Online-Nachricht - Donnerstag, 15.12.2022
Einkommensteuer | Steuerliche Behandlung eines punktuell satzungsdurchbrechenden inkongruenten Vorabgewinnausschüttungsbeschlusses (BFH)
Ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung, der von der Gesellschafterversammlung einstimmig gefasst worden ist und von keinem Gesellschafter angefochten werden kann, ist als zivilrechtlich wirksamer Ausschüttungsbeschluss entgegen der Sichtweise der Finanzverwaltung (BMF, Schreiben v. 17.12.2013 - IV C 2 - S 2750 a/11/10001) der Besteuerung zugrunde zu legen. Ein Gesellschafter, an den nach einem solchen Beschluss kein Gewinn verteilt wird, verwirklicht nicht den Tatbestand der Einkünfteerzielung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (BFH, Urteil v. 28.9.2022 - VIII R 20/20; veröffentlicht am 15.12.2022).
Sachverhalt: Der Kläger war in den Streitjahren 2012 bis 2015 zu 50 % an einer GmbH 1 beteiligt. Weiterer 50 %-Gesellschafter war eine GmbH 2, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger war. Die Gesellschafter der GmbH 1 fassten in den Streitjahren jeweils einstimmig Vorabausschüttungsbeschlüsse, mit denen die Vorabgewinne nur an die GmbH 2 verteilt wurden. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH 1 enthielt keine Regelungen zur Gewinnverteilung. Diese waren daher entsprechend der Beteiligungsverhältnisse zu verteilen (§ 29 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Das Finanzamt sah die Ausschüttungsbeschlüsse wegen der inkongruenten Verteilung der Vorabgewinne als zivilrechtlich nichtig an und unterwarf die hälftigen Ausschüttungsbeträge beim Kläger als Einkünfte aus verdeckten Gewinnausschüttungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG der Besteuerung.
Das FG gab der Klage statt, soweit sie die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre betraf (FG Münster, Urteil v. 6.5.2020 - 9 K 3359/18 E,AO).
Der BFH wies die Revision des Finanzamts gegen das zugunsten der Kläger ergangene Urteil des FG als unbegründet zurück:
- Die einstimmig gefassten Ausschüttungsbeschlüsse sind als zivilrechtlich wirksame Gewinnverwendungs- und -verteilungsbeschlüsse der Besteuerung zugrunde zu legen.
- Es liegen daher nur offene Gewinnausschüttungen der GmbH 1 an die GmbH 2 und keine Ausschüttungen an den Kläger vor.
- Eine Zurechnung der hälftigen Ausschüttungsbeträge beim Kläger aufgrund eines Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO kommt nicht in Betracht. Zivilrechtlich wirksam beschlossene inkongruente Ausschüttungen sind steuerlich anzuerkennen. Dem Kläger ist aufgrund der Ausschüttungen der GmbH 1 nur an die GmbH 2 auch kein gesetzlich nicht vorgesehener steuerlicher Vorteil i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 AO entstanden.
Quelle: BFH, Urteil v. 28.9.2022 - VIII R 20/20; BFH, Pressemitteilung v. 15.12.2022; NWB Datenbank (RD)
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