Ausländische Künstler und Sportler im Steuerrecht

Der nachfolgende Beitrag ist eine Leseprobe aus dem Praxishandbuch "Ausländische Künstler und Sportler im Steuerrecht" von Diplom-Finanzwirt Jörg Holthaus in der 3. Auflage aus dem Jahr 2020.

A. Vorbemerkung

Im Bereich der steuerlichen Behandlung der Darbietungen von ausländischen Künstlern und Sportlern wurde in Deutschland das Auftrittsprinzip frühzeitig gesetzlich verankert und fand zugleich seinen Ausdruck in den verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Diese Leitlinie findet sich auch im 2. Zwischenbericht des Steuerausschusses der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC)1 von 1959 wieder und manifestierte sich auch in Art. 17 des OECD-Musterabkommens (MA) aus dem Jahr 1963.2 Hiernach dürfen grenzüberschreitend tätige Künstler und Sportler mit ihren durch persönliche Darbietungen in einem Staat erzielten Einkünften ebendort besteuert werden. Diese Rahmenregelung ist mit kleinen Modifikationen weiterhin in Art. 17 Abs. 1 OECD-MA enthalten und ist heute Bestandteil aller deutscher DBA. Dadurch dass Art. 14 OECD-MA gestrichen wurde (der Anwendungsbereich von Art. 7 „Unternehmensgewinne“ wurde insoweit auf die „selbständige Arbeit“ ausgedehnt), hat der Artikel „Sportler und Künstler“ in den neueren deutschen DBA regelmäßig die Artikelnummer 16 bekommen, ohne dass die Regelung inhaltlich geändert wurde.

Entsprechend zu den Regelungen der DBA enthält der Katalog der so genannten inländischen Einkünfte, die Deutschland von Personen ohne Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland besteuern will, diese Einkünfte aus persönlich ausgeübten Tätigkeiten von Sportlern und Künstlern.

Zur Sicherung des Steueraufkommens wurde in § 50a EStG ein besonderer Steuerabzug für Vergütungen an beschränkt steuerpflichtige Künstler und Sportler eingeführt, da diese regelmäßig nicht über vollstreckbares Inlandsvermögen verfügen und hinsichtlich einer möglichen Steuerveranlagung nach oft kurzem Inlandsaufenthalt nicht mehr greifbar sind.

Als Reaktion auf Steuerumgehungsmodelle durch ausländische Künstler- und Sportlerverleihfirmen wurde außerdem der Katalog der inländischen Einkünfte auch auf gewerbliche Einkünfte durch Darbietungen und eine entsprechende Abzugssteuervorschrift in § 50a EStG erweitert. Flankierend hierzu wurden die DBA um ein entsprechendes Quellensteuerrecht für den Auftrittsstaat ergänzt.3

Durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) mit seinen darin verankerten Grundfreiheiten (z. B. der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit) geriet der besondere Steuerabzug nach § 50a EStG mehr und mehr in die Kritik.

Aufgrund diverser Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)4 und eines eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission5 stand der deutsche Gesetzgeber unter Zugzwang, die Besteuerung von beschränkt Steuerpflichtigen zu überarbeiten. Da die veröffentlichten Verwaltungsanweisungen6 nur als unzulänglicher Notbehelf angesehen werden konnten, musste das Einkommensteuergesetz (EStG) essenziell geändert werden.

Mit dem Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) wurde u. a. die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger neu geregelt und an die EuGH-Rechtsprechung angepasst, wodurch die diskriminierende Behandlung von nicht gebietsansässigen Steuerpflichtigen (insbesondere Künstler und Sportler) in wesentlichen Zügen eliminiert wurde.7 Das Vertragsverletzungsverfahren 1999/4852 wurde daraufhin von der EU-Kommission am 14.5.2009 eingestellt.

Mit der gesetzlichen Neuausrichtung wurden die beschränkte Steuerpflicht und die besondere Abzugsverpflichtung nach § 50a EStG grundlegend reformiert. Neben den §§ 49 – 50d EStG wurden auch die §§ 73a – 73f EStDV überarbeitet.

Die Änderungen gelten insgesamt für Vergütungen, die nach dem 31.12.2008 zufließen.8

Nach Art. 6 des Begleitgesetzes zur 2. Förderalismusreform v. 10.8.20099 sollten das Steuerabzugsverfahren nach § 50a Abs. 1 EStG und das Veranlagungsverfahren nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG für beschränkt Steuerpflichtige beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zentralisiert werden. Der genaue Zeitpunkt der Zentralisierung sollte durch Rechtsverordnung bestimmt, er sollte aber nicht vor dem 31.12.2011 liegen.

Da die Rechtsverordnung10 erst im Laufe des Jahres 2013 erlassen wurde, waren auch im Jahr 2013 noch sämtliche Anmeldungen zum Steuerabzug nach § 50a EStG beim örtlichen Finanzamt abzugeben. Seit dem1.1.2014 ist nun das BZSt zentral zuständig. Anmeldungen ab dem 1. Quartal 2014 sind dort zu bearbeiten. Nachträgliche Anmel­dungen für Zahlungen, die noch in 2013 erfolgten und offene Rechtsbehelfsverfahren, werden auch ab 2014 noch vom bisher zuständigen Finanzamt bearbeitet.

Mit dem StÄnd-AnpG-Kroatien11 wurden die gesetzlichen Möglichkeiten zur Anordnung eines Steuerabzugs bei Vergütungen an einen beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50a Abs. 7 EStG erweitert. Da eine Abzugsanordnung auch im Bereich von Künstlern und Sportlern – insbesondere bei Nutzungsüberlassungen von Sachen – vorkommen kann, wird der Anordnung des Steuerabzugs ein eigenes Kapitel im Buch gewidmet.

In 2014 ist die EU-Konformität des Steuerabzugs nach § 50a EStG durch das EuGH-Urteil C-53/1312 und das BMF-Schreiben v. 17.6.2014 13 erneut in den Fokus geraten, weshalb auch hier eine nähere Analyse der Konsequenzen erfolgen musste.

Mit dem StÄndG 201514 wurde das Wort „insbesondere“ aus § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG gestrichen und damit die Freistellungsmöglichkeit in einem verfassungsrechtlich bedenklichem Umfang begrenzt, was detailliert analysiert werden muss.

Um ein durch das BMF-Schreiben v. 13.11.201915 begünstigtes Ausufern der beschränkten Steuerpflicht auf im Ausland dauerhaft ansässige Arbeitnehmer ohne Abkommensschutz zu vermeiden, wurde der Anwendungsbereich von § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG durch das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“16 bei Zahlungen und Zuschüssen aus einer öffentlichen Kasse leicht begrenzt. Dabei ist die Gesetzesformulierung so unglücklich, dass eine weitere Analyse für die Lohnsteuerpflicht bei Öffentlichen Kassen (insbesondere deutschen Theatern und Opernhäusern) dringend geboten ist.

Die Künstlersozialabgabe hat zwar auf den ersten Blick nichts mit dem Steuerrecht zu tun, wurde aber ausführlich mit ins Praktikerhandbuch aufgenommen, da teilweise die gleiche Klientel von dieser Sonderabgabe betroffen ist und sich viele thematische Überschneidung zum Steuerabzug ergeben.

Da bei Vergütungen an ausländische Künstler und Sportler über § 13b UStG der Vergütungsschuldner auch Steuerschuldner der Umsatzsteuer für diese Zahlung wird, wird der Ermittlung der richtigen Umsatzsteuer und der im Einzelfall möglichen Befreiung ein weiteres Kapitel gewidmet. Bei der Erstellung diese Abschnitts I konnte ich auf die tatkräftige Unterstützung von Herrn Dipl.Kfm.-Dipl.Bw. Uwe Baldauf bauen.

Fundstelle(n):
NWB CAAAH-63528

B. Steuerabzugsverfahren beschränkt Steuerpflichtiger

1. Steuerpflicht ausländischer Künstler, Sportler und Dritter

Vergütungen an ausländische Sportler, Künstler oder Dritte (wie Künstlerverleihgesellschaften, Sportvereine, Dachverbände), die durch Darbietungen in Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig sind, unterliegen grds. der inländischen Ertrag- und Umsatzsteuer. Beide Steuerarten werden für Steuerausländer beim Schuldner der Vergütung erhoben (die Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer als Entrichtungssteuerschuld gem. § 50a EStG, die Umsatzsteuer im Rahmen der Steuerschuldumkehrung nach § 13b UStG).

1.1. Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung

 
1.1.1 natürliche Personen

Ein Künstler oder Sportler ist dann beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG), wenn er in Deutschland weder einen Wohnsitz (§ 8 AO) noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat, aber sog. inländische Einkünfte i. S. von § 49 EStG bezieht.

Für die Art der Einkommensteuerpflicht ist es unmaßgeblich, welche Staatsangehörigkeit der Künstler oder Sportler besitzt. Auch ein deutscher Künstler mit Wohnsitz auf Mallorca (Spanien) und ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland ist nur mit seinen inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig und unterliegt unter den weiteren Voraussetzungen des § 50a EStG der Abzugssteuerpflicht.

Ob ein Künstler oder Sportler unbeschränkt steuerpflichtig ist und somit Vergütungen an ihn nicht der Abzugssteuerverpflichtung unterliegen, lässt sich für den Vergütungsschuldner (Veranstalter) letztlich nur durch die Vorlage einer Bescheinigung des für die Einkommensbesteuerung des Künstlers oder Sportlers zuständigen Finanzamtes klären.

Kann ein Künstler oder Sportler keine Bescheinigung eines deutschen Finanzamtes vorlegen, aus der zweifelsfrei hervorgeht, dass er unter einer bestimmten Steuernummer zur unbeschränkten Einkommensteuer veranlagt wird, ist vom Vergütungsschuldner (Veranstalter) grds. unter den Voraussetzungen des § 50a EStG die Abzugssteuer einzubehalten und an das Bundeszentralamt für Steuern abzuführen.17 Ein Nachweis für eine umsatzsteuerrechtliche Erfassung in Deutschland (z. B. deutsche USt-Identifikati­S. 6onsnummer) reicht nicht aus, da diese unter bestimmten Voraussetzungen auch bei einem beschränkt Steuerpflichtigen erfolgt.

Eine natürliche Person, die im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat, ist gem. § 1 Abs. 1 EStG grds. mit allen inländischen und ausländischen Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig (sog. Welteinkommensprinzip). Eine Abzugssteuerpflicht für Vergütungen an solche Künstler oder Sportler ist nach § 50a EStG nicht gegeben.

  • 8 AO:Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
  • 9 AO:Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (> sechs Monate, keine Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnliche Zwecke).

Die bloße Absicht, einen Wohnsitz zu begründen oder aufzugeben, bzw. die An- und Abmeldung bei der Ordnungsbehörde entfalten allein keine unmittelbare steuerliche Wirkung. Die Anmeldung ist lediglich ein Indiz für einen Wohnsitz.

Ein Ehegatte, der nicht dauernd getrennt lebt, hat seinen Wohnsitz grds. dort, wo seine Familie lebt (unabhängig davon, ob er dort gemeldet ist).

Es genügt eine bescheidene Bleibe. Nicht erforderlich ist eine abgeschlossene Wohnung mit Küche und separater Waschgelegenheit.

Der Steuerpflichtige muss die Wohnung allerdings innehaben, d. h. er muss tatsächlich über sie verfügen können und sie als Bleibe nicht nur vorübergehend benutzen. Hierbei genügt es, dass die Wohnung z. B. über Jahre hinweg jährlich zweimal zu bestimmten Zeiten über einige Wochen benutzt wird. Anhaltspunkte dafür können die Ausstattung und Einrichtung sein; nicht erforderlich ist, dass sich der Steuerpflichtige während einer Mindestzeit von Tagen oder Wochen im Jahr in der Wohnung aufhält.

Wer aber eine Wohnung von vornherein in der Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) zu benutzen, begründet dort keinen Wohnsitz. Wer sich – auch in regelmäßigen Abständen – in der Wohnung eines Angehörigen oder eines Bekannten aufhält, begründet dort keinen Wohnsitz, sofern es nicht – wie im Fall einer Familienwohnung oder der Wohnung einer Wohngemeinschaft – gleichzeitig die eigene Wohnung ist.

Wer einen Wohnsitz im Ausland begründet und seine Wohnung im Inland beibehält, hat auch im Inland einen Wohnsitz i. S. von § 8 AO. Bei einem ins Ausland versetzten Arbeitnehmer ist ein inländischer Wohnsitz widerlegbar zu vermuten, wenn er seine Wohnung im Inland beibehält, deren Benutzung ihm möglich ist und die nach ihrer S. 7Ausstattung jederzeit als Bleibe dienen kann. Das Innehaben der inländischen Wohnung kann nach den Umständen des Einzelfalls auch dann anzunehmen sein, wenn der Steuerpflichtige sie während eines Auslandsaufenthaltes kurzfristig (bis zu sechs Monaten) vermietet oder untervermietet, um sie alsbald nach Rückkehr ins Inland wieder zu benutzen.

Hält sich der Steuerpflichtige während eines zusammenhängenden Zeitraums von mehr als sechs Monaten im Inland auf, hat er hier grds. seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. von § 9 AO. Bei Unterbrechungen der Anwesenheit kommt es darauf an, ob noch ein einheitlicher Aufenthalt oder mehrere getrennte Aufenthalte anzunehmen sind. Ein einheitlicher Aufenthalt ist gegeben, wenn der Aufenthalt nach den Verhältnissen fortgesetzt werden sollte und die Unterbrechung nur kurzfristig (z. B. Familienheimfahrten, Jahresurlaub, längerer Heimaturlaub, Kur, Erholung, Geschäftsreisen) ist.

Der Tatbestand des gewöhnlichen Aufenthalts kann bei einem weniger als sechs Monate dauernden Aufenthalt verwirklicht werden, wenn Inlandsaufenthalte nacheinander folgen, die sachlich miteinander verbunden sind, und wenn der Steuerpflichtige von vornherein beabsichtigt, nicht nur vorübergehend im Inland zu verweilen.

Wer regelmäßig an Arbeitstagen am Arbeits-/Geschäftsort im Inland übernachtet und sich nur am Wochenende bzw. an Feiertagen und im Urlaub zu seiner Wohnung im Ausland begibt, hat an dem inländischen Arbeits-/Geschäftsort seinen gewöhnlichen Aufenthalt.

Die Steuerabzugsverpflichtung besteht auch dann, wenn eine Künstlergruppe im Inland auftritt, aber nur einzelne Gruppenmitglieder keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Eine Gesamtvergütung an die Gruppe (z. B. GbR) ist im Zweifelsfall im Schätzungswege aufzuteilen und anteilig – insoweit die Vergütung auf beschränkt Steuerpflichtige entfällt – der Abzugssteuer zu unterwerfen.

Beispiel 1
Das aus A (Wohnsitz Niederlande) und B (Wohnsitz Deutschland) bestehende Klavierduo „Artemis“ hat mit der Stadt Münster für einen Auftritt eine Bruttogage von 2.000 € vereinbart.

Da nur ein Mitglied des Duos (vergleichbar einer GbR) beschränkt steuerpflichtig ist, hat die Stadt Münster nur ½ der Bruttogage dem Steuerabzug zu unterwerfen. Der Steuerabzug beträgt somit 150 € (15 % von 1.000 €) zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag (SolZ).

1.1.2 juristische Personen

Juristische Personen wie Kapitalgesellschaften sind nach § 2 Nr. 1 KStG beschränkt körperschaftssteuerpflichtig, wenn sie weder Sitz (§ 11 AO) noch ihre Geschäftsleitung (§ 10 AO) im Inland haben, aber inländische Einkünfte i. S. von § 49 EStG erzielen. Damit gelten für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften grds. die gleichen Voraussetzungen für die Frage, welche Einkünfte inländisch sind. Da der Steuerabzug nach § 50a EStG unabhängig von der Frage, ob der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubi­S. 8ger eine juristische oder natürliche Person ist, zu erheben ist, kann es für die Frage, ob ein Steuerabzug zu erheben ist, oft dahin gestellt bleiben, welche Rechtspersönlichkeit der Vergütungsgläubiger hat.

Typische beschränkt steuerpflichtige Körperschaften im Bereich von Sport und Kunst sind ausländische Künstlerverleihgesellschaften, Theater, Opernhäuser, Orchester, Sportvereine und Dachverbände (z. B. UEFA, FIFA).

1.2 Inländische Einkünfte

Unabhängig von der Steuerabzugsverpflichtung gehören zu den inländischen Einkünften alle im Inland ausgeübten oder lediglich im Inland verwertete selbständige und unselbständige Tätigkeiten (z. B. wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Betätigungen).

Gewerbliche Tätigkeiten (z. B. Berufssportler, Künstlerverleihfirmen) führen zu inländischen Einkünften, wenn der Gewerbetreibende die Einkünfte durch künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen im Inland oder der Verwertung im Inland erzielt. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass der ausländische Gewerbetreibende über eine inländische Betriebsstätte (i. S. von § 12 AO) verfügt.18

Hierunter fallen Einkünfte von nicht nichtselbständig tätigen Sportlern, die im Inland vor Publikum agieren, Einkünfte von ausländischen Körperschaften z. B. ausländische Orchester, Sportvereine, Dachverbände im Sportbereich (z. B. UEFA, FIFA), Akrobaten, Zauberkünstler und allen weiteren Personen, deren Auftritt Unterhaltungscharakter hat.

Unter diese Vorschrift fallen insbesondere ausländische Unternehmen, die Künstler, Sportler usw. einem inländischen Veranstalter im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zur Verfügung stellen. Von dieser Vorschrift werden aber auch Einkünfte gewerblich tätiger Berufssportler, Artisten, Entertainer u. Ä. erfasst19. Ebenso fallen die mit der künstlerischen/sportlichen/usw. Darbietung zusammenhängenden Einkünfte unter den Anwendungsbereich dieser Vorschrift.

Im Unterschied zu den in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG aufgeführten gewerblichen Einkünften ist das Vorhandensein einer Betriebsstätte oder eines ständigen Vertreters im Inland nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nicht erforderlich. Diese im Rahmen des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 eingeführte Vorschrift soll verhindern, dass insbesondere Künstler und Sportler durch die Zwischenschaltung einer ausländischen Kapitalgesellschaft ihre inländische Steuerpflicht umgehen können.S. 9

Ausländische Arbeitnehmer erzielen unabhängig von ihrer Aufenthaltsdauer inländische Einkünfte, wenn sie sich zur Ausübung im Inland aufhalten oder ihre Auslandstätigkeit durch eine zusätzliche Handlung einer gesonderten Verwertung im Inland zuführen (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG). Jeder ausländische Fußballspieler einer inländischen oder ausländischen Mannschaft erzielt insoweit inländische Einkünfte, wie das einzelne Spiel im Inland stattfindet (z. B. Champions-League, UEFA-Cup, Freundschaftsspiel).

Daneben ist Arbeitslohn für eine aktive oder frühere Tätigkeit aus einer öffentlichen Kasse immer inländisch (§ 49 Abs. 1 Nr.  4 Buchst. b EStG), egal, welche Staatsangehörigkeit der Steuerausländer hat und ob er jemals im Inland war. Hierbei ist zu beachten, dass aus einer öffentlichen Kasse im Sinne dieser Regelung nicht nur Beamte und Soldaten, sondern auch Künstler bezahlt werden können, da auch die staatlichen und kommunalen Theater, Opernhäuser etc. ein Teil einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sind. Zudem gehören auch die großen Religionsgemeinschaften wie die Evangelische und die Katholische Kirche zu den öffentlichen Kassen.

Beispiel 2
Die Oper Bonn engagiert eine in Frankreich ansässige Sopranistin für eine gesamte Spielzeit. In dieser Spielzeit wird ein Gastspiel in Hongkong (kein DBA) gegeben.

Da die Oper Bonn als öffentliche Kasse einzustufen ist, erzielt die französische Sopranistin inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. von § 49 Abs. 1 Nr.  4 Buchst. b EStG. Die Oper Bonn hat insoweit Lohnsteuer an das für sie zuständige Finanzamt abzuführen. (Nach dem DBA Frankreich hat Deutschland insoweit auch das Besteuerungsrecht. Vgl. Kapitel F und Anlage 1 in Kapitel G.)

GeschäftsführerProkuristen und Vorstandsmitglieder von Gesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland erzielen ebenfalls unabhängig vom Ort ihrer Tätigkeit immer inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr.  4 Buchst. c) EStG.

Beispiel 3
G mit Wohnsitz in Polen ist als einer von zwei Geschäftsführern der Festival-GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in Frankfurt (Oder) angestellt. Er kümmert sich vordringlich um die Auswahl und den Vertragsabschluss ausländischer Künstler für verschiedene Festivals im In- und Ausland. Mit seinem Arbeitgeber konferiert er nur per Internet oder Handy und hat sich noch nie in Deutschland physisch aufgehalten.

Da er Geschäftsführer einer inländischen Körperschaft ist, erzielt er insoweit ausschließlich inländische Einkünfte, auch wenn er sich nur im Ausland aufhält. Sein Lohn unterliegt in voller Höhe dem deutschen Lohnsteuerabzug.

Durch die Einfügung20 von § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG wird klargestellt, dass auch Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer für eine frühere inländische Tätigkeit als inländische Einkünfte zu erfassen sind.

Fundstelle(n):
NWB MAAAH-63529


1 Vorgängervereinigung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

2 Vgl. Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar (Online-Stand: Juni 2020), Rz. 5 zu Art. 17 OECD-MA.

3 Vgl. Art. 17 Abs. 2 OECD-MA (enthalten seit 1977).

4 Vgl. EuGH, Urteil v. 12.6.2003 - Rs. C-234/01 „Gerritse“, BStBl 2003 II S. 859); EuGH, Urteil v. 3.10.2006 C-290/04 „Scorpio“, BStBl 2007 II S. 352); EuGH, Urteil v. 15.2.2007 - C-345/04 „Centro Equestre”, DB 2007 S. 832.

5 Vgl. EU-Kommission, Pressemitteilungen v. 31.1.2008 - IP/08/144 und v. 26 3 2007 - IP/ 07/ 413 – Az. des Verfahrens: 1999/4852.

6 Vgl. BMF, Schreiben v. 3.11.2003 - IV A 5 - S 2411 - 26/03, BStBl 2003 I S. 553 und v. 5.4.2007 - IV C 8 - S 2411/07/0002, BStBl 2007 I S. 449.

7 JStG 2009 v. 19.12.2008, BGBl 2008 I 2008 S. 2794 (Art. 1 Nr. 34 -37 und Art. 2 Nr. 2 – 7).

8 Vgl. § 52 Abs. 58a EStG.

9 BGBl 2009 I 2009 S. 2702, BStBl 2009 I 2009 S. 866.

10 Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für das Steuerabzugs- und Veranlagungsverfahren nach den §§ 50 und 50a des Einkommensteuergesetzes auf das Bundeszentralamt für Steuern und zur Regelung verschiedener Anwendungszeitpunkte v. 7.6.2013, BR-Drucks. 329/13, S. 1-7.

11 Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 25.7.2014, BGBl 2014 I 2014 S. 1266.

12 EuGH, Urteil v. 19.6.2014 - Rs. C-53/13 „Strojírny Prostějov“ a. s. und C-80/13 „ACO Industries Tábor“ s. r. o., IStR 2014 S. 630.

13 BMF, Schreiben v. 17.6.2014 - IV C 3-S 2303/10/10002, BStBl 2014 I S. 887.

14 Vgl. Art. 3 Nr. 9 StÄndG 2015, BGBl 2015 I S. 1835, anzuwenden ab 1.1.2016 und in allen noch offenen Fällen (Art. 3 Nr. 10 Buchst. e StÄndG 2015.

15 BMF, Schreiben v. 13.11.2019 - IV C 5 - S 2300/19/10009:003, BStBl 2019 I S. 1082.

16 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl 2019 I 2019 S. 2451.

17 Vgl. § 73e Satz 6 EStDV.

18 Vgl. R 49.1 Abs. 3 EStR.

19 Tz. 2.1. des BMF, Schreibens v. 25.11.2010, BStBl 2010 I 2010 S. 1350.

20 StÄndG 2003 v. 15.12.2003, BGBl 2003 I S. 2645, vgl. BT-Drucksache 14/1798 S. 6.


Ausländische Künstler und Sportler im Steuerrecht

Praktikerhandbuch für Darbietungseinkünfte und Rechteüberlassungen von Diplom-Finanzwirt Jörg Holthaus

3. aktualisierte und erweiterte Auflage. 2020. XXX, 357 Seiten. Gebunden.
ISBN: 978-3-482-63723-0

Preis: 69,00 €

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