Online-Nachricht - Donnerstag, 23.02.2023

Einkommensteuer | Keine Anwendung der Fahrtenbuch­methode bei Schätzung des Treib­stoff­verbrauchs des über­lassenen Kfz (BFH)

Eine Schätzung von belegmäßig nicht nach­gewiesenen Aufwendungen – hier: Treib­stoff­kosten – schließt die Anwendung der Fahrten­buch­methode für die Bemessung des geldwerten Vorteils aus der Überlassung eines betrieblichen Kfz aus (BFH, Urteil v. 15.12.2022 - VI R 44/20; veröffentlicht am 23.2.2023).

Hintergrund: Der Wert der Nutzung eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten und für die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte ist entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mittels der 1 %-Regelung und der 0,03 %-Regelung zu ermitteln (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG). Nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG kann dieser Wert mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte entfallenden Teil der "gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen" angesetzt werden, wenn die durch das Kfz "insgesamt entstehenden Aufwendungen" durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine GmbH. Sie überließ zwei Angestellten (A und B) im Zeitraum von Dezember 2011 bis April 2016 (Streitzeitraum) jeweils ein betriebliches Fahrzeug auch zur Nutzung zu privaten Fahrten und dem Angestellten A zusätzlich zu Fahrten zwischen Wohnung und regel­mäßiger Arbeits­stätte (bis 2013) bzw. erster Tätigkeits­stätte (seit 2014). Beide Arbeitnehmer führten zum Nachweis des Verhältnisses der privaten Fahrten und im Falle des A auch der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits­stätte/erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten ein ordnungs­gemäßes Fahrtenbuch.

Das FA stellte im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung fest, dass die Klägerin bei der Ermittlung des geldwerten Vorteils der außerdienst­lichen Kfz-Nutzung nach der Fahrten­buch­methode die Treibstoffkosten nach Durchschnitts­werten bemessen hatte. Denn die Fahrzeuge waren an einer betriebs­eigenen Tankstelle betankt worden, die weder über eine Anzeige der Abgabe­menge noch des Abgabepreises verfügte.

Das FA bemaß den geldwerten Vorteil für die außerdienstliche Kfz-Nutzung daraufhin nach Maßgabe der 1 % und der 0,03 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG) und nahm die Klägerin für den Streitzeitraum mit Haftungsbescheid vom 6.2.2017 in Anspruch.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG teilweise statt (FG München, Urteil v. 16.10.2020 - 8 K 611/19).

Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und das FG-Urteil aufgehoben:

  • Ausweislich des Gesetzeswortlauts ist die Fahrtenbuchmethode nicht schon dann anzuwenden, wenn ein ordnungs­gemäßes Fahrtenbuch vorgelegt wird, welches das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bzw. erster Tätigkeitsstätte zu den übrigen Fahrten nachweist. Denn § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG setzt weiter voraus, dass zum einen der Wert der Privatnutzung als Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt wird und zum anderen, dass die durch Belege nachzuweisenden Kosten die durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen umfassen. Die Fahrtenbuchmethode gründet damit auf dem Zusammenspiel der Gesamt­fahrleistung durch die im Fahrtenbuch selbst vollständig dokumentierten Fahrtstrecken einerseits und einer vollständigen Bemessungsgrundlage dafür andererseits, nämlich dem Ansatz der gesamten Kraftfahrzeug­aufwendungen mittels belegmäßiger Erfassung der durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen (BFH, Urteil v. 20.3.2014 VI R 35/12, Rz. 13).
  • Eine Schätzung von belegmäßig nicht erfassten Kosten der überlassenen Fahrzeuge schließt die Anwendung der Fahrtenbuchmethode folglich aus.
  • Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerin selbst dann, wenn aufgrund der gewählten Schätzungs­grundlagen oder eines "Sicherheits­zuschlags" bei der Bemessung des Nutzungs­vorteils nach der Fahrtenbuchmethode vermeintlich höhere Gesamtkosten angesetzt werden, als tatsächlich entstanden sind.
  • Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Ermittlung des geldwerten Vorteils nach der Fahrtenbuchmethode im Streitfall ausgeschlossen. Die Klägerin hat nicht sämtliche, durch das jeweils überlassene Kfz entstandenen Aufwendungen belegmäßig nachgewiesen. Die durch die Nutzung dieser Fahrzeuge entstandenen (tatsächlichen) Treibstoffkosten gründen vielmehr auf einer Schätzung. Zwar hat die Klägerin die Einkaufsrechnungen für den insgesamt im Streitzeitraum bezogenen Treibstoff vorgelegt; die anteiligen Treibstoffkosten je PKW hat sie aber nur anhand des vom Fahrzeughersteller angegebenen Durchschnitts­verbrauchs sowie des durchschnittlichen Liter-Kraftstoffpreises ermittelt und damit nicht durch Belege nachgewiesen.
  • Die verfassungs­rechtlichen Bedenken der Klägerin in Bezug auf eine Übermaß­besteuerung in den Fällen, in denen der zu versteuernde Nutzungs­vorteil wegen fehlender Belege nicht nach der Fahrtenbuchmethode bewertet werden kann, sondern zwingend nach Maßgabe der 1 %-Regelung anzusetzen ist, teilt der Senat nicht.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 15.12.2022 - VI R 44/20; NWB Datenbank (RD)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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