Online-Nachricht - Donnerstag, 20.08.2020

Umsatzsteuer | "Wirtschaftsgut" i.S. des § 15a UStG (BFH)

"Wirtschaftsgut" i.S. des § 15a UStG und damit Berichtigungsobjekt ist bei einem in Abschnitten errichteten Gebäude der Teil, der entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen worden ist (BFH, Urteil v. 29.4.2020 - XI R 14/19; veröffentlicht am 20.8.2020).

Hintergrund: Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen (§ 15a Abs. 1 Satz 1 UStG). Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein Zeitraum von zehn Jahren (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG). Allerdings kann aus Vereinfachungsgründen (s. Überschrift zu § 44 UStDV: "Vereinfachungen bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs" und Verordnungsermächtigung in § 15a Abs. 11 Nr. 1 UStG) in bestimmten Fällen eine Berichtigung entfallen, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut in einem Kalenderjahr die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse um weniger als 10 % geändert haben (§ 44 Abs. 2 Satz 1 UStDV). Das gilt wiederum nicht, wenn der Betrag, um den der Vorsteuerabzug für dieses Kalenderjahr zu berichtigen ist, 1.000 € übersteigt (§ 44 Abs. 2 Satz 2 UStDV).

Sachverhalt: Der Kläger hat einen Weinbau-Betrieb, einen Gewerbebetrieb "Weinkommission" und erbringt landwirtschaftliche Dienstleistungen. Seine landwirtschaftlichen Umsätze versteuerte er gemäß § 24 UStG, die übrigen gemäß § 20 UStG. Im Jahr 2006 erweiterte der Kläger sein Betriebsgebäude und errichtete ein gemischt genutztes Wohnhaus. Im Obergeschoss sind u.a. zwei Ferienwohnungen untergebracht. Im Dezember 2008 waren Unter- und Erdgeschoss sowie die Wohnräume im Obergeschoss fertig gestellt, nicht aber die Ferienwohnungen. Die Vermietung der Ferienwohnungen erfolgte erst im Jahr 2016, wobei diese der Regelbesteuerung zuzuordnen war.

Der Kläger ordnete das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zu und beantragte in den Jahren des Leistungsbezugs den Vorsteuerabzug aus den Baukosten (für die selbst genutzte Wohnung unter Berufung auf die sog. Seeling-Rechtsprechung). Dem Weinbau-Betrieb ordnete er nach dem Flächenschlüssel einen nicht abzugsfähigen Vorsteueranteil von 11,51 % zu.

In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2009 bis 2012 machte der Kläger keine Angaben zu Vorsteuerbeträgen, die nach § 15a UStG zu berichtigen wären. Diese Umsatzsteuerklärungen galten als Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer landwirtschaftlichen Betriebsprüfung ging der Prüfer unter Berufung auf Abschnitt 15a.3 Abs. 2 UStAE bei der Ermittlung des Vorsteuer-Berichtigungszeitraums von der Errichtung in zwei Bauabschnitten aus. Denn die Ferienwohnungen hatten sich noch in der Bauphase befunden. Die Ferienwohnungen wurden dem zweiten Bauabschnitt zugeordnet. Dies führte dazu, dass der Berichtigungsumfang gemäß § 15a UStG 10,95 % des Vorsteuervolumens, das auf den ersten Bauabschnitt entfiel (insgesamt 604,92 €), ausmachte. Bei Einbeziehung auch des zweiten Bauabschnittes wäre das Berichtigungsvolumen bei 8,79 % anzusetzen gewesen.

Das FA änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen entsprechend den Prüfungsfeststellungen und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Das FG Rheinland-Pfalz gab der Klage mit Urteil v. 25.4.2019 - 6 K 1630/16 statt (s. hierzu Gehm, USt direkt digital 13/2019 S. 6).

Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:

  • Das FG der ersten Instanz hat das Überschreiten der absoluten und das Erreichen der relativen Bagatellgrenze je Kalenderjahr rechtsfehlerhaft abgelehnt.
  • Zwar lässt eine Auslegung nach dem Wortlaut gemäß § 15a Abs. 1 UStG zu, das gesamte Gebäude als Bezugsobjekt der Prüfung heranzuziehen.
  • Denn § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG verlangt u.a., dass das Wirtschaftsgut bereits verwendet wird. "Wirtschaftsgut" i.S. des § 15a Abs. 1 UStG und damit Berichtigungsobjekt ist daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nur das Gebäude, soweit es entsprechend dem Baufortschritt in Verwendung genommen wurde.
  • Der noch nicht verwendete Teil des Gebäudes ist noch nicht Gegenstand der Vorsteuerberichtigung. Für ihn beginnt der Berichtigungszeitraum erst mit seiner erstmaligen Verwendung.
  • Im zweiten Rechtsgang hat das FG festzustellen, ob und ggf. in welchem Umfang die Bagatellgrenzen des § 44 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStDV bei Zugrundelegung des bereits "verwendeten" Berichtigungsobjektes überschritten wurden.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 29.4.2020 - XI R 14/19; NWB Datenbank (il)

 

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