Online-Nachricht - Donnerstag, 18.08.2022

Einkommensteuer | Werbungskostenabzug bei Haftung für Lohnsteuer des angestellten Geschäfts­führers (BFH)

Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers zur Tilgung von Haftungs­schulden sind auch insoweit als Werbungs­kosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar, als die Haftung auf nicht abgeführter Lohnsteuer beruht, die auf den Arbeitslohn des Geschäftsführers entfällt. Das Abzugsverbot gemäß § 12 Nr. 3 EStG steht dem nicht entgegen (BFH, Urteil v. 8.3.2022 - VI R 19/20; veröffentlicht am 18.8.2022).

Sachverhalt: Die Klägerin war neben A Gesellschafterin und Geschäfts­führerin der B-GmbH (GmbH). Sie bezog von der GmbH, die ein Restaurant betrieb, für ihre Geschäftsführertätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Über das Vermögen der GmbH wurde im Jahr 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin wurde mit einem auf §§ 69, 34 AO gestützten Haftungsbescheid für von der GmbH für verschiedene Voranmeldungs­­zeiträume im Jahr 2013 angemeldete, aber nicht an das Betriebsstätten­finanzamt abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben in Anspruch genommen. Den Haftungsschulden lagen u.a. Forderungen gegen die GmbH zugrunde, die dadurch entstanden waren, dass die GmbH angemeldete Lohnsteuern, die auf den Arbeitslohn der Klägerin selbst entfielen, nicht abgeführt hatte.

Die Klägerin machte diese Aufwendungen als Werbungs­kosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Das FA lehnte den Werbungskostenabzug ab. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg (Hessisches FG, Urteil v. 19.11.2019 - 6 K 360/18).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Das FG hat der Klägerin zutreffend den geltend gemachten Werbungs­kosten­abzug zuerkannt. Bei den fraglichen Aufwendungen der Klägerin zur Tilgung ihrer Haftungsschulden handelt es sich um Werbungskosten i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG.
  • Die Klägerin wurde vom FA gemäß §§ 69, 34 AO als Haftende für von der GmbH angemeldete, aber nicht abgeführte Lohnsteuern und Nebenabgaben für Januar bis Dezember 2013 in Anspruch genommen. Die Haftung beruhte damit auf Pflichtverletzungen, die der Klägerin aufgrund ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als angestellter Geschäftsführerin der GmbH zur Last gelegt wurden.
  • Die Inhaftungnahme der Klägerin stand hiernach in wirtschaftlichem Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit als angestellte Geschäftsführerin der GmbH. Das "auslösende Moment" für die von der Klägerin auf die Haftungsschulden getätigten Aufwendungen lag folglich im Bereich der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.
  • Die Aufwendungen standen damit in objektivem Zusammen­hang mit der Einkünfteerzielung. Sie dienten auch subjektiv der beruflichen Tätigkeit der Klägerin, da diese mit den Aufwendungen Schulden tilgen wollte, die sie als angestellte Geschäftsführerin der GmbH getroffen hatten.
  • Das FG hat ferner zutreffend entschieden, dass das Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG der Berücksichtigung der Werbungskosten im Streitfall nicht entgegensteht.
  • Die Voraussetzungen des 12 Nr. 3 EStG sind bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfüllt. Denn es geht weder um den Abzug von (nachgeforderter) Einkommen- oder Lohnsteuer (als besonderer Erhebungsform der Einkommensteuer gemäß § 38 Abs. 1 EStG) noch um den Abzug darauf entfallender Nebenleistungen, sondern allein um den Abzug von Zahlungen der Klägerin auf ihre Haftungsschulden, die auf §§ 69, 34 AO beruhen.
  • Solche Haftungsschulden sind keine Steuern gemäß § 3 Abs. 1 AO und mithin erst recht weder Steuern vom Einkommen noch eine sonstige Personensteuer i.S. von § 12 Nr. 3 EStG.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 8.3.2022 - VI R 19/20; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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