Handlungsbedarf für Gesetzgeber bei § 23 EStG?

Private Veräußerungsgeschäfte sind Gegenstand zweier in diesem Januar veröffentlichten Entscheidungen des BFH und des FG Münster. Beide Entscheidungen kommen jeweils zu dem Ergebnis, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 EStG im konkreten Fall nicht erfüllt sind.

Das Wesentliche in Kürze:

  • Die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs unterfällt als veräußerungsähnlicher Vorgang nicht dem engen Veräußerungsbegriff des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG – die Ablösung ist nicht steuerbar.
  • Der BFH hat bislang die Wortlautgrenzen des § 23 EStG gegen eine fiskalfreundliche weite Auslegung verteidigt.

Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts

Fokus der folgenden Betrachtung soll die Entscheidung des FG Münster1 sein, deren Bestand jedoch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BFH2 in der Rechtssache IX R 13/22 beurteilt wird. Das FG Münster hat in der Beurteilung einer entgeltlichen Ablösung eines Nießbrauchsrechts angenommen, dass keine Einkünfte i. S. von § 23 EStG vorlagen, der Nießbraucher mithin ertragsteuerfrei das Ablösungsentgelt vereinnahmen konnte. Der Fiskus kann aktuell wohl keine Schützenhilfe durch den BFH erwarten, denn ausweislich der jüngsten Entscheidung versteht der BFH ausdrücklich von bisheriger Rechtsprechung abweichend den § 23 EStG – rechtsstaatlich wünschenswert – wortlautgetreu, statt die Norm fiskalfreundlich auszudehnen.

Die Entscheidung des FG Münster und deren Konsequenz

Der Sachverhalt, der der Entscheidung des FG Münster zugrunde lag, kann leicht vereinfacht wie folgt zusammengefasst werden: Im Wege eines Vermächtnisses erhielt die Klägerin, die Ehefrau des Verstorbenen, einen Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück, während das Grundstück selbst als Teil der Erbmasse in das Vermögen der gemeinsamen Kinder überging. Später verzichtete die Klägerin gegenüber einer Gesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt das Eigentum am Grundstück erworben hat, gegen Zahlung eines offenbar marktüblichen Entgelts auf den Nießbrauch. Die Finanzverwaltung wollte das Aufhebungsentgelt nach § 22 Nr. 2 EStG i. V. mit § 23 EStG der Besteuerung unterwerfen. Hiergegen richtete sich die Klage.

„Same same but different“ – Veräußerungsähnlichkeit ist keine Veräußerung

Mit § 23 Abs. 1 EStG hat der Gesetzgeber sich für eine enumerative Aufzählung der privaten Veräußerungsgeschäfte entschieden. Das FG Münster setzt sich richtigerweise im Detail damit auseinander, welcher zivilrechtliche Vorgang zwischen den Parteien stattgefunden hat und kommt konsequent zu dem Ergebnis, dass keine Veräußerung, sondern ein veräußerungsähnlicher Vorgang in der entgeltlichen Aufhebung zu erblicken ist.

Wirtschaftsgut

Zunächst geht das FG Münster in seiner Urteilsbegründung richtigerweise davon aus, dass der Nießbrauch ein Wirtschaftsgut i. S. von § 23 EStG darstellt. Der in § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG verwendete Begriff des anderen Wirtschaftsgutes umfasst als Auffangtatbestand alle Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, die nicht Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte sind und die selbständig bewertbar, längerfristig nutzbar und keine Gegenstände des täglichen Gebrauchs sind3. Unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrechte an Grundstücken werden dann erfasst, wenn der Inhaber des Nutzungsrechts eine rechtlich gesicherte Position erlangt, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Diese Anforderungen erfüllt ein Nießbrauch. Die Erlangung eines Nießbrauchs stellt auch eine bewertbare Position dar (hierfür streitet schon § 13 BewG), der – ungeachtet der mangelnden Übertragbarkeit im Wirtschaftsverkehr – auch tatsächlich ein Wert beigemessen wird.


[1] FG Münster, Urteil v. 12.12.2023 - 6 K 2489/22 E.

[2] BFH, Urteil v. 26.9.2023 - IX R 13/22 UAAAJ-56573.

[3] Vgl. BFH, Urteil v. 24.5.2022 - IX R 22/21, BStBl 2023 II S. 108 QAAAJ-27160.

Auszug aus Eiling/Keßeler, NWB-EV 2/2024 S. 54 sowie Themen-Special „Aktuelle Urteile und Tipps zu § 23 EStG“

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