Online-Nachricht - Donnerstag, 16.02.2023

Einkommensteuer | Behandlung von Pflegegeldern für die intensiv­pädagogische Betreuung von Jugendlichen (BFH)

Pflegegelder, die für die intensivpädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher in einer Einrichtung i. S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung (BFH, Urteil v. 30.11.2022 - VIII R 13/19; veröffentlicht am 16.2.2023).

Hintergrund: Gem. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u.a. Bezüge aus öffentlichen Mitteln steuerfrei, die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung unmittelbar zu förder

Sachverhalt: Streitig ist, ob Pflegegelder für die intensiv­pädagogische Betreuung mehrerer Jugendlicher durch die Klägerin steuerfreie Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung gem. § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren 2014 und 2015 jeweils maßgeblichen Fassung sind.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 26.3.2019 - 11 K 3207/17).

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen:

  • Ersetzen Pflegegeldzahlungen den sachlichen und zeitlichen Aufwand der Pflegeeltern nicht und ist dies auch nicht beabsichtigt, sind sie als steuerfreie Beihilfe i. S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG anzusehen. Am Charakter einer Beihilfe i. S. des § 3 Nr. 11 EStG fehlt es hingegen, wenn die Pflegegelder für Erziehungsleistungen gezahlt werden, die im Rahmen eines entgeltlichen Austauschgeschäfts erbracht werden.
  • Pflegegelder, die an die Betreiber von Einrichtungen und sonstiger Formen betreuten Wohnens i. S. des § 34 SGB VIII gezahlt werden, sind keine steuerfreien Beihilfen, weil typisierend davon auszugehen ist, dass sie die Sachkosten in angemessenem Umfang ersetzen und die Erziehungsleistungen vergüten.
  • Nach diesen Vorgaben hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Pflegesatz­zahlungen an die Klägerin keine steuerfreien Beihilfen zur unmittelbaren Förderung der Erziehung i. S. des § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind. Die Würdigung des FG, die Jugendlichen seien von der Klägerin im Rahmen einer Heimunterbringung oder anderen Form des sonstigen betreuten Wohnens gem. § 34 i. V. mit § 35 SGB VIII erwerbsmäßig betreut worden, ist nicht zu beanstanden.
  • Die Jugendlichen wurden in den Streitjahren von der Klägerin im Rahmen einer Einrichtung i. S. des § 34 SGB VIII betreut. Schon die Betreuung und Unterbringung der Jugendlichen in einer Einrichtung spricht nach der typisierenden Betrachtung der Rechtsprechung unabhängig von der Betreuungsintensität für den Entgeltcharakter der gezahlten Pflegegelder. Zudem sind aufgrund der Anzahl der betreuten Jugendlichen und der weiteren Rahmenbedingungen der Betreuung im Streitfall Umstände vorhanden, die selbst bei Annahme einer intensivpädagogischen Betreuung unter Aufnahme der Jugendlichen in den Haushalt der Klägerin auf eine erwerbsmäßige Betreuung schließen lassen.
  • Das FG hat den Vergütungscharakter der gezahlten Pflegegelder darüber hinaus in nicht zu beanstandender Weise daraus abgeleitet, die Bezugnahme auf die Regelungen in "§§ 34, 35 SGB VIII " und auf die Regelung des § 78f SGB VIII in den zugrunde liegenden Betreuungsverträgen zeige, dass der Klägerin leistungsgerechte Pflegegelder nach den sog. landesrechtlichen Rahmenverträgen i. V. mit §§ 78f, 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII gezahlt worden seien.
  • Schließlich ist es auch überzeugend, dass das FG den Vergütungscharakter des Pflegegelds aus den in beiden Streitjahren (unter Außerachtlassung der Betriebsausgaben für einen Investitionsabzugsbetrag) erzielten Gewinnen in Höhe von jeweils rund 70.000 € ableitet. Da die Sach- und Personalkosten der Klägerin nicht durch den tageweisen Sachkostenersatz gedeckt wurden, musste die Klägerin diese Aufwendungen durch die für die Erziehung gezahlten Tagessätze mitfinanzieren. Dass sie in beiden Streitjahren gleichwohl die genannten Gewinne erzielt hat, spricht dafür, dass die für die Erziehungsleistungen gezahlten Tagessätze Vergütungscharakter hatten.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 30.11.2022 - VIII R 13/19; NWB Datenbank (RD)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VIII. Senat des BFH Dr. Christian Levedag gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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