Online-Nachricht - Donnerstag, 01.07.2021

Umsatzsteuer | Behandlung von Gutachtertätigkeiten (BFH)

Leistungen einer Gutachterin, die im Auftrag des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten erstellt, sind nach nationalem Recht nicht von der Umsatzsteuer befreit. Auch eine Steuerbefreiung nach dem Unionsrecht ist nicht zu gewähren (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil „Finanzamt D“ v. 8.10.2020 - C 657/19) (BFH, Urteil v. 24.2.2021 - XI R 30/20 (XI R 11/17); veröffentlicht am 1.7.2021).

Hintergrund: Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, steuerfrei.

Sachverhalt und Verfahrensverlauf: Die Klägerin erstellte im Streitzeitraum 2012 bis 3. Quartal 2014 für den MDK als Auftraggeber Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten. Die Leistungen rechnete der MDK monatlich gegenüber der Klägerin ab, wobei er keine Umsatzsteuer auswies. Die Klägerin erklärte die Entgelte aus ihrer Gutachtentätigkeit als steuerfreie Umsätze mit Vorsteuerabzug. Das FA gelangte zu der Ansicht, die Gutachtertätigkeit sei weder nach nationalem noch nach EU-Recht umsatzsteuerlich befreit (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.9.2017).

Mit BFH, Beschluss v. 10.4.2019 - XI R 11/17 wurde das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH wurden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH führte aus, dass die durch einen unabhängigen Gutachter im Auftrag des MDK erfolgende Erstellung von Gutachten zur Pflegebedürftigkeit, die von dieser Krankenversicherung zur Ermittlung des Umfangs etwaiger Ansprüche ihrer Versicherten auf Leistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verwendet werden, eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung ist, soweit sie für die sachgerechte Bewirkung der Umsätze in diesem Bereich unerlässlich ist (EuGH, Urteil v. 8.10.2020 - C 657/19 „Finanzamt D“; s. unsere Online-Nachricht v. 9.10.2020).

Der BFH hob das FG-Urteil auf:

  • Es handelt sich bei den im Rahmen der Gutachtertätigkeit erbrachten Leistungen um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.
  • Dabei schadet es nicht, dass die Klägerin ihre Leistungen nicht an den jeweiligen Hilfsbedürftigen, sondern an den MDK erbracht hat.
  • Ein erfolgreiches Berufen auf die Steuerbefreiung nach dem Unionsrecht scheitert im Streitfall allerdings daran, dass die Klägerin nicht von der Bundesrepublik Deutschland als „Einrichtung mit sozialem Charakter“ anerkannt ist; eine solche Anerkennung, die Voraussetzung für die unionsrechtliche Steuerbefreiung ist, folgt insbesondere nicht aus der nur mittelbaren Kostenerstattung über den MDK.

 
Quelle: BFH Pressemitteilung v. 1.7.2021; BFH, Urteil v. 24.2.2021 XI R 30/20 (XI R 11/17); NWB Datenbank (JT)

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