Online-Nachricht - Donnerstag, 28.10.2021

Verfahrensrecht | Gemeinnützigkeit und politische Betätigung in der Corona-Krise (BFH)

Der Steuerbegünstigung steht es nicht entgegen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Die allgemein­politische Betätigung im Rahmen des steuerbegünstigten Zwecks darf aber nicht über das hinausgehen, was das Eintreten für diesen jeweiligen Zweck und dessen Verwirklichung erfordert (BFH, Beschluss v. 18.8.2021 - V B 25/21 (AdV); veröffentlicht am 28.10.2021).

Hintergrund: Eine Körperschaft verfolgt gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. § 52 Abs. 2 AO legt fest, welche Zwecke unter den Voraussetzungen des Abs. 1 als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sind.

Sachverhalt: Im Streitfall ging es um einen im Jahr 2020 gegründeten Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, die aktuelle Corona-Politik kritisch zu hinterfragen und über die gesundheitlichen Risiken durch das Corona-Virus sowie die Auswirkungen der zur Eindämmung ergriffenen Maßnahmen auf die Gesundheit zu informieren. Mitglieder des Vereins waren vorwiegend im medizinischen Bereich tätige Personen, darunter einige Ärzte sowie mehrere Hochschul­professoren. Auf seiner Internetseite und in Zeitungsbeiträgen, Presse­mitteilungen und auf Info-Plakaten vertrat der Verein zu den Corona-Maßnahmen von der Bundesregierung und den Landes­regierungen abweichende Auffassungen (z. B. Kritik an Maskenpflicht und der Verwendung von Desinfektions­mitteln, Warnung vor Impflicht). Zudem erhob er konkrete politische Forderungen (z. B. Aufforderung an die Bundesregierung und alle Landesregierungen zur sofortigen Aufhebung aller verhängten Maßnahmen; Forderung nach Einrichtung eines Untersuchungs­ausschusses; Hinweis auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht, Art. 20 Abs. 4 GG).

Das Finanzamt beanstandete die tatsächliche Geschäfts­tätigkeit des Vereins im Jahr 2020. Es erließ für das 4. Quartal einen Voraus­zahlungs­bescheid über Körper­schaftsteuer und Solidaritäts­zuschlag in Höhe von 0 € und versagte somit letztlich für 2020 die Gemeinnützigkeit. Der Verein erhob Klage und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Das FG München wies den Antrag nach summarischer Prüfung als unbegründet ab (NWB 30/2021 S. 2168).

Die Beschwerde ist unbegründet:

  • Zwar gehört zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens auch die Information der Bevölkerung über die Verhinderung und Bekämpfung von Krankheiten. Der Inhalt der Informationen kann grundsätzlich auch dem widersprechen, was den Parlamenten oder Regierungen als Grundlage ihrer Entscheidungen dient.
  • Der Hinweis auf das im Grundgesetz verankerte Widerstandsrecht oder die Behauptung einer Abhängigkeit von Politikern von anderen Mächten hängen nach Auffassung des BFH aber nicht mit einer Information der Bevölkerung zum öffentlichen Gesundheitswesen zusammen. Dies geht über das hinaus, was zur gemeinnützigen Förderung dieses Zwecks zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist.
  • Eine Gemeinnützigkeit wegen der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens lehnte der BFH ebenfalls ab. Dafür muss sich eine Körperschaft umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befassen und diese in geistiger Offenheit objektiv und neutral würdigen. Dies hat der Verein jedoch nicht getan.

 
Quelle: BFH, Beschluss v. 18.8.2021 - V B 25/21 (AdV); NWB Datenbank; BFH Pressemitteilung v. 28.10.2021 (JT)

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