Die Testierunfähigkeit in der Praxis

Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare sind keine Mediziner. Dennoch werden sie im Rahmen ihrer Tätigkeit vermehrt mit medizinischen Themen konfrontiert. Dank des medizinischen Fortschrittes werden immer mehr Menschen in Deutschland immer älter. Eine Kehrseite dieser an sich begrüßenswerten Entwicklung liegt in der Zunahme von altersbedingten Krankheiten, die sich auch auf die Geistestätigkeit auswirken. In der öffentlichen Diskussion wird hierfür oft die steigende Zahl an Demenzerkrankungen angeführt. Zugleich werden in einem Zehnjahres-Zeitraum von 2015 bis 2024 in Deutschland 3,1 Billionen € vererbt werden. Bei einem Gesamtvermögen aller privaten Haushalte von gut 11 Billionen € wechseln damit 3 von 10 € den Besitzer. Beide Entwicklungen führen zusammen dazu, dass sich bei immer mehr Testamenten die Frage stellt, ob der Erblasser noch wirksam testieren konnte. Denn bei Juristen wie Medizinern bestehen nicht selten Unklarheiten, teils auch Vorurteile darüber, welche psychischen Störungen zu Testierunfähigkeit führen und wie man diese erkennen kann. Insbesondere sind die Unterscheidungsmerkmale zwischen natürlichen Willensäußerungen und freier Willensbestimmung nicht allgemein geläufig.

Beratungssituationen, in denen die Frage der Testierfähigkeit relevant wird
Die Beratungssituationen, in denen der Praktiker mit der Frage der Testierfähigkeit konfrontiert werden kann, unterscheiden sich im Wesentlichen nach dem Zeitpunkt seiner Beauftragung.
Vor dem Eintritt des Erbfalls wird er regelmäßig von demjenigen konsultiert, der eine wirksame Verfügung von Todes wegen errichten möchte, manchmal auch von demjenigen, der Begünstigter einer Verfügung ist. In diesen Fällen sollte man besonders aufmerksam sein, da eine Beeinflussung des Erblassers durch den Begünstigten in Betracht gezogen werden muss.
Nach Eintritt des Erbfalls geht es um die Beratung der Erbprätendenten oder gesetzlichen Erben, die sich auf die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung berufen möchten.

Mediation und einvernehmliche Lösung
Trotz der Problematik der Testierunfähigkeit handelt es sich bei den hier relevanten Streitigkeiten regelmäßig um familienbezogene Angelegenheiten. Es sollte daher nicht in Vergessenheit geraten, dass insoweit auch eine Streitbeilegung im Wege der Mediation oder durch einen Vergleichsabschluss in Betracht kommen kann, zumal das streitige Verfahren keine Zwischenlösungen vorsieht, sondern das Ergebnis immer nur „Alles oder Nichts“ sein kann.

Wichtig zu wissen
Es ist eine gut belegte Erfahrungstatsache, dass wegen der häufig noch vorhandenen „guten Fassade“ Demenzkranker selbst gravierende psychopathologische Funktionsdefizite psychiatrischen Laien und selbst Fachärzten ohne zielgerichtete Prüfung oft nicht auffallen, vor allem bei sehr alten und primär überdurchschnittlich intelligenten Personen (Cording in Cording/Nedopil, Psychiatrische Begutachtungen im Zivilrecht, 2014, S. 97-101, m. w. N.).

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