7 Fakten über den Brexit Deal

Viereinhalb Jahre nach dem Brexit-Referendum im Jahr 2016 einigten sich die britische Regierung und die EU-Kommission auf ein historisches Freihandels- und Sicherheitsabkommen, das am 1.1.2021 in Kraft getreten ist.

Das Freihandels- und Sicherheitsabkommen (UK/EU-FTA) ist das größte Handelsabkommen, das jemals von beiden Seiten unterzeichnet wurde, und deckt bilateralen Handel zwischen Großbritannien und der EU im Wert von mehr als 700 Mrd. € pro Jahr ab. Das Abkommen sieht im Wesentlichen vor, dass Großbritannien die EU-Zollunion und den Binnenmarkt zum 1.1.2021 verlassen hat und ersetzt dies mit einem zoll- und quotenfreien Marktzugang für beide Volkswirtschaften. Im Grundsatz fällt das Handelsverhältnis damit aber auf den Status vor Unterzeichnung der Verträge von Maastricht aus dem Jahr 1992 zurück.

Der Vertragstext enthält mehr als 2.000 Seiten und wurde am 30.12.2020 vom britischen Parlament genehmigt. Das Handelsabkommen muss noch vom EU-Parlament und den 27 EU-Mitgliedstaaten genehmigt werden und wird daher vorläufig bis zur vollständigen Ratifizierung angewendet.

Viele detaillierte Fragen zur neuen Handelsbeziehung bleiben bestehen. Die folgende Zusammenfassung versucht die sieben wichtigsten Fakten zum Brexit-Deal darzustellen:

1. Die Austrittsvereinbarung – Bedingungen gelten auch in 2021 und darüber hinaus

Das am 17.10.2019 vereinbarte Brexit-Austrittsabkommen und die politische Erklärung enthalten die Bedingungen für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Das Abkommen beinhaltet auch die Regelungen für die Brexit-Übergangsphase, in der viele EU-Vorschriften für Großbritannien bis zum 31.12.2020 gegolten haben. Die Bestimmungen des Austrittsabkommens und der politischen Erklärung bilden die Grundlage des neuen Freihandelsabkommens und werden in Zukunft parallel angewendet, insbesondere in den Bereichen des Aufenthaltsrechts für britische und europäische Staatsbürger, die Verpflichtung zur Vermeidung einer harten Grenze auf der irischen Insel und die finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens gegenüber der EU im Rahmen des Austritts.

2. Warenverkehr und Zölle – Eine Übergangsfrist ist dringend erforderlich

Obwohl Großbritannien die EU bereits am 31.1.2020 formal verlassen hat, unterlagen Warenbewegungen zwischen Großbritannien und der EU während der Brexit-Übergangsphase nach wie vor den Handelsregeln der EU. Dies beinhaltete die Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU-Zollunion und dem Binnenmarkt sowie EU-Umsatzsteuerregeln.

Mit dem Ende der Brexit-Übergangsfrist am 31.12.2020 und dem Beginn der neuen FTA-Regeln wurde eine neue Zollgrenze zwischen Großbritannien und der EU errichtet. Das neue FTA garantiert zoll- und quotenfreien Handel für fast alle Waren, die zwischen Großbritannien und der EU bewegt werden, was sicherlich eine gute Nachricht für Unternehmen ist. Der Warenverkehr muss allerdings nach dem Standardzollverfahren abgewickelt werden, was dazu führt, dass über 230 Millionen zusätzliche Zollformulare im Jahr auf britischer Seite abgewickelt werden müssen, was aufwändig und teuer ist. Darüber hinaus verbieten die Zollbestimmungen den Unternehmen, Einfuhr- und Ausfuhranmeldungen in Zollgebieten einzureichen, in denen sie nicht niedergelassen sind, was zur Folge hat, dass viele Unternehmen einen Zollvertreter benennen müssen, der die Zollunterlagen bei den Behörden einreicht.

Nach Angaben der britischen Road Haulage Association benötigt Großbritannien immer noch mehr als 20.000 neue Zollagenten, um die Einfuhren europäischer Händler nach Großbritannien abzuwickeln, was zu Beginn des Jahres 2021 zu weiterem Grenzchaos geführt hat.

Die britische Regierung muss den europäischen Lieferanten Erleichterungen einräumen, damit der Warenfluss nach Großbritannien weiterhin funktioniert, bis die administrativen Probleme gelöst sind.

3. Arbeitnehmer und Einwanderung – Große Probleme für britische Arbeitgeber

Eine der Verhandlungslinien der britischen Regierung während der Brexit-Verhandlungen war die Beendigung der Personenfreizügigkeit zwischen Großbritannien und der EU. Am 1.1. führte Großbritannien nun ein neues punktebasiertes Einwanderungssystem ein, das es EU-Bürgern nun nicht mehr möglich macht, nach Großbritannien ohne Arbeitsvisum einzureisen und Arbeit aufzunehmen. Die neuen Regeln für britische Arbeitgeber, EU-Bürger einzustellen, die über keinen sog. settled oder pre-settled status verfügen, sind komplex und erfordern den Erwerb einer sog. sponsorship licence.

Viele britische Sektoren, wie z.B. die Bauindustrie oder das Gastgewerbe, sind auf qualifizierte EU-Arbeitskräfte angewiesen und sehen sich in 2021 großen Problemen bezüglich der Personalrekrutierung ausgesetzt. Britische Unternehmen stehen vor der Aufgabe einer wirtschaftlichen Erholung von Coronapandemie, werden es nun aber mit höheren Personalkosten zu tun bekommen, um auf dem europäischen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. 

Die britische Regierung sollte auch hier jetzt Flexibilität zeigen und bestimmte Regelungen des punktebasierten Einwanderungssystems um mindestens 12 Monate aussetzen.

4. Grenzüberschreitende Dienstleistungen – Die No-Deal-Situation

Das Ziel der Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU lag auf dem zoll- und quotenfreien Warenverkehr, was erreicht wurde.  Aufgrund der begrenzten Verhandlungszeit wurden Regelungen für der Dienstleistungssektor jedoch ausgelassen.

Umfassende Bestimmungen zu Dienstleistungen sind in Freihandelsabkommen üblicherweise nicht enthalten. Der britische Dienstleistungssektor ist jedoch stark mit der EU verbunden, und das Fehlen von Bestimmungen im Handelsabkommen bedeutet Einschränkungen und einen geringeren EU-Marktzugang für die britische Dienstleistungsbranche. Britische Berufsqualifikationen werden in der EU möglicherweise nicht anerkannt (und umgekehrt), obwohl Großbritannien und die EU-Mitgliedstaaten beschließen könnten, die beruflichen Qualifikationen des jeweils anderen anzuerkennen oder Wege zur Neuqualifizierung vorzusehen.

Britische Dienstleistungsunternehmen werden zudem mit zusätzlichen Hindernissen für eine potenzielle Niederlassung in der EU konfrontiert und müssen fortan die strengeren Regeln für Drittländer einhalten (wie etwa Bestimmungen für die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz von Geschäftsführern oder Obergrenzen für aus dem Ausland eingesetztes Eigenkapital). Die genauen Regeln für den Marktzugang variieren zwischen den EU-Mitgliedstaaten und könnten einige britische Dienstleistungsunternehmen effektiv vom EU-Markt ausschließen. Die britische Regierung wird weiterhin mit der EU verhandeln müssen, um im Laufe der Zeit Hindernisse von mehr Industrien und Sektoren zu beseitigen und den EU-Markt wieder zu öffnen.

5. Finanzen und Kapital – Beschränkungen für den Kapitalverkehr erwartet

Die EU-Grundfreiheiten ermöglichen den freien Verkehr von Kapital in allen EU-Mitgliedsstaaten. EU-Richtlinien, wie die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie, die Mutter-Tochter-Richtlinie oder die Fusionsrichtlinie, gelten im Allgemeinen weiter, wo die britische Seite Teil einer Transaktion mit einem EU-Unternehmen ist. Das andere Land wird Großbritannien nun jedoch als Nicht-EU-Land betrachten und nicht den Vorteil einer günstigen Behandlung gewähren.

Für bestimmte Zahlungen eines EU-Unternehmens nach Großbritannien wird jetzt höchstwahrscheinlich Quellensteuern erhoben. Dies hängt von den Vorschriften in den einzelnen Ländern ab und davon, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zur Senkung des Quellensteuersatzes Anwendung findet. Wenn eine EU-Tochtergesellschaft eine Dividende nach Großbritannien zahlt, kann eine Quellensteuer erhoben werden. Der Steuersatz hängt von den örtlichen Gesetzen und dem einschlägigen DBA ab, aber wichtige Länder, die wahrscheinlich Quellensteuern erheben, sind Irland (5 %, bei Erfüllung bestimmter Bedingungen jedoch auf Null gesenkt), Belgien (10 %) und Luxemburg (5 %).

6. Nordirland – Eine komplexe „halb-halb“-Lösung

Die Brexit-Austrittsvereinbarung sah vor, dass eine Landgrenze auf der irischen Insel als Teil des Austritts Großbritanniens aus der EU vermieden werden sollte. Aufgrund des Austritts Großbritanniens aus der EU-Zollunion und dem Binnenmarkt hat dies jedoch eine erhebliche Herausforderung für die Vermeidung einer Zollgrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland geschaffen. Infolgedessen verbleibt Nordirland im EU-Binnenmarkt für Waren, um den Warenfluss ohne Zollformalitäten zu ermöglichen. Allerdings wird Nordirland auch mit dem Rest Großbritanniens in einer Zollunion verbleiben, was zu einem erheblichen Aufwand für Unternehmen führt, die mit Nordirland handeln.

Infolgedessen wird für Nordirland eines der komplexesten Umsatzsteuer- und Zoll-Doppelsysteme der Welt geschaffen, was die Kosten für Händler selbst für den Inlandshandel innerhalb Großbritanniens erheblich erhöhen wird.

Es fehlen noch eine Reihe von Anwendungsrichtlinien für die neuen Regelungen zwischen Großbritannien und Nordirland und auch die neu entwickelte Software, was die Nachfrage nach einer Umsetzungsfrist erhöht, um mehr Zeit für die Anpassung an das neue Regime zu haben.

7. Die nächsten Schritte – Weitere Verhandlungen sind zu erwarten

Das Handels- und Sicherheitsabkommen zwischen Großbritannien und der EU ist nur der erste Schritt zu einem umfassenden Freihandelsabkommen. Viele Wirtschaftssektoren sind von dieser ersten Version des Abkommens außen vorgelassen worden und kämpfen seit dem 1.1. mit erheblichen Barrieren, wie beispielsweise der wichtige Dienstleistungssektor, die über 80 % der britischen Wirtschaft ausmacht.

Die EU ist ein dynamisches Bündnis von 27 Mitgliedstaaten, deren politische Landschaften sich permanent verändern. Die britische Regierung und die EU-Kommission werden in den kommenden Jahren weiter verhandeln, um die Bedingungen der Handelsbeziehungen zu verbessern und zu erweitern. Ein gutes Beispiel dafür ist die Schweiz, die sich in ständigen Verhandlungen mit der EU befindet, um die Handelsbeziehungen fairer und wettbewerbsfähiger zu gestalten. Man kann mit Sicherheit sagen, dass Großbritannien in den kommenden Jahren dasselbe erwarten kann.

Von Alexander Altmann erscheint im zweiten Quartal 2021 „Großbritannien nach dem Brexit – Der zukünftige Steuer- und Investitionsstandort“. Dieses Handbuch bietet einen vertieften Einblick in den Wirtschaftsstandort nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU – aktuell mit dem ab 1.1.2021 geltenden Recht und den letzten Änderungen durch das Emergency Budget (Notfall-Haushaltsgesetz)!

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