Online-Nachricht - Donnerstag, 26.01.2023

Einkommensteuer | Wechselseitige Veräußerung von Kapital­gesell­schafts­anteilen (Anteils­rotation) unter Wert (BFH)

Ein "Verlust" i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG, der im Zuge einer Anteilsrotation lediglich wegen der Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Anteils krass verfehlenden Kaufpreises entsteht, führt zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil und stellt einen Missbrauch von Gestaltungs­möglich­keiten des Rechts (§ 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO) dar (Abgrenzung zum BFH-Urteil v. 7.12.2010 - IX R 40/09, BStBl II 2011, 427: BFH, Urteil v. 20.9.2022 - IX R 18/21; veröffentlicht am 26.1.2023).

Hintergrund: Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch den Missbrauch von Gestaltungs­möglich­keiten des Rechts das Steuer­gesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuer­gesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Anderenfalls entsteht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steuer­anspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs i.S. des § 42 Abs. 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemes­senen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Ein Missbrauch liegt nach § 42 Abs. 2 Satz 1 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuer­pflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außer­steuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO).

Sachverhalt: Streitig ist, ob ein vom Kläger erlittener Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapital­gesellschaft bei seinen Einkünften aus Gewerbe­betrieb (§ 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen ist oder ob der Verlust wegen eines Missbrauchs von Gestaltungs­möglich­keiten des Rechts (§ 42 Abs. 1 Satz 1 AO) der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden kann: Der Kläger ist Gründungs­gesell­schafter der mit einem Stammkapital von 260.000 € ausgestatteten X GmbH und zur Hälfte am Kapital der Gesellschaft beteiligt. Neben dem Kläger war im Streitjahr 2017 auch A zur Hälfte am Stammkapital der X GmbH beteiligt. Sowohl der Kläger als auch A waren zu Geschäftsführern der X GmbH bestellt.

Am 27.12.2017 schloss der Kläger mit A einen privatschriftlichen Kauf- und Abtretungs­vertrag über Geschäftsanteile, mit dem er seinen Geschäftsanteil an der X GmbH in Höhe von 130.000 € an A zum Kaufpreis von 12.500 € veräußerte und "mit allen Rechten und Pflichten" an A abtrat. A nahm die Abtretung "zum 23.12.2017" an. Der auf den vom Kläger veräußerten Geschäftsanteil entfallende Gewinn des laufenden Geschäfts­jahres sowie auf den verkauften Geschäfts­anteil entfallende noch nicht verteilte Gewinne früherer Geschäfts­jahre sollten dem Käufer (A) zustehen. Am selben Tag übertrug auch A seinen Geschäftsanteil durch privat­schriftliche Einigung und Abtretung zu gleichen Konditionen auf den Kläger; dieser hatte den Kaufpreis für die von A erworbenen Geschäfts­anteile bereits am 22.12.2017 überwiesen.

Unter dem 30.1.2018 schlossen der Kläger und A (erneut) einen - nunmehr notariell beurkundeten - "Vertrag über den Verkauf und die Abtretung eines Geschäfts­anteils einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung", mit dem der Kläger - unter identischen vertraglichen Bedingungen - seinen Geschäftsanteil an der X GmbH an A veräußerte und abtrat.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger einen Verlust aus der Veräußerung seines Geschäftsanteils an der X GmbH i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von (Veräußerungspreis 12.500 € ./. Anschaffungs­kosten 500.000 € = 487.500 € x 60 % =) 292.500 € geltend. Das FA erkannte den Verlust im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 28.12.2018 schon deshalb nicht an, weil der notariell beurkundete Vertrag über die Veräußerung und Abtretung der Geschäfts­anteile nicht im Streitjahr, sondern erst im Jahr 2018 geschlossen worden sei. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: Sächsisches FG, Urteil v. 6.5.2021 - 8 K 1102/20).

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Eine Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten Verlusts aus der Veräußerung im Streitjahr 2017 scheidet aus.
  • Die vom Kläger und seinem Mitgesellschafter A vorgenommene (wechselseitige) Veräußerung der Geschäftsanteile an der X GmbH stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO dar.
  • Die X GmbH war nach den bindenden Feststellungen des FG im Zeitpunkt der Veräußerung wirtschaftlich erfolgreich. So wies der Jahresabschluss der X GmbH zum 31.12.2017 ein Eigenkapital in Höhe von mehr als 291.000 € aus, welches sich zum 31.12.2018 sogar noch auf über 317.000 € erhöhte.
  • Sowohl im Streitjahr wie auch im Folgejahr und in den Vorjahren erzielte die X GmbH positive Jahresüberschüsse, die die Gesellschaft für Gewinnausschüttungen (im Streitjahr in Höhe von rund 135.000 €) nutzte. Überdies bezog der Kläger ein Geschäftsführergehalt im Streitjahr in Höhe von rund 94.000 €, sein Mitgesellschafter A ein Geschäftsführergehalt in Höhe von rund 97.000 €.
  • Diese wirtschaftlichen Kennzahlen lassen nicht den Schluss zu, dass der von den Vertragsbeteiligten vereinbarte Kaufpreis in Höhe von (jeweils) 12.500 € auch nur annähernd dem Wert der veräußerten Geschäftsanteile im Veräußerungszeitpunkt entsprach.
  • Zu Recht ist das FG in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass sich bei der dargestellten Ertragslage der X GmbH der Ansatz eines etwaigen "Liquidationserlöses" in Höhe des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG als maßgeblicher Gesamtwert der veräußerten Kapitalgesellschaftsanteile verbiete. Substantielle Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Revisionsverfahren nicht erhoben.
  • Die an der Anteilsrotation beteiligten Vertragsparteien haben die jeweilige Übertragung ihres Anteils unter Wert nur deshalb vorgenommen, weil sie im Gegenzug hierfür (zivil-)rechtlich zwar einen "anderen", wirtschaftlich gesehen jedoch einen wertidentischen Kapitalgesellschaftsanteil zu einem dem realen Wert nicht entsprechenden Kaufpreis zurückerhalten haben.
  • Derartige gegenläufige (oder ringförmige) Rechtsgeschäfte werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BFH-Urteile v. 8.3.2017 - IX R 5/16, BStBl II 2017, 930, m.w.N., und vom 31.7.1984 - IX R 3/79, BStBl II 1985, 33) als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sie keine verständliche wirtschaftliche Veränderung bewirken (und auch nicht bewirken sollen).
  • Vor diesem Hintergrund ist die Wertung des FG, dass die im Streitfall zu beurteilende Anteilsrotation unter Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts krass verfehlenden Kaufpreises zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und mithin einen Missbrauch von Gestal¬tungsmöglichkeiten des Rechts darstellt, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 20.9.2022 - IX R 18/21; NWB Datenbank (il)

 
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