Online-Nachricht - Donnerstag, 24.03.2022

Einkommensteuer | Zurechnung eines aus einer Sperrfrist­verletzung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG resultierenden Gewinns (BFH)

Ein Gewinn i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, den ein Realteiler erzielt, weil er seinen Betrieb, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, innerhalb der Sperrfrist veräußert, ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein diesem Realteiler zuzurechnen (BFH, Urteil v. 23.11.2021 - VIII R 14/19; veröffentlicht am 24.3.2022).

Hintergrund: Werden im Zuge der Realteilung Grundstücke, Gebäude oder andere wesentliche Betriebsgrundlagen als Einzelwirtschaftsgüter zum Buchwert übernommen und werden diese innerhalb einer Sperrfrist von drei Jahren nach der Übertragung veräußert oder entnommen, so ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG für den jeweiligen Übertragungsstichtag rückwirkend für das veräußerte bzw. entnommene Wirtschaftsgut der gemeine Wert anzusetzen.

Sachverhalt: Streitig ist die Zurechnung eines Gewinns, der aus einer die Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG verletzenden Betriebsveräußerung der Beigeladenen resultiert. Das FA hatte den Gewinn jeweils hälftig der Klägerin und der Beigeladenen zugerechnet. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 11.4.2019 - 1 K 1280/15). Der BFH dagegen hob die Vorentscheidung auf und änderte den angefochtenen Feststellungsbescheid antragsgemäß.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG sieht nach seinem Wortlaut allein den rückwirkenden Ansatz des gemeinen Wertes der betroffenen Wirtschaftsgüter vor, enthält jedoch keine Aussage zur Zurechnung des so entstehenden Gewinns.
  • Der rückwirkend durch eine Betriebsveräußerung entstehende Gewinn ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein dem die Sperrfrist verletzenden Realteiler zuzurechnen.
  • Nach § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG ist bei Aufgabe eines Gewerbebetriebs, an dem mehrere Personen beteiligt waren, für jeden einzelnen Beteiligten der gemeine Wert der Wirtschaftsgüter anzusetzen, die er bei der Auseinandersetzung erhalten hat.
  • § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG stellt eine Sonderregelung für die Ermittlung des Aufgabegewinns bei Mitunternehmerschaften dar. Sie schreibt nicht allein den Ansatz des gemeinen Wertes vor (anderer Auffassung z.B. Pupeter in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 10 Rz 824), sondern regelt auch die Gewinnzurechnung.
  • Die Norm rechnet dem einzelnen Beteiligten im Fall der aufgabebedingten Übernahme von Wirtschaftsgütern unmittelbar das zu, was er tatsächlich erhält. Nur wenn im Rahmen der Betriebsaufgabe überhaupt kein Wirtschaftsgut von einem Beteiligten übernommen wird, sondern alle Wirtschaftsgüter veräußert werden, ist dem einzelnen Beteiligten ein Anteil am Aufgabegewinn nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen (vgl. Brandis/ Heuermann/Schallmoser, § 16 EStG Rz 554).
  • Dementsprechend ist § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG als spezielle Gewinnzuweisungsnorm zu verstehen, die die Gewinnverteilung vom allgemeinen Gewinnverteilungsmaßstab loslöst (vgl. Seer in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 16 Rz 202; vgl. auch Schacht in Littmann/Bitz/Pust, § 16 Rz 1227 ff.; vgl. auch BFH, Urteil v. 19.1.1982 - VIII R 21/77, BStBl II 1982, 456, unter III.3.f [Rz 11] zur Verteilung des Aufgabegewinns im Falle der Realteilung und § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F.).
  • Ohne die von § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG vorgesehene Gewinnzurechnung käme es in den Fällen der Betriebsveräußerung innerhalb der Sperrfrist nicht nur zu einer rechtlich bedenklichen Besteuerung aus Drittverhalten (vgl. hierzu z.B. Crezelius, FR 2002, 805), sondern auch zu einer nicht mehr vom Normzweck des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG gedeckten typisierenden Gewinnzurechnung.
  • § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG soll Gestaltungen verhindern, die einer gezielten Verlagerung von Wirtschaftsgütern und stillen Reserven im Wege der Realteilung mit dem Ziel der Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts dienen. An einer solchen Gestaltung fehlt es, wenn der Realteiler innerhalb der Sperrfrist durch einen Praxisverkauf sämtliche stillen Reserven aus den übernommenen Wirtschaftsgütern aufdeckt und - wie im Streitfall - keine Anhaltspunkte für eine gezielte Verlagerung wesentlicher Betriebsgrundlagen auf den Realteiler mit dem Ziel einer Statusverbesserung für den Fall der zeitnahen Veräußerung/Entnahme des Wirtschaftsguts ersichtlich sind.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 23.11.2021 - VIII R 14/19; NWB Datenbank (il)

 
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