Private Investitionen in Kryptowerte – Ertragsteuerrechtliche Einstufung von Private Keys, Coins und „Kryptowährungen“

In ertragsteuerrechtlicher Hinsicht stellt sich bei einer Investition in Bitcoin & Co. aus Sicht des privaten Investors insbesondere die Frage, ob bzw. inwieweit er in ein Wirtschaftsgut investiert, ihm dieses Wirtschaftsgut zurechenbar ist und in welchen Fällen eine Veräußerung anzunehmen ist.

Den gesetzlichen Anknüpfungspunkt zur Steuerbarkeit liefert hierbei § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i. V. mit § 22 Nr. 2 EStG. Demnach unterliegen private Veräußerungsgeschäfte i. S. des § 23 EStG als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer. Bei Wirtschaftsgütern, die nicht unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (Grundstücke u. Ä.) fallen, sind Veräußerungsgeschäfte gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG solche, bei denen der Zeitraumzwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die Brisanz dieses Themas wird noch dadurch erhöht, dass immer mehr Unternehmen eine Bezahlung mit Bitcoin & Co. zulassen bzw. unterstützen und bei einer Anwendbarkeit von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auch Zahlungsvorgänge innerhalb der Jahresfrist (unerwartete) Steuerbelastungen auslösen könnten, obwohl doch gerade bei der Schaffung von Bitcoin der grenzen- und hürdenlose Zahlungsverkehr der Leitgedanke war.

Kernaussagen

  • Der Private Key dient dem Steuerpflichtigen als netzwerkexterner Wertspeicher und stellt in dieser Eigenschaft ein tatsächlich beherrschbares Wirtschaftsgut i. S. von § 39 AO dar.
  • In den meisten Kryptowährungsnetzwerken herrscht Pseudonymität, einige Kryptowährungen ermöglichen sogar Anonymität. Diese Prinzipien werden nur dann ausgehebelt, wenn der Steuerpflichtige zentralisierte Dienste wie z. B. eine Hot Wallet oder eine Centralized Exchange (CEX) in Anspruch nimmt.
  • Nehmen Steuerpflichtige die Möglichkeit des pseudonymen bzw. anonymen Agierens im Netzwerk wahr, haben sie es in der Hand, den Besteuerungserfolg durch ihre Deklarationstätigkeit zu beeinflussen.
  • Diese Sachlage führt zu einem strukturellen Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Gewinnen, die Steuerpflichtige aus der Veräußerung bzw. dem Tausch von Kryptowährungseinheiten erzielen. Vor diesem Hintergrund ist die Besteuerung solcher Veräußerungsgewinne auf Grundlage von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verfassungswidrig.

Zusammenfassung

Die wirtschaftliche Relevanz des Themas „Kryptowährungen“ entwickelt sich exponentiell. Neben institutionellen Investoren versuchen auch viele Privatinvestoren auf den Zug aufzuspringen und in Bitcoin & Co. zu investieren und haben auf diese Weise teilweise bereits beachtliche Gewinne realisiert. Die Frage, ob diese Gewinne zu versteuern sind, wird weitgehend unter Verweis auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bejaht. Man habe ja schließlich Bitcoins & Co., und damit Wirtschaftsgüter, angeschafft und wieder veräußert. Geschieht dies innerhalb eines Jahres, handele es sich um ein steuerbares Spekulationsgeschäft. Neben Bitcoin soll diese Aussage zudem auch auf alle anderen „Kryptowährungen“ übertragbar sein. Die Frage, was Coins tatsächlich sind und ob ein Steuerpflichtiger überhaupt Coins derart anschaffen kann, dass ihm diese Coins für steuerrechtliche Zwecke wirtschaftlich zuzurechnen sind, wird verbreitet gar nicht erst thematisiert. 

Die Hürde, die entscheidenden technischen Aspekte nachzuvollziehen und steuerrechtlich einzuordnen, mag höher sein als bei sonstigen Transaktionen in der physischen Welt, ist aber genauso unentbehrlich. Coins, also Ketten von digitalen Signaturen, die im Rahmen einer Transaction fortgeschrieben werden können, stellen nach der hier vertretenen Auffassung keine Wirtschaftsgüter dar, die dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden und von diesem veräußert werden können. Vergleichbar mit einem Registereintrag stellen Coins vielmehr Instrumentarien eines dezentralisierten Kassenbuchs dar, über die eine Person nicht die tatsächliche Herrschaft erlangen kann. Auch werden keine Forderungen oder sonstigen Rechte transferiert, die gegenüber einer anderen Person geltend gemacht werden könnten.

Tatsächliche Herrschaft kann der Investor jedoch über den Private Key erlangen. Über diesen kann und sollte er die Herrschaftsmacht behalten, denn durch den Private Key erhält er die Möglichkeit, Transaktionen zu veranlassen. Der Umfang des Transaktionspotenzials bestimmt den Wert des Private Key. Die entgeltliche Abgabe dieses Wertpotenzials stellt nach der hier vertretenen Ansicht einen veräußerungsgleichen Vorgang dar, der bei Unterschreitung der in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Jahresfrist grundsätzlich einen steuerbaren Vorgang darstellt.

Auf dieser gesetzlichen Basis einen Besteuerungsanspruch zu stellen, würde nach der hier vertretenen Auffassung jedoch zu einem Vollzugsdefizit führen. So führen die wesentlichen Prinzipien der Pseudonymität und (in manchen Fällen sogar) der Anonymität dazu, dass eine gleichmäßige Besteuerung nur dann gewährleistet werden kann, wenn die Steuerpflichtigen insoweit ihren Erklärungspflichten ordnungsgemäß nachkommen. Bei dem Versuch, die für die Besteuerung erheblichen Informationen im Peer-to-Peer-Netzwerk ohne Mithilfe der Steuerpflichtigen zu ermitteln, sähe sich das Finanzamt einer ungewohnten Gleichstellungmit allen anderen Netzwerkteilnehmern ausgesetzt. Das Instrumentarium der AO versagt in diesen Fällen. Da viele Netzwerke, wie z. B. das Bitcoin-Netzwerk, zwar transparent sind, könnten grundsätzlich relevante Vorgänge vielleicht noch identifiziert werden. Der hinter dem Public Key stehende Steuerpflichtige, also der Inhaber des Private Key, kann sich durch sein Pseudonym jedoch effektiv abschirmen bzw. bleibt anonym.

Höchstrichterliche Entscheidungen zu diesem Thema wären zugunsten der Rechtssicherheit wünschenswert. Bis dahin dürfte die Finanzverwaltung von steuerbaren Spekulationsgeschäften ausgehen. Akute Veranlagungsverfahren sollten von den Beratern offengehalten werden. De lege ferenda könnte eine Reaktion des Gesetzgebers Klarheit schaffen. Um einen verfassungswidrigen Zustand zu vermeiden, dürfte diese Reaktion aus den dargelegten Gründen jedoch nicht in der Aufnahme eines neuen Besteuerungstatbestandes bestehen.

 

Der Text ist ein Auszug aus dem Beitrag von Dr. Steffen Kranz, LL.M. aus dem Beitrag Private Investitionen in Kryptowerte – Teil 2: Ertragsteuerrechtliche Einstufung von Private Keys, Coins und „Kryptowährungen“.

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