bleibt am Kommissionsvorschlag zur CSRD in diesem Punkt zu kritisieren, dass er vage bleibt, was den konkreten Übergang zu einer „reasonable assurance“ betrifft – und hier verbindlichere Rahmenbedingungen wünschenswerter wären, um Inkonsistenzen zu vermeiden bzw. zumindest zu begrenzen.

Ein Problem, das mit der erwartbaren großen Zahl an Mandanten, die mit dem Inkrafttreten der CSRD einhergehen wird, verbunden ist, betrifft die zuvor angesprochene personelle Ausstattung der WP-Gesellschaften. Bereits heute kämpft der Berufsstand mit der Gewinnung seines Nachwuchses. Auf dem Gebiet der bisherigen nichtfinanziellen Berichterstattung fehlen noch immer standardisierte Ausbildungswege; insbesondere ist viel an Ausbildungsarbeit durch die WP-Gesellschaften selbst zu besorgen. Wie dies nun mit einer Vervielfachung des Bedarfs an Mitarbeitenden auf diesem Gebiet in Einklang zu bringen ist, ist eine Frage, die in naher Zukunft mit besonderer Aufmerksamkeit zu bedenken sein wird.

Zusammenfassend kündigt sich mit dem Kommissionsvorschlag zur CSRD ein Paradigmenwechsel an – nicht nur für die nichtfinanzielle Berichterstattung (bzw. zukünftig: Nachhaltigkeitsberichterstattung) selbst, sondern auch für deren externe Prüfung. Dies stellt den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer vor Herausforderungen. Dieser ist nunmehr gefordert, sich weiter in die politischen Diskussionen zur Finalisierung der CSRD einzubringen – daneben aber bereits konkrete Vorbereitungsschritte zu initiieren, um die offensichtlich knapp bemessene Zeitleiste adäquat zu reflektieren. Abschließend ist der Umstand hervorzuheben, dass das Thema der erweiterten Transparenz über Nachhaltigkeitsaspekte nunmehr endgültig vor dem Durchbruch in den „Mainstream“ zu stehen scheint – mit allen Chancen und Herausforderungen, die mit einer solchen fast schon revolutionären Entwicklung einhergehen werden.

Autoren

Mag. (FH) Josef Baumüller
ist Mitarbeiter an der Wirtschaftsuniversität Wien sowie Doktorand an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien.

M.Sc. Oliver Scheid
ist Offizier der Bundeswehr und externer Mitarbeiter an der Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfungswesen, der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg.

Fundstelle(n):
WP Praxis 7/2021 Seite 215
NWB OAAAH-81827


1Siehe für eine Darstellung Baumüller, PiR 2019 S. 207 ff. NWB SAAAH-21361.

2Vgl. hierzu ausführlich Baumüller/Scheid/Kotlenga, KoR 2020 S. 439 ff.

3Dieses Schreiben ist derzeit abrufbar unter https://go.nwb.de/mivw1; siehe hierzu ausführlich Baumüller/Scheid, PiR 2020 S. 383 f. NWB MAAAH-65324.

4Vgl. European Reporting Lab @EFRAG, Final Report: Proposals for a relevant and dynamic EU Sustainability Reporting Standard-Setting, Februar 2021, abrufbar unter https://go.nwb.de/tp3c3; für eine ausführliche Darstellung siehe Sopp/Baumüller, KoR 2021 S. 254 ff.

5Vgl. EU-Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2013/34/EU, Directive 2004/109/EC, Directive 2006/43/EC and Regulation (EU) No 537/2014, as regards corporate sustainability reporting, COM(2021) 189 final, 2021/0104 (COD), abrufbar unter https://go.nwb.de/c196v.

6Für eine erste inhaltliche Diskussion der neuen Berichtspflichten siehe Müller/Scheid/Baumüller, BB 2021 S. 1323 ff.; Lanfermann/Scheid, DB 2021 S. 1213 ff.; Baumüller/Scheid, PiR 2021 S. 202 ff. NWB AAAAH-81781.

7Vgl. hinsichtlich des bisherigen Status quo Sopp/Baumüller/Scheid, WP Praxis 2021 S. 192 f. NWB OAAAH-78837.

8Vgl. ausführlich zur Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung durch den Aufsichtsrat Sopp/Baumüller/Scheid, Die nichtfinanzielle Berichterstattung – Berichtspflichten und -inhalte, 2021, S. 226 ff. NWB PAAAH-73394.

9Vgl. dazu CSR Europe/GRI, Member State Implementation of Directive 2014/95/EU, 2017, S. 10, abrufbar unter https://go.nwb.de/4q600.

10Vgl. kritisch Lanfermann, BB 2016 S. 1134.

11Zu den Implikationen für die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch den CSRD-Entwurf siehe auch Velte, WPg 2021 S. 613 ff.

12Vgl. EU-Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2013/34/EU, Directive 2004/109/EC, Directive 2006/43/EC and Regulation (EU) No 537/2014, as regards corporate sustainability reporting, COM(2021) 189 final, 2021/0104 (COD), ErwGr. 34, abrufbar unter https://go.nwb.de/c196v.

13Vgl. ebenda, ErwGr. 25.

14Vgl. ebenda, ErwGr. 49.

15Hierbei handelt es sich um die Offenlegung vom jeweiligen Anteil „grüner“ Wirtschaftsaktivitäten an Umsatzerlösen („Turnover“), Investitionen („CapEx“) sowie Betriebsausgaben („OpEx“); siehe hierzu ausführlich Lanfermann/Scheid, DB 2021 S. 744 ff.

16Vgl. EU-Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2013/34/EU, Directive 2004/109/EC, Directive 2006/43/EC and Regulation (EU) No 537/2014, as regards corporate sustainability reporting, COM(2021) 189 final, 2021/0104 (COD), S. 12, abrufbar unter https://go.nwb.de/c196v.

17Vgl. Schmidt/Strenger, NZG 2019 S. 487.

18Vgl. EU-Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2013/34/EU, Directive 2004/109/EC, Directive 2006/43/EC and Regulation (EU) No 537/2014, as regards corporate sustainability reporting, COM(2021) 189 final, 2021/0104 (COD), ErwGr. 59, abrufbar unter https://go.nwb.de/c196v.

19Vgl. ebenda, ErwGr. 61.

20Vgl. Deloitte, IFRS Centre of Excellence Nr. 10, April 2021, S. 13, abrufbar unter https://go.nwb.de/1a5nr.

21Vgl. DRSC, Kernbotschaften des DRSC-Verwaltungsrates zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), April 2021, S. 1, abrufbar unter https://go.nwb.de/fkuw5.

22So etwa Velte/Scheid, DStR 2018 S. 1682.

23Siehe hierzu – auch kritisch – Sopp/Baumüller, KoR 2021 S. 254 ff.

24Vgl. Baumüller, Aufsichtsrat aktuell 3/2021, im Erscheinen.

25Vgl. hierzu Lindbauer, RWZ 2018 S. 17.

26Z. B. von Baumüller/Niklas/Wieser, Aufsichtsrat aktuell 1/2020 S. 12; Scheid/Needham, DB 2020 S. 1780 f.

27Vgl. Lanfermann/Baumüller/Scheid, IRZ 2021 S. 291.

28Vgl. Baumüller, Aufsichtsrat aktuell 3/2021, im Erscheinen.

29Vgl. Baumüller, Aufsichtsrat aktuell 3/2021, im Erscheinen.

30Vgl. dazu weiterführend Baumüller/Scheid, DK 2021 S. 98 ff.

31Vgl. EU-Kommission, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2013/34/EU, Directive 2004/109/EC, Directive 2006/43/EC and Regulation (EU) No 537/2014, as regards corporate sustainability reporting, COM(2021) 189 final, 2021/0104 (COD), ErwGr. 69, abrufbar unter https://go.nwb.de/c196v.

32Vgl. hierzu etwa Schmidt, KoR 2020 S. 328 ff.

33Vgl. statt vieler nur Accountancy Europe, Position paper: Setting up for high-quality non-financial information assurance in Europe, Juni 2020, S. 2, abrufbar unter https://go.nwb.de/9hcf0.

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