Online-Nachricht - Donnerstag, 09.02.2023
Umsatzsteuer | Besteuerung der Wärmeabgabe aus einer Biogas-Anlage (BFH)
Entstehen Selbstkosten i.S. von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für entgeltliche Lieferungen wie auch für unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b UStG, sind diese entsprechend § 15 Abs. 4 UStG nach tatsächlichen oder ggf. fiktiven Umsätzen (Marktwerten) aufzuteilen (Anschluss an die BFH-Urteile v. 25.11.2021 - V R 45/20 und v. 15.3.2022 - V R 34/20 und entgegen Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 UStAE: BFH, Urteil v. 9.11.2022 - XI R 31/19; veröffentlicht am 9.2.2023).
Sachverhalt: Der Kläger betreibt eine Biogasanlage und mehrere BHKW. Der Kläger veräußerte in den Streitjahren 2009 bis 2011 den durch das BHKW erzeugten Strom an einen örtlichen Energieversorger. Die vom BHKW in dieser Zeit erzeugte Wärme verwendete der Kläger zum einen für private Zwecke (u.a.. Beheizen des privaten Wohnhauses) und zum anderen für die an den Betriebsleiter vermietete Wohnung. Darüber hinaus wurde Wärme an die C KG zur Getreidetrocknung veräußert. Am Kapital der C KG war der Kläger zu 40/82 bei einer Gewinnpartizipation und Stimmrechten von 50 % beteiligt. Ab November 2011 wurde Wärme auch an den Nachbarhof N verkauft.
Das FA kam im Jahr 2013 zu dem Ergebnis, dass die Abgabe der Wärme zu einer unentgeltlichen Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG geführt habe. Mangels Vorliegens eines Einkaufspreises seien als Bemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 4 UStG die Selbstkosten anzusetzen. Bezüglich der Wärmeabgabe an die C KG müsse die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG angesetzt werden. Den Selbstkostenpreis für eine kWh Wärme ermittelte der Prüfer mit 0,09 € und nicht, wie der Kläger, mit 0,01 €. Auf Grundlage der durch den Kläger zur Verfügung gestellten Werte ergaben sich für den Prüfer danach unentgeltliche Wertabgaben für die Streitjahre in Höhe von 26.577,60 € (2009), 34.609,90 € (2010) und 26.376,60 € (2011).
Der hiergegen gerichteten Klage, die auch andere Streitpunkte betraf, gab das FG Münster statt. Das FG sah in der vom Kläger privat verbrauchten Wärme für das Wohnhaus eine unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG. Es ging davon aus, dass die Bemessungsgrundlage für die Wärmeabgabe bei Aufteilung des Selbstkostenpreises unter Berücksichtigung eines Marktpreises für Wärme aus Biogasanlagen von 0,03 €/kWh zu ermitteln sei, der sich aus einem bundesweit durchschnittlichen Arbeitspreis von Wärme aus Biogasanlagen in Höhe von 0,0293 €/kWh, der auf 0,03 €/kWh aufzurunden sei, ergebe. Das FG ermittelte aufgrund dieses Marktwertes als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wärmeabgabe von 332 220 kWh in 2009 einen Betrag von 6.607 € und für die unentgeltliche Wärmeabgabe von insgesamt 773 890 kWh in 2010 und 2011 einen Betrag von 12.524 €.
Dabei beruhte die zusammenfassende Ermittlung für die Streitjahre 2010 und 2011 auf der Umstellung des Wirtschaftsjahres vom Kalenderjahr auf den Zeitraum von 1.7. bis 30.6 (beginnend ab 2010). Da der so ermittelte Selbstkostenanteil im Hinblick auf die an die C KG verkauften Wärmemengen das vereinbarte Entgelt überstieg, sah das FG jenen nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG als maßgeblich an. Wegen der Option der C KG zur Regelbesteuerung (§ 24 Abs. 4 UStG) blieb es für das Streitjahr 2011 bei dem zwischen dem Kläger und der C KG vereinbarten Preis von 0,01 €/kWh. Anders als bei der privaten Verwendung der Wärme aus dem BHKW sei durch die Verwendung von Wärme für die an den Betriebsleiter steuerfrei vermietete Wohnung zwar keine unentgeltliche Wertabgabe ausgelöst worden, es sei aber der Vorsteuerabzug anteilig zu versagen (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 19.11.2019).
Die Revision, mit der sich das FA gegen die Anwendung der Marktwertmethode wendet und sich für die Anwendung der energetischen Aufteilungsmethode ausspricht, hatte keinen Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Die Aufteilungsentscheidung, die das FG mangels sachgerechter Schätzung durch den Kläger zu treffen hatte, lässt keinen revisionsrechtlich erheblichen Rechtsfehler erkennen.
- Zutreffend hat das FG gegen eine Aufteilung nach ausschließlich energetischen Werten entsprechend der Verwaltungsauffassung in Abschn. 2.5 Abs. 22 Satz 6 und 7 UStAE entschieden (s. hierzu auch BFH-Urteil v. 15.03.2022 - V R 34/20 (Leitsatz 2 und Rz 21).
- Die Aufteilung der Selbstkosten konnte unter Ansatz eines fiktiven Wärmeverkaufspreises von 0,03 €/kWh erfolgen. Denn im Streitfall hat das FG ohne Rechtsfehler für die Ermittlung des Anteils der Fernwärme an den Selbstkosten die durch eine wissenschaftliche Untersuchung ermittelten bundesdurchschnittlichen Arbeitspreise für Wärme aus Biogas-Anlagen herangezogen.
- Dies ist sachgerecht. Denn das FG hat den bundesweiten Durchschnittswert für Wärme speziell aus mit Biogas betriebenen BHKW angesetzt und nicht den durchschnittlichen Preis für Wärmelieferungen insgesamt.
- Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis auf Grundlage speziellerer Wertermittlungen Werte für die Lieferung von Wärme ermittelt hat. Die vom FG herangezogene Untersuchung basierte auf Mitteilungen von über 600 Betreibern derartiger Anlagen, so dass sich daraus eine hinreichende Verlässlichkeit der Daten ergab.
- Die vom FG gewählte Aufteilung ist auch nicht aus anderen als den mit der Revision vorgebrachten Gründen zu beanstanden.
- Darüber hinaus ist der auf das Streitjahr 2010 beschränkte Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für die Wärmelieferungen an die C KG rechtmäßig, die Voraussetzungen für die sog. Mindestbemessungsgrundlage liegen im Streitjahr 2010 vor. Insbesondere können nicht nur natürliche Personen i.S. des § 15 AO, sondern auch Gesellschaften des Unternehmers nahestehende Personen sein.
- Zwar ist im Hinblick auf Art. 80 MwStSystRL eine enge rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Beziehung erforderlich (vgl. Abschn. 10.7 Abs. 1 Satz 2 UStAE; Wäger in Wäger, a.a.O., § 10 Rz 191; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 10 Rz 662 ff., 671). Diese hat die Vorinstanz jedoch zu Recht bejaht. Der Kläger ist am Kapital der C KG zu 40/82 (bei einer Gewinnpartizipation und Stimmrechten von 50 %) beteiligt. Damit bestehen enge wirtschaftliche und rechtliche Beziehungen zwischen dem Kläger und der C KG.
Quelle: BFH, Urteil v. 9.11.2022 - XI R 31/19; NWB Datenbank (il)
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