Online-Nachricht - Donnerstag, 16.03.2023
Verfahrensrecht | Geschäftsführerhaftung: Überwachungsverschulden, eigenes Unvermögen (BFH)
Der Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegenüber der Haftungsinanspruchnahme nicht darauf berufen, dass er aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen ist, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, muss von der Übernahme der Geschäftsführung absehen bzw. das Amt niederlegen (BFH, Beschluss v. 15.11.2022 - VII R 23/19; veröffentlicht am 16.3.2023).
Hintergrund: Gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 AO kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Gemäß § 69 Satz 1 AO, § 34 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. mit § 35 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit deren Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuererstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt werden.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids.
Der BFH hält die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich:
- Der Kläger hat schuldhaft gehandelt. Entgegen seiner Auffassung entlastet ihn der Umstand, dass die Geschäfte der GmbH tatsächlich durch seinen Sohn geführt worden sind, nicht. Auch das fortgeschrittene Alter des Klägers und der Einwand, dass er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen sei, Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen, stehen der Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht entgegen.
- Der erkennende Senat hat zwar entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH nicht verpflichtet ist, die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH selbst zu erledigen. Er ist vielmehr grundsätzlich befugt, die Erledigung anderen Personen zu übertragen. Der Geschäftsführer darf aber nur innerhalb gewisser Grenzen der Redlichkeit seiner Hilfspersonen Vertrauen schenken, wenn er sich nicht dem Vorwurf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung aussetzen will.
- Er ist daher verpflichtet, diejenigen Personen, denen er die Erledigung der ihm als Vertreter des Steuerpflichtigen auferlegten steuerlichen Pflichten überträgt, sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen.
Quelle: BFH, Beschluss v. 15.11.2022 - VII R 23/19; NWB Datenbank (JT)
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