Herausforderung Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt

Das Modell Europa ist in die Jahre gekommen. Die aktuellen Herausforderungen sind gewaltig, ob Finanzkrisen, Flüchtlingsproblematik oder die Probleme im Hinblick auf den unerwarteten Ausstieg eines Mitglieds dieser Gemeinschaft, denn auch wenn es sich nur um eine Wirtschafts- und teilweise Währungsunion und damit um einen losen Verbund einzelner souveräner Staaten handelt, lassen sich die politischen Probleme schlicht nicht ausblenden.

Während die einen in diesem Krisen-Potpourri den Beginn des Untergangs Europas sehen, behaupten die anderen, die Zeit ist reif für Grundsteinlegung einer europäischen Republik. Aber beides ist weit von der Wirklichkeit entfernt. Aktuell gilt es, die Bestände Europas zu sichern und wieder zu ordnen. Denn im 21. Jahrhundert steht die Finanzierung all dieser Aufgaben im Mittelpunkt unserer Lebenswirklichkeit. Auch hehre Ziele bedürfen der Finanzierung.

Und gerade die unterschiedlichen Finanzierungsmethoden der Staatshaushalte der einzelnen Mitgliedstaaten der Union sind das größte Hindernis, dass einer wirklichen Annäherung zurzeit im Wege steht. Nicht selten bedeuten Entscheidungen zur Harmonisierung einen tiefen Eingriff in die bisherige Finanzautonomie der Mitgliedsländer und beeinflussen somit in hohem Maße die nationale Verteilungspolitik. So wundert es denn nicht, dass Harmonisierungen nur sehr mühsam voranschreiten.

Ein weiteres, nicht zu unterschätzendes Problem ist die Regelungswut der Europäer. Wer ernsthaft schriftlich festlegt, dass „ein Führersitz der einer Person Platz bietende Sitz ist, der für den Führer bestimmt ist, wenn dieser die Zugmaschine führt“, darf sich nicht darüber wundern, dass die betroffenen Menschen europamüde geworden sind und sich weniger Staat und Bürokratie wünschen. Während in den Jahren nach dem Krieg Papierbeschaffung noch eine zentrale Herausforderung war und so de facto die Gesetzesflut eindämmte, bricht die digitale Welt alle Dämme und bietet dem Reglementierungswahn der Europäer alle Möglichkeiten der Entfaltung. Hatten die Europäer beispielsweise noch 1992 beschlossen, einen Standardmehrwertsteuersatz von mindestens 15 Prozent in den Mittelpunkt zu rücken und Ausnahmen nur in begründeten Ausnahmefällen zuzulassen und auf eine Angleichung des Mehrwertsteuersatzes durch die Kräfte des Marktes gehofft, wurden zur Privilegierung einzelner Mitgliedstaaten und Gewerbezweige immer mehr absurde Ausnahmeregelungen in Bezug auf den ermäßigten Steuersatz zugelassen. So ist die Mehrwertsteuer heute ein gigantischer Flickenteppich.

Umsatzsteuer im Binnenmarkt

Zum 1.1.1993 wurde aufgrund der Unterzeichnung der „Einheitlichen Europäischen Akte” der Gemeinsame Binnenmarkt eingeführt, die Vollendung des „Umsatzsteuerlichen Binnenmarktes” ist aber auch heute noch lange nicht abgeschlossen. Trotz der weitgehenden Harmonisierung der Umsatzsteuer waren die Zielvorstellungen der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union schon seinerzeit so unterschiedlich, dass die entsprechenden Regelungen als Übergangsmaßnahmen verabschiedet wurden und ein endgültiges gemeinsames Umsatzsteuersystem auch mehr als 20 Jahre später immer noch aussteht. Wann dieses tatsächlich eingeführt werden wird, lässt sich zurzeit noch nicht absehen, zu unterschiedlich sind die Auffassungen der Mitgliedsländer und die bürokratischen Hemmnisse.

EU-Aktionsplan zur Mehrwertsteuer

Mit ihrem mittlerweile vorgelegten „Aktionsplan zur Mehrwertsteuer“ stellt die EU-Kommission in der entsprechenden Präambel selbst klar, dass „das System der Mehrwertsteuer insbesondere kleinen und mittleren Unternehmern zu schaffen macht“, weil es „zu fragmentiert und zu kompliziert ist.“ Nicht selten sind die Kosten zur Befolgung der ausgefeilten Mehrwertsteuer-Vorschriften höher als die damit verbundene Abgabe, ein Umstand, der zwar allenthalben Kopfschütteln nach sich zieht, nur eben keine Anpassung der Vorschriften. Die Kommission hält einen Neustart für dringend erforderlich. Das Konzept erfordert aber dabei von den Mitgliedstaaten erhebliche Veränderungen ihres nationalen Steuerrechts, wozu die meisten Mitgliedstaaten in der Vergangenheit eben gerade nicht bereit waren. So geht denn auch die Kommission davon aus, dass es „politischer Führungskraft bedarf, um die tief verwurzelten Hindernisse zu überwinden, um endlich die notwendigen Reformen zu verabschieden.“ Es bleibt zu wünschen, dass die Europäer dieses Konzept sorgfältig prüfen, einschließlich des Vorschlags der Kommission, endlich das Einstimmigkeitsprinzip im Steuerrecht aufzugeben, welches bislang das größte Hindernis zur Durchsetzung ernsthafter Reformen war.

Ende des Harmonisierungsprozesses ist noch lange nicht abzusehen

Sollte hier kein Konsens gefunden werden, müssen wir auch in den nächsten Jahren mit einem völlig unzureichenden Besteuerungssystem leben, dem insbesondere der Makel anhaftet, dass es die an sich vorhandene Grundsystematik der Umsatzsteuer verändert und sich immer mehr in der Lösung von Einzelproblemen verliert. So kam denn auch das Umsatzsteuerrecht in den letzten Jahren nicht zur Ruhe. Es ist in der jüngeren Vergangenheit einer ähnlichen Regelungsflut begegnet wie bislang nur die im Inland politisch mehr im Fokus stehende Einkommensteuer. Seit Verabschiedung des Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 25.8.1992 und der Einführung der sog. Übergangsregelung von 4 Jahren (was wir heute als unglaublich optimistisch ansehen müssen) bleibt die Gesetzgebung kurzlebig und insbesondere in diesem Teilbereich des Umsatzsteuerrechts unübersichtlich. Darüber hinaus gewinnt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes immer größere Bedeutung, so dass neben der Gesetzgebung auch die rechtsprechende Gewalt eine Flut von Verwaltungsanweisungen nach sich zieht.

Gesamtübersicht über das geltende Umsatzsteuerrecht im Europäischen Binnenmarkt

Die 11. Auflage „Umsatzsteuer im Binnenmarkt“ gibt eine Gesamtübersicht über das geltende Umsatzsteuerrecht im Europäischen Binnenmarkt und hilft so, den Überblick in diesem Steuerchaos zu behalten. Dabei werden nicht nur die innergemeinschaftlichen Warenlieferungen, sondern auch die innergemeinschaftlichen Dienstleistungen in ihrer Gesamtheit abgehandelt, insbesondere die Regelungen zur Ortsbestimmung sowie die damit einhergehenden Meldepflichten und das eng damit verbundene Thema „Übergang der Steuerschuldnerschaft“.

Ein besonderer Mehrwert ist der aktuelle Überblick über das Umsatzsteuerrecht der anderen EU-Mitgliedstaaten.

Auszug aus dem Vorwort zur 11. Auflage des Handbuchs „Umsatzsteuer im Binnenmarkt“ von Ralf Sikorski.

Darum ist das Handbuch so wertvoll für die Praxis

Die Anwendung der Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt wirft viele Fragen auf. Was müssen Unternehmen beachten, die Leistungen von ausländischen Unternehmen erhalten? Was muss ein inländischer Unternehmer berücksichtigen, wenn er eine Leistung im Ausland erbringt? Welche Regelungen gelten bei innergemeinschaftlichen Reihen- und Dreiecksgeschäften? Praxisnah und umfassend gibt dieses Standardwerk in nunmehr 11. Auflage Antworten auf die wichtigsten praktischen Fragen und schafft Klarheit!

Buchcover "Umsatzsteuer im Binnenmarkt"

Steuerberaterhaftung

Innergemeinschaftliche Erwerbe. Innergemeinschaftliche Lieferungen. Grenzüberschreitende Dienstleistungen. Übergang der Steuerschuldnerschaft in der EU. Vorsteuer-Vergütungsverfahren. Überblick: Besteuerung in anderen EU-Ländern

Von Diplom-Finanzwirt Ralf Sikorski unter Mitarbeit von Steuerberaterin Annette Pogodda-Grünwald.

11. Auflage. 2021. 887 Seiten. Gebunden.
ISBN: 978-3-482-67961-2

Preis: 99,00 €

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