Online-Nachricht - Donnerstag, 08.12.2022
Einkommensteuer | Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung im Rahmen einer Betriebsaufgabe (BFH)
Ein Steuerpflichtiger, der im Rahmen einer Betriebsaufgabe betriebliche Wirtschaftsgüter gegen wiederkehrende Bezüge veräußert, kann - wie bei der Betriebsv­eräußerung gegen wiederkehrende Bezüge - zwischen der Sofortbesteuerung und der Zuflussbesteuerung des entsprechenden Gewinns wählen (BFH, Urteil v. 29.6.2022 - X R 6/20; veröffentlicht am 8.12.2022).
Sachverhalt: Die Klägerin führte einen handwerklichen Betrieb. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Betriebsvermögensvergleich. Die Betriebsstätte befand sich in einem Anbau zu ihrem Einfamilienhaus. Krankheitsbedingt stellte die Klägerin ihren Betrieb Ende des Jahres 2013 ein und bezog aufgrund ihrer Berufsunfähigkeit Renten von privaten Versicherungsunternehmen.
Einen Großteil der Wirtschaftsgüter veräußerte die Klägerin an die A GmbH gegen die Zahlung einer lebenslangen monatlichen Rente ab Januar 2014. Von der Veräußerung ausgenommen war der bis dahin zum Betriebsvermögen gehörende Grundstücksteil mit aufstehenden Gebäuden und fest installierten Betriebsvorrichtungen sowie weitere nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehörende Wirtschaftsgüter. Als Übertragungsstichtag wurde der 2.1.2014 vereinbart. An diesem Tag übergab die Klägerin die entsprechenden Wirtschaftsgüter ihres Gewerbebetriebs an die A GmbH und überführte die übrigen Wirtschaftsgüter in ihr Privatvermögen.
Streitig ist nun, wie der Betriebsaufgabegewinn, soweit er auf den Barwert der Leibrente entfällt, zu versteuern ist. Die Klägerin ist der Auffassung, dass eine Sofortbesteuerung der Leibrente als Teil des Aufgabegewinns unverhältnismäßig sei. Wie im Fall der Betriebsveräußerung bestehe ansonsten die Gefahr, dass der rentenberechtigte Veräußerer bei Versterben vor dem Erreichen seiner statistischen Lebenserwartung einen zu hohen Gewinn versteuere.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Der Gewinn aus der Veräußerung eines großen Teils der betrieblichen Wirtschaftsgüter an die A GmbH gegen Leibrente kann aufgrund der mit einer Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge vergleichbaren Interessenlage ebenfalls der Zuflussbesteuerung unterliegen.
- Auch in diesem Fall steht dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zu, den Gewinn aus der Veräußerung einzelner betrieblicher Wirtschaftsgüter im Rahmen der Aufgabe (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG) nach Maßgabe des Zuflusses der wiederkehrenden Bezüge und zudem erst dann als realisiert anzusehen, wenn die wiederkehrenden Bezüge die Buchwerte der veräußerten Wirtschaftsgüter und die insoweit angefallenen Aufgabekosten übersteigen.
- Dieses Wahlrecht hat die Klägerin ausgeübt.
Quelle: BFH, Urteil v. 29.6.2022 - X R 6/20; NWB Datenbank (il)
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