Online-Nachricht - Donnerstag, 09.03.2023

Umsatzsteuer | Vermietung von Wohn­containern an Ernte­helfer unter­liegt dem ermäßigten Steuer­satz (BFH)

§ 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG begünstigt nicht nur die Vermietung von Grund­stücken und mit diesen fest verbun­denen Gebäuden, sondern allge­mein die Vermietung von Wohn- und Schlaf­räumen durch einen Unter­nehmer zur kurz­fristigen Beher­bergung von Fremden und damit auch die Vermietung von Wohn­containern an Ernte­helfer (BFH, Urteil v. 29.11.2022 - XI R 13/20; veröffent­licht am 9.3.2023).

Hintergrund: Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf sieben Prozent für die Vermietung u.a. von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unter­nehmer zur kurz­fristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Diese Ermäßigung beruhte in den Streitjahren auf Art. 98 Abs. 1, Abs. 2 Unterabs. 1 (nunmehr: Art. 98 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2) i.V.m. Anhang III Nr. 12 MwStSystRL.

Sachverhalt: Der Kläger baut Spargel- und Beeren an. In den Streitjahren 2014 bis 2017 beschäftigte er saisonal rund 100 Erntehelfer, an die er Räume in Wohn­containern vermietete (in sog. Dreierblocks und Einzelcontainern).

Die "Dreierblocks" verfügten über einen Sanitär- und Strom­anschluss und waren mit Schlafräumen, einer Nasszelle, einem Aufenthaltsraum und einer Küche eingerichtet. Die Einzel­container enthielten lediglich drei Schlafplätze, die Bewohner konnten Sanitäranlagen und eine zentrale Küche in einer Halle des Klägers nutzen.

Die Wohncontainer waren nicht in das Erdreich eingelassen, sondern standen auf Steinsockeln und waren über gepflasterte Wege zu erreichen. Für deren Nutzung wurde eine tägliche Miete vereinbart. Daneben konnten die Erntehelfer auch Verpflegung beziehen, die der Kläger gesondert berechnete. Die Verträge enthielten eine Klausel, nach der die Ansprüche aus dem Leistungs­vertrag mit Ansprüchen aus dem Arbeitsvertrag aufgerechnet werden konnten; die Dauer des jeweiligen Miet­verhält­nisses betrug längstens drei Monate.

Der Kläger meldete die Umsätze aus der Vermietung der Räume an die Erntehelfer zum ermäßigten Steuersatz an.

Das FA vertrat unter Verweis auf Abschn. 12.16 Abs. 5, 4. Spiegelstrich UStAE die Auffassung, dass die Umsätze dem Regel­steuersatz unterliegen, weil die Unterkünfte keine dauerhaft feste Verbindung zum Grundstück besaßen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg (FG Baden-Württem­berg, Urteil v. 7.4.2020 - 1 K 2819/19, s. hierzu Steuern mobil 2/2021 Track 27).

Die Richter des BFH wiesen die hiergegen gerichtete Revision des FA ab:

  • Der Kläger hat durch die Gewährung von Unterkunft an die Erntehelfer steuerbare und steuer­pflichtige Leistungen erbracht. Diese unterliegen dem ermäßigten Steuersatz.
  • Dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG selbst ist jedoch nicht zu entnehmen, dass er sich lediglich auf die Vermietung von Grundstücken bezöge. Vielmehr begünstigt die Vorschrift allgemein die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen durch einen Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden.
  • Diese Sichtweise entspricht auch dem Unionsrecht: Der Unions­gesetz­geber beabsichtigte mit Anhang III MwStSystRL, dass auf die grundlegenden Güter sowie auf Gegenstände und Dienstleistungen, die sozialen oder kulturellen Zielen dienen, ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt werden kann, soweit von ihnen keine oder nur eine geringe Gefahr einer Wett­bewerbs­verzerrung ausgeht; die in Anhang III Nr. 12 MwStSystRL den Mitgliedstaaten gewährte Möglichkeit, einen ermäßigten Mehrwert­steuersatz auf verschiedene Formen der Beherbergung anzuwenden, ist geeignet, einen breiten Zugang zu den betreffenden Leistungen zu erleichtern, womit einem grund­legenden Bedürfnis eines jeden, der unterwegs ist, entsprochen wird (EuGH, Urteil v. 19.12.2019 - Rs. C-715/18 "Segler -Vereinigung Cuxhaven", Rz 32 f.).
  • Der Beherbergungsbegriff des Anhangs III Nr. 12 MwStSystRL ist zwar eng auszulegen. Der Begriff der "Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen" in Anhang III Nr. 12 MwStSystRL ist jedoch weit genug, um auch die kurzfristige Beherbergung von Saisonarbeitern in nicht ortsfesten Wohncontainern zu erfassen. Art. 43 MwSt DVO ist Ausweis dafür, dass auch die Beherbergung in nicht ortsfesten Einrichtungen der Steuersatz­ermäßigung unterfallen kann.
  • Ein anderes Verständnis des Begriffs der "Beherbergung in Hotels und ähnlichen Einrichtungen", d.h. das kurzfristige Beherbergen von Fremden in nicht ortsfesten Wohn­containern von der Ermäßigung auszunehmen, würde zudem zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der steuer­lichen Neutralität führen, der es nicht zulässt, gleichartige Gegenstände oder Dienst­leistungen, die miteinander in Wettbewerb stehen, hinsichtlich der Mehrwert­steuer unterschiedlich zu behandeln.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 29.11.2022 - XI R 13/20; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im XI. Senat des BFH Prof. Dr. Alois Nacke gelangen Sie hier (Login erforderlich).

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