Die neue Prüfungsordnung für Geprüfte Bilanzbuchhalter (IHK) 2021 – Abschluss als „Bachelor Professional“
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Fachgesetzlicher Hintergrund der neuen Prüfungsordnung
Nach Inkraftreten des neuen Berufsbildungsgesetzes (BBiG)1 am war notwendig geworden, die Bilanzbuchhalterprüfungsverordnung (PO a. F.)2 an die neuen Bestimmungen anzupassen (PO n. F.).3 Die Bilanzbuchhalterprüfungsverordnung gehört zu den ersten von insgesamt mehr als 100 Prüfungsordnungen, die nach dem neuen BBiG angepasst werden müssen. Verordnungen sind in der Normenhierarchie den Gesetzen nachgeordnet. Die Rechtsnorm bezieht sich immer auf ein bestehendes Gesetz und legt fest, wie das Gesetz im Detail auszuführen ist. § 53 BBiG bestimmt:
„Als Grundlage für eine einheitliche höherqualifizierende Berufsbildung kann das Bundesministerium für Bildung und Forschung … Abschlüsse der höherqualifizierenden Berufsbildung anerkennen und hierfür Prüfungsregelungen erlassen (Fortbildungsordnungen).“
II. Zulassungsvoraussetzungen und Lernumfang
Die Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung sind deutlich verändert. Nach der PO a. F. musste ein Abschluss in einem anerkannten kaufmännischen oder verwaltenden Ausbildungsberuf und danach eine zwei- bzw. dreijährige Berufspraxis oder (ohne Abschluss) eine sechsjährige Berufspraxis nachgewiesen werden, die zudem „inhaltlich wesentliche Bezüge“ zu den Aufgaben einer Bilanzbuchhalterin/eines Bilanzbuchhalters haben musste.
Die Wartezeit entfällt zukünftig. Das BBiG bestimmt als Regelzugang für Prüfungen der zweiten beruflichen Fortbildungsstufe (also auch für die Bilanzbuchhalterprüfung)
-
den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder
-
den Abschluss der ersten beruflichen Fortbildungsstufe (Geprüfter/-te Berufsspezialist/-in, z. B. Geprüfte/-r Servicetechniker/-in, Zertifizierte/-er IT-Spezialist/in).
Der Lernumfang der bis zur Prüfung erworbenen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten soll mindestens 1.200 Stunden betragen. Dieser Mindestumfang ist normalerweise unproblematisch zu erreichen, denn zwischen Unterricht, Selbstlernen und Praxis wird nicht unterschieden. Der IHK-Rahmenplan sieht bereits eine Lehrgangsdauer von 780 Unterrichtsstunden vor, der Rest kann dann i. d. R. durch eine Selbsterklärung leicht glaubhaft gemacht werden.
Auch die notwendige Berufserfahrung bei anderen Zugangsmöglichkeiten ist verkürzt worden. Ohne Abschluss beträgt sie jetzt fünf Jahre, nach dem erfolgreichen Abschluss eines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums ein Jahr.
Die Prüfung kann also jetzt deutlich früher abgelegt werden. Teilnehmende können ihre Karriere beschleunigen, den Arbeitgebern stehen die erworbenen Qualifikationen früher und länger zur Verfügung.
Allerdings haben die Prüfungsteilnehmer und -teilnehmerinnen tendenziell auch deutlich weniger Berufserfahrung. Schon bisher beklagten Lehrende und Prüfende die fehlende Erfahrung, z. B. im Handlungsbereich „Kommunikation, Führung und Zusammenarbeit ...“.
Weil die eigenen Kenntnisse und Kompetenzen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht selten überschätzt werden, ist zu befürchten, dass der Anteil derjenigen zunehmen wird, die ihre Fortbildung abbrechen oder die Prüfung nicht bestehen.
Die Lehrgangsanbieter werden noch stärker auf das hohe Anspruchsniveau aufmerksam machen müssen, damit mittelfristig die Abbrecher- und Durchfallquote die Interessierten nicht abschreckt, sich dieser anspruchsvollen Prüfung zu stellen.
III. Unveränderte Inhalte der Prüfung
Die Anforderungen und Inhalte der Handlungsbereiche bleiben unverändert. Die Lehrgangsinhalte, Unterrichtsmaterialien und die Lehrbücher müssen nicht angepasst werden, und die von Arbeitgebern erwarteten Qualifikationen und Kompetenzen, die durch die Prüfung bescheinigt werden, bleiben unverändert.
Allerdings wurde die Möglichkeit nicht genutzt, den Lehrstoff zu entschlacken (z. B. IFRS), zu konkretisieren (z. B. Arbeitsvertrag) und an die Anforderungen der Praxis anzupassen (z. B. Datenschutz, Digitalisierung).
IV. Schriftliche Prüfung
Die schriftliche Prüfung besteht wie bisher aus drei Aufgabenstellungen mit einer Bearbeitungsdauer von jeweils 240 Minuten. In jeder Klausur bildet ein anderer Handlungsbereich den Schwerpunkt.
Allerdings ändert sich die Bewertung: Während bisher die drei Teilleistungen gleichgewichtig zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst wurden, wird jetzt jede Teilleistung einzeln bewertet. Zum Bestehen müssen dann jeweils – also in jeder der drei Klausuren – mindestens 50 Punkte erreicht werden.
Erst danach werden die drei Ergebnisse gleich gewichtet und die Punktzahl für den schriftlichen Teil ermittelt. Die schriftliche Prüfung gilt trotzdem weiterhin als Einheit, bei einer Wiederholungsprüfung müssen alle drei Klausuren neu geschrieben werden – auch wenn nur eine Klausur nicht „ausreichend“ bewertet worden ist.
Aus Sicht der Teilnehmenden ist die schriftliche Prüfung dadurch schwieriger geworden, weil nicht ausreichende Leistungen in Teilleistungen nicht mehr ausgeglichen werden können. Ein Lernen „auf Lücke“ ist erheblich risikoreicher geworden.
Folgende Tabelle verdeutlicht dies beispielhaft:
Punkte der Teilleistungen
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durchschnitt liche Punktzahl
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Ergebnis PO a. F.
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Ergebnis PO n. F.
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Klausur 1
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Klausur 2
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Klausur 3
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60
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42
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45
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49
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nicht bestanden
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nicht bestanden
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60
|
60
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42
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54
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bestanden
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70
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35
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45
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50
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50
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50
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50
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50
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bestanden
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Dadurch wird der von Prüfenden, Arbeitgebern und auch Teilnehmenden immer wieder beklagte Missstand beseitigt, dass die schriftliche Prüfung auch mit unzureichenden Kenntnissen (weniger als 50 Punkte, mangelhaft) in zentralen Handlungsbereichen wie „Geschäftsvorfälle erfassen und … zu Abschlüssen führen“ und „Betriebliche Sachverhalte steuerlich darstellen“ bestanden werden konnte. Das Zeugnis dokumentiert jetzt zuverlässiger die Qualifikationen in allen Handlungsbereichen.
Allerdings muss damit gerechnet werden, dass die Durchfallquoten aufgrund der höheren Anforderungen steigen.
V. Mündliche Prüfung
Die mündliche Prüfung bleibt unverändert. Sie bildet weiterhin eine hohe Hürde für viele Teilnehmenden. Besonders die Formulierung des Themas für die Präsentation bereitet vielfach Probleme. Weil die IHK bzw. die Prüfungsausschüsse keine Hinweise dazu geben können, entspricht das gewählte Thema oft nicht den Vorgaben des § 6 Abs. 5 PO a. F. und n. F.
Es mag dahingestellt bleiben, ob an der erwarteten oder eher unglücklichen Themenwahl für die Prüfenden erkennbar ist, ob „er oder sie in der Lage ist, ein komplexes Problem der betrieblichen Praxis zu erfassen, darzustellen, zu beurteilen und zu lösen“ (§ 6 Abs. 5 Satz 1 PO a. F. und n. F.).
Nicht ganz ohne Grund darf zumindest vermutet werden, dass in diesem Teil der mündlichen Prüfung, auf den immerhin 1/3 der erreichbaren Punkte entfällt, weiterhin nicht allein die fachlichen Qualifikationen bewertet werden, sondern auch die Wahl des „richtigen“ Präsentationsthemas.
VI. Bezeichnung des Abschlusses und Übergangsregelungen
Das BBiG regelt in § 54 Abs. 1, dass die zweite Fortbildungsstufe (§ 53a BBiG), zu der auch die Bilanzbuchhalterprüfung gehört, der höherqualifizierenden Berufsbildung der Bachelor Professional ist. Die Abschlussbezeichnung wird an die akademischen Abschlüsse „Bachelor of Arts/Science/Education“ und die landesrechtlichen Fachschulabschlüsse „Staatlich geprüfte/-r Techniker/-in“ und „Staatlich geprüfte/-r Erzieher/-in“ angepasst.
Diese Fortbildungen erfolgen oft auf demselben Niveau wie ein Hochschulstudium. Die attraktiven Abschlussbezeichnungen sollen ein wichtiger Hinweis sein auf die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Durch den Zusatz „Professional“ wird eine Verwechslung mit Hochschulabschlüssen ausgeschlossen. Die Zugangsvoraussetzungen zu einem Hochschulstudium sind landesrechtlich geregelt.
Da die neuen Bezeichnungen international verständlich sind, sollen sie die Mobilitäts- und Karrierechancen für berufliche Aufsteigerinnen und Aufsteiger auf den weltweiten Arbeitsmärkten fördern. Die neue Verordnung bestimmt, dass die Bezeichnung „Bachelor Professional in Bilanzbuchhaltung“ ist. Dieser Abschlussbezeichnung wird die weitere Abschlussbezeichnung „Geprüfter Bilanzbuchhalter“ oder „Geprüfte Bilanzbuchhalterin“ vorangestellt (§ 2 Abs. 5 PO n. F.).
Für alle, die sich vor dem zur Prüfung angemeldet haben, gilt die alte Regelung und das Führen des neuen Titels ist nicht möglich. Zwischen den Regelungen des (damaligen) BBiG und der Verordnung bestand keine Diskrepanz, deshalb fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Für alle, die sich nach dem angemeldet haben, galt bereits das neue BBiG, die Verordnung sah aber teilweise abweichende Regelungen vor. Deshalb gelten Übergangsregelungen:
Der Prüfling hat ...
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1.
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... die Prüfung abgeschlossen und das Zeugnis bereits erhalten:
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Das Prüfungsverfahren ist abgeschlossen und das Zeugnis kann nachträglich nicht mehr geändert werden.
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2.
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... sich nach dem angemeldet und beide Prüfungsteile abgelegt, aber das Zeugnis noch nicht erhalten:
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Bei der IHK kann ein Antrag gestellt werden, die Prüfung nach der PO n. F. zu werten. Voraussetzung: In allen drei schriftlichen Aufgabenstellungen müssen mindestens 50 Punkte erreicht worden sein.
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3.
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... sich nach dem angemeldet und die Prüfung begonnen, aber noch nicht abgeschlossen, z. B. die mündliche Prüfung steht noch aus:
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Bei der IHK kann ein Antrag gestellt werden, die Prüfung nach der PO n. F. zu werten. Voraussetzung: In allen drei schriftlichen Aufgabenstellungen müssen mindestens 50 Punkte erreicht worden sein.
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4.
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... sich nach dem angemeldet und die Prüfung begonnen, aber noch nicht abgeschlossen. In der schriftlichen Prüfung sind nicht in allen drei Aufgabenstellungen 50 Punkte erreicht worden:
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Bei der IHK kann ein Antrag gestellt werden, die Prüfung nach der PO n. F. zu werten. Die schriftliche Prüfung muss dann vollständig (alle drei Aufgabenstellungen) wiederholt werden.
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5.
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... sich nach dem zur Prüfung angemeldet:
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Es gilt ausschließlich die neue Prüfungsverordnung vom .
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Eine offene Frage ist, ob die Bezeichnung Bachelor Professional die Beschäftigungsmöglichkeiten und die Karrierechancen der Prüfungsteilnehmer verändern wird. Schließlich gelten Bilanzbuchhalterinnen und Bilanzbuchhalter seit vielen Jahrzehnten als hoch angesehene Spezialisten für alle Bereiche des Rechnungswesens.
Es bleibt zu hoffen, dass daran eine andere – durch Systematisierung der Bezeichnungen im BBiG entstandene – Bezeichnung nichts ändern wird.
Fazit
Die neue Prüfungsverordnung erscheint als notwendige formale Umsetzung der geänderten Regeln des BBiG. Die Änderungen werden in der Praxis nur geringe Bedeutung haben. Weil auch die bisherige Abschlussbezeichnung in die Zeugnisse übernommen wird, sollte das Renommee nicht leiden. Allerdings wird die Prüfung deutlich schwieriger, weil weniger Berufserfahrung erforderlich ist und weil im schriftlichen Teil ein Ausgleich zwischen den Aufgabenstellungen nicht mehr möglich ist.
Autor
Fundstelle(n):
BBK 2021 Seite 184 - 188
NWB SAAAH-70736
1Alle Angaben zum Berufsbildungsgesetz (BBiG) beziehen sich auf die Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl 2020 I S. 920).
2Alle Angaben zur bisherigen Prüfungsordnung (PO a. F.) beziehen sich auf die Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Bilanzbuchhalter und Geprüfte Bilanzbuchhalterin (Bilanzbuchhalterprüfungsverordnung – BibuchhFPrV) vom in der Fassung des Artikel 76 der Sechsten Verordnung zur Änderung von Fortbildungsverordnungen vom (BGBl 2019 I S. 2153, S. 2411 ff.) NWB MAAAF-07045.
3Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Bilanzbuchhalter und Geprüfte Bilanzbuchhalterin-Bachelor Professional in Bilanzbuchhaltung (Bilanzbuchhalter-Bachelor Professional in Bilanzbuchhaltung-Fortbildungsprüfungsverordnung – BiBuBAProFPrV) vom (BGBl 2020 I S. 3070 ff.) NWB KAAAH-70516.