Online-Nachricht - Donnerstag, 23.02.2023
Bewertung | Bewertung eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer (BFH)
Der bewertungsrechtliche Begriff "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtliches Eigentum an Grund und Boden oder am Besatz ist unerheblich. Ist für die Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Liquidationswert maßgebend, kann ausnahmsweise der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts geführt werden, wenn der festgestellte Wert das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verletzt. Dies setzt aber regelmäßig voraus, dass der vom FA festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt (BFH, Urteil v. 16.11.2022 - II R 39/20; veröffentlicht am 23.2.2023).
Hintergrund: Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören nach § 158 Abs. 1 Satz 2 BewG alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu diesem Zweck auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Das bedeutet, dass eine Bewertung nach den für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen geltenden Grundsätzen nur erfolgen kann, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter zu einem entsprechenden Betrieb gehören.
Sachverhalt: Die am 18.9.2015 verstorbene Erblasserin war Eigentümerin verschiedener Grundstücke, die zum Teil als Ackerland genutzt wurden. Der Kläger ist Alleinerbe der Erblasserin. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 17.2.2016 veräußerte er die Grundstücke zu einem Gesamtkaufpreis von 292.000 €.
Das für die Erbschaftsteuer zuständige FA forderte das beklagte FA auf, die Grundbesitzwerte zum Todestag für Zwecke der Erbschaftsteuer festzustellen. Mit Bescheid vom 20.7.2016 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 18.9.2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte das FA für die als Ackerland genutzten Flächen als Art der wirtschaftlichen Einheit "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" und als Wert der wirtschaftlichen Einheit einen Grundbesitzwert i. H. von 238.668 € fest. Dabei setzte das FA den Liquidationswert (§ 166 BewG) an. Für die übrigen Flächen hatte das FA Grundbesitzwerte i. H. von insgesamt 95.870 € festgestellt.
Der Einspruch, den der Kläger u.a. damit begründete, es liege zwar landwirtschaftliches Vermögen vor, nicht aber ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, blieb erfolglos. Zur Begründung seiner Klage trug der Kläger insbesondere vor, dass für die Höhe des festzustellenden Grundbesitzwerts auf einen anteilig erzielten Verkaufspreis i. H. von 196.100 € als niedrigerer gemeiner Wert abzustellen sei.
Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 11.11.2020 - 3 K 369/17).
Der BFH hat die Revision als begründet angesehen, das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen:
- Die Feststellungen des FG tragen nicht dessen (implizit vorausgesetzte) Schlussfolgerung, dass die Erblasserin einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhalten hat. Das FG hat insoweit nur festgestellt, dass die vererbten Grundstücke teilweise als Ackerland genutzt und zum Bewertungsstichtag für weniger als 15 Jahre zur Nutzung überlassen worden seien. Hieraus ist nur zu folgern, dass jedenfalls keine Stückländereien vorlagen. Es lässt sich aber nicht ersehen, ob die Erblasserin im Übrigen einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innehatte. Diese Prüfung wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
- Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass auf den Kläger ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft übergegangen ist, hätte das FA die Höhe des Grundbesitzwerts prinzipiell zutreffend mit dem Liquidationswert gesondert festgestellt.
- Der Kläger hat die Grundstücke fünf Monate nach dem Bewertungsstichtag veräußert, ohne den Veräußerungserlös wieder in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu investieren. Das FA hätte daher zu Recht den Liquidationswert nach § 166 BewG zur Bewertung herangezogen und dessen Höhe entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen korrekt mit 238.668 € festgestellt. Der Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts scheidet nach den Feststellungen des FG vorliegend aus.
- Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot der Steuerpflichtige auch bei der Veräußerung von Flächen, die einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen waren, entsprechend § 165 Abs. 3 Halbsatz 1 und § 198 BewG den Nachweis eines vom Liquidationswert wesentlich abweichenden niedrigeren gemeinen Werts erbringen kann, etwa durch ein Sachverständigengutachten oder durch einen zeitnahen Verkauf (vgl. BFH, Urteil v. 30.1.2019 II R 9/16, Rz. 24). Das Übermaßverbot ist allerdings nur dann verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen. Dies erfordert den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts, der den festgestellten Grundstückswert so erheblich unterschreitet, dass sich der festgestellte Grundstückswert als extrem über das normale Maß hinausgehend erweist. Extrem über das normale Maß hinaus geht beispielsweise das Dreifache des gemeinen Werts bzw. das rund 1,4 fache eines sich aus dem Bodenrichtwert errechneten Verkehrswerts. Eine Bewertungsdifferenz von 10 % ist hingegen als Folge der typisierenden Bewertungsmethode aufgrund der mit der Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit hinzunehmen (vgl. BFH, Urteil v. 30.1.2019 - II R 9/16, Rz. 26, m.w.N.). An dieser Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht des Klägers festzuhalten.
- Sollte das FG hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft geerbt hat, wäre der streitgegenständliche Feststellungsbescheid aufzuheben. Das FA hätte dann erneut eine Bewertung der Grundstücke durchzuführen; diesmal nach den Vorschriften über die Bewertung von Grundvermögen (§§ 157 Abs. 3 Satz 1, 176 bis 198 BewG). Dem Kläger stünde in einem solchen Fall nach § 198 BewG der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts offen.
Quelle: BFH, Urteil v. 16.11.2022 - II R 39/20; NWB Datenbank (RD)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforderlich).