Regulierung der Corporate Governance nach dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) nach dem Wirecard-Skandal

Am 20.5.2021 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung beschlossen. Der Bundesrat stimmte am 28.5.2021 zu. Das FISG führt zu einer wesentlichen Veränderung der bestehenden Corporate Governance-Regulierungen und enthält gegenüber dem Regierungsentwurf auch einige wesentliche Anpassungen.

Der Beitrag von Prof. Dr. Patrick Velte konzentriert sich auf die internen Corporate Governance-Maßnahmen am Beispiel einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Hierbei werden die handels- und aktienrechtlichen Regulierungen nach dem FISG für die Tätigkeit des Vorstands, Aufsichtsrats und Abschlussprüfers erörtert und einer kritischen Würdigung unterzogen.

Einordnung

Der Skandal um den ehemaligen DAX-Konzern Wirecard hatte seit dem Sommer des letzten Jahres zu zahlreichen Diskussionen zu möglichen Reformmaßnahmen im Rahmen der Corporate Governance geführt. Um das Vertrauen der Unternehmensadressaten in die Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts zu stärken, wurde vom Bundestag am 25.5.2021 und vom Bundesrat am 28.5.2021 das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz – FISG) i. d. F. der gegenüber dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Anpassungen des Finanzausschusses verabschiedet. Im Mittelpunkt des FISG stehen Regulierungen zur Corporate Governance bei Unternehmen des öffentlichen Interesses (Public Interest Entities – PIEs), wobei neben dem Enforcement und der Abschlussprüfung auch die Tätigkeiten des Vorstands und Aufsichtsrats betroffen sind. Das FISG soll am 1.7.2021 in Kraft treten.

Der Beitrag zielt darauf ab, die wesentlichen handels- und aktienrechtlichen Reformmaßnahmen zur internen Corporate Governance nach dem FISG darzustellen und kritisch zu würdigen. Im Speziellen werden nach einer überblicksartigen Darstellung der zentralen Reformmaßnahmen die Auswirkungen des FISG auf die Tätigkeit des Vorstands, Aufsichtsrats und Abschlussprüfers bei Unternehmen des öffentlichen Interesses einbezogen. Die Maßnahmen zur externen Corporate Governance, primär zur Neugestaltung des nationalen Enforcements, werden hierbei ausgeklammert. In einer Gesamtschau ist zu bezweifeln, ob das FISG seiner Zielsetzung gerecht wird, künftige Bilanzskandale zu verhindern.

Fazit

Neben den Enforcement-Regulierungen enthält das FISG auch weitreichende Regulierungen in der internen Corporate Governance.

Schwerpunktmäßig wird mit dem FISG die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers durch die Verkürzung der in- und externen Rotationsfristen und den Ausschluss von Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen parallel zur Prüfung bei PIEs gestärkt. Zudem sollen durch den gestaffelten und unternehmensspezifischen Anstieg der zivilrechtlichen Haftungsgrenzen für einfaches und grob fahrlässiges Handeln die Sorgfaltsanreize des Abschlussprüfers gesteigert werden.

In Abgrenzung zu früheren Reformvorschlägen tritt eine unbeschränkte Haftung bei grob fahrlässigem Handeln des Abschlussprüfers zukünftig lediglich bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften ein. Diese Novellierungen stehen in einem direkten Zusammenhang mit erweiterten Strafvorschriften für die Abgabe fehlerhafter Bestätigungsvermerke und Informationspflichten gegenüber unternehmensexternen Stellen bei Verdacht auf Unregelmäßigkeiten. Trotz der im Zeitablauf abgesenkten Haftungsnovellierungen dürften viele mittelständische Prüfungsgesellschaften nach dem FISG den Prüfungsmarkt für PIEs verlassen. Die massiven Anforderungen durch die künftigen Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsinvestitionen bei der Prüfung oder Beratung von PIEs lassen sich vielfach bei kleineren Prüfungsgesellschaften nur durch Zusammenschlüsse oder Netzwerke bewerkstelligen. Insofern wird die Anbieterkonzentration auf dem deutschen Prüfungsmarkt voraussichtlich weiter ansteigen.

Das FISG führt ebenfalls zu Regulierungen beim Vorstand und Aufsichtsrat, wenngleich gegenüber dem Abschlussprüfer in abgemilderter Form. Der für börsennotierte Aktiengesellschaften künftig zu beachtende § 91 Abs. 3 AktG, welcher die Einrichtung eines IKS und RMS vorschreibt, lässt viele Auslegungsfragen unbeantwortet. Auch vor dem Hintergrund des Lieferkettengesetzes und der baldigen Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie hätte die explizite Einrichtung, Überwachung und Prüfung von Corporate Governance-Systemen (IKS, RMS, Internes Revisionssystem sowie CMS) bei PIEs vorgeschrieben werden müssen. Insofern bleibt abzuwarten, welche weiteren Corporate Governance-Reformgesetze in den kommenden Monaten verabschiedet werden. Neben der nationalen Diskussion stellt die EU-Kommission derzeit ebenfalls Überlegungen hinsichtlich der Regulierung der Sustainable Corporate Governance an.

In einer Gesamtschau stellt das FISG lediglich eine halbherzige Reformmaßnahme als Reaktion auf den Wirecard-Skandal dar. Eine tiefgreifende Diskussion zur Fortentwicklung der Abschlussprüfer aus inhaltlicher Perspektive wird wohl nach der Bundestagswahl noch stattfinden („FISG 2.0“).

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Reform der Corporate Governance nach dem Wirecard-Skandal

Grundlagen – Problemfelder – Lösungsansätze

Von Prof. Dr. Patrick Velte und Prof. Dr. Daniel Graewe.

1. Auflage. 2021. X, 114 Seiten. Broschur.
ISBN: 978-3-482-67971-1

Preis: 49,90 €

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