Online-Nachricht - Donnerstag, 07.07.2022
Einkommensteuer | Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens (BFH)
Eigene Anteile der Kapitalgesellschaft sind bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote i.S. des § 17 EStG nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von BFH-Urteil v. 25.11.1997 - VIII R 36/96). Im Falle verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes werden bis zum 31.3.1999 entstandene Wertsteigerungen vom steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn abgezogen und insoweit von der Besteuerung ausgenommen. Gegebenenfalls wird der Veräußerungsgewinn bis auf Null gemindert (BFH, Urteil v. 5.4.2022 - IX R 19/20; veröffentlicht am 7.7.2022).
Sachverhalt: Streitig ist, in welchem Umfang Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen besteuert werden. Streitig ist insbesondere, ob der gemeine Wert der veräußerten Anteile zum 31.03.1999 (Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 10 %) als Anschaffungskosten anzusetzen ist.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Eigene Anteile der Kapitalgesellschaft sind bei der Bestimmung der relevanten Beteiligungsquote i.S. des § 17 EStG nicht zu berücksichtigen (Bestätigung von BFH-Urteil v. 25.11.1997 VIII R 36/96, BFH/NV 1998, 691).
- Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns i.S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist von den tatsächlichen Anschaffungskosten auszugehen. Der Ansatz des gemeinen Werts der Beteiligung im Zeitpunkt des Erreichens der Relevanzschwelle kommt nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht (u.a. BFH-Urteil v. 10.11.1992 - VIII R 40/89 betreffend die Aufstockung einer unwesentlichen Beteiligung, BFH, Urteil v. 30.3.1993 - VIII R 44/90 und BFH, Urteil v. 19.3.1996 - VIII R 15/94, jeweils betreffend den Wertzuwachs vor Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht). Dies gilt auch für § 17 EStG in der seit 1999 geltenden Fassung.
- Verfassungsrechtlich gebotener Vertrauensschutz nach Maßgabe des BVerfG-Beschlusses v. 7.7.2010 - 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05 (BVerfGE 127, 61, BStBl II 2011, 86) setzt u.a. voraus, dass die bis zum 31.3.1999 entstandenen Wertsteigerungen im Falle einer Veräußerung nach dem 31.3.1999 auch im Zeitpunkt der Veräußerung nach der bis zum 31.3.1999 geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können.
- Ist das nicht der Fall, beruht die rückwirkende Verstrickung der Wertsteigerungen nicht auf der (dem Gesetzgeber zurechenbaren) Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle, sondern - wie im Streitfall - auf dem (der Sphäre des Steuerpflichtigen zurechenbaren) Hineinwachsen in die Wesentlichkeit; Vertrauensschutz ist insoweit nicht geboten.
- Ist verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz geboten, werden die bis zum 31.3.1999 entstandenen Wertsteigerungen vom steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn abgezogen und insoweit von der Besteuerung ausgenommen. Gegebenenfalls wird der Veräußerungsgewinn bis auf Null gemindert.
- Verluste, die sich ergeben, wenn der gemeine Wert der Anteile am 31.3.1999 dem Veräußerungserlös gegenübergestellt wird, sind nicht steuerbar.
Quelle: BFH, Urteil v. 5.4.2022 - IX R 19/20; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im IX. Senat des BFH Dr. Nils Trossen gelangen Sie hier (Login erforderlich).