Rückwirkende Rechnungsberichtigung: Müssen Steuerberater weiterhin Rechnungen der Mandanten prüfen?
RECHNUNGSKORREKTUR
Die Rechnungsberichtigung bestimmt sich generell nach § 14 Abs. 6 UStG i. V. mit § 31 Abs. 5 UStDV. Eine explizite Sonderregelung besteht für die Berichtigungen eines unrichtigen bzw. unberechtigten Steuerausweises nach § 14c UStG. Der Begriff der Rechnungsberichtigung umfasst sowohl die Korrektur fehlerhafter Angaben, als auch eine Ergänzung bislang fehlender Angaben. Die Berichtigung muss durch den Aussteller der fehlerhaften Rechnung erfolgen. Neben diesem persönlichen Kriterium sind vor allem sachliche Kriterien bei der Rechnungsberichtigung zu beachten. So müssen nach § 31 Abs. 5 UStDV bei der Berichtigung nur die tatsächlich unzutreffenden Angaben korrigiert werden. Folglich kann die Korrektur auch auf einem gesonderten Dokument erfolgen, welches auf die ursprüngliche Rechnung verweist.
"Bei einer Stornierung der fehlerhaften Rechnung und Erteilung einer neuen, berichtigten Rechnung geht die Korrektur damit über das erforderliche Maß hinaus, führt aber ebenso zu einer im Ergebnis ordnungsmäßigen Rechnung."
Für die Berichtigung der Rechnung ist die Schriftform zu wahren. Eine gesetzliche Frist für die Berichtigung einer Rechnung besteht nicht. Zwar verfristet der Anspruch des Rechnungsempfängers in Ermangelung spezialgesetzlicher Regelungen mit Ablauf von drei Jahren nach §§ 194 Abs. 1, 195 BGB, jedoch ist auch danach die Berichtigung, die Einlassung des Rechnungserstellers vorausgesetzt, jederzeit möglich.
RÜCKWIRKUNG
Die lediglich in die Zukunft gerichtete Wirkung einer Rechnungskorrektur stand hierzulande ursprünglich lange Jahre außer Streit. Seit dem Jahr 2010 jedoch, genauer seit der fast schon legendären EuGH-Entscheidung in der Rs. Pannon Gép, wurde die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung kontrovers diskutiert. Zuvor ging man – auch wegen der früher ergangenen Rechtsprechung in Sachen Terra Baubedarf – ausnahmslos davon aus, dass die Korrektur erst im Zeitpunkt der Durchführung Wirkung entfaltet. Die Interpretation der Pannon Gép-Entscheidung war jedoch sehr uneinheitlich, so dass anschließend eine kaum mehr zu überblickende Vielzahl von kontroversen Stellungnahmen zum Thema entstand.
"In der Senatex-Entscheidung stellt der EuGH dann mehr als sechs Jahre später klar, dass zwar nicht aus der Rs. Pannon Gép, aber aus den tragenden Grundsätzen der Mehrwertsteuer eine Rückwirkung der Rechnungskorrektur folge."
Dies gelte jedenfalls dann, wenn eine berichtigungsfähige Rechnung vorliegt. Dem schloss sich der BFH bereits an. Als Folge daraus entfällt das leidige Problem der Vorsteuerverzinsung nach Außen- und Sonderprüfungen. Die Finanzverwaltung hat sich bislang nicht positioniert.
RECHNUNGSPRÜFUNG
Damit werden die Unternehmerpflichten bei der Prüfung von Eingangsrechnungen auf den ersten Blick entschärft. Folglich stellt sich auch die Frage nach den Auswirkungen auf die Prüfungspflichten des Steuerberaters. Denn viele generalistische Steuerberater erzielen einen Großteil ihres Umsatzes aus Buchführungsarbeiten. Dabei gelangen ihnen bzw. den Mitarbeiter die Eingangsrechnungen des Mandanten notwendigerweise zur Kenntnis.
"Unter Rückgriff auf § 33 StBerG ist davon auszugehen, dass insoweit auch eine Prüfungspflicht besteht. Denn für den Steuerpflichtigen ist der Vorsteuerabzug eine essentielle Rechtsposition. Er wird regelmäßig davon ausgehen, auf mögliche rechtliche Risiken hingewiesen zu werden."
Nicht zu unterschätzen ist dabei der Umstand, dass haftungsrechtliche Streitigkeiten im Ernstfall vor den Zivilgerichten landen, wo vor allem unterinstanzlich nicht immer überzeugende Entscheidungen gefällt werden.
Das gleiche Problem ergibt sich im Ergebnis für die Ausgangsrechnungen. Hier können Abrechnungsfehler zu einer bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeit führen. Bislang greift die Finanzverwaltung in der Praxis solche Fälle kaum auf. Das könnte sich in der Post-Senatex-Ära allerdings schnell ändern, nachdem auf der Eingangsseite das Mehrergebnis aus Außen- und Sonderprüfungen künftig beachtlich schwinden dürfte.
HAFTUNGSERLEICHTERUNG
Greift die rückwirkende Rechnungskorrektur, hat dies auch eine Haftungsbegrenzung des Steuerberaters zur Folge. Zu einer echten Haftungserleichterung führt die neue Rechtslage dennoch nicht. Denn in der Praxis wird die Rückwirkung oder auch die Rechnungskorrektur überhaupt häufiger scheitern.
Gänzlich ausgenommen von der Rückwirkung sind beispielsweise Fehler im Zusammenhang mit dem Steuerausweis. Hier richtet sich die Korrektur nach der Spezialnorm des § 14c UStG. Und zumindest für die Korrektur nach § 14c Abs. 1 UStG hat der BFH in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden, dass eine Korrektur unter keinen Umständen zurückwirkt. Für das Korrekturverfahren nach § 14c Abs. 2 UStG erscheint Gleiches noch nicht abschließend geklärt. In der Praxis kommt dieses Verfahren allerdings ohnehin nur selten zur Anwendung.
"Überhaupt sind auch andere Rechnungsfehler nicht immer rückwirkend korrekturfähig. So muss der Mindestinhalt in der zu berichtigenden Rechnung zumindest rudimentär aufgeführt werden (Rumpfrechnung), um eine rückwirkende Rechnungskorrektur zu ermöglichen."
Fehlt eines der Kernmerkmale (Beteiligte, Leistungsbeschreibung, Rechnungs- und Steuerbetrag), scheitert die Rückwirkung stets. Auch das hat die unterinstanzliche Rechtsprechung bereits zutreffend klargestellt.
Zudem können auch rein technische Hindernisse der Rechnungskorrektur entgegenstehen. So kann sich der Rechnungsaussteller etwa nach drei Jahren schlicht auf Verjährung berufen und muss dann überhaupt keine Rechnungskorrektur mehr vornehmen. Vor einem ähnlichen Problem steht der Rechnungsempfänger, wenn den Aussteller die Insolvenz ereilt hat, oder er aus sonstigen Gründen nicht mehr greifbar ist. Gelingt die Rechnungskorrektur nicht, droht weiterhin die Versagung des Vorsteuerabzugs. Theoretisch ist nach der neuesten EuGH-Rechtsprechung zwar auch der Vorsteuerabzug ohne korrekte Rechnung möglich. Dabei handelt es sich jedoch um eine absolute Ausnahmeregelung, auf die man in der Praxis wohl kaum zurückgreifen können wird.
Hinsichtlich fehlerhafter Ausgangsrechnungen bringt einen die Korrektur auch nicht sehr viel weiter. Nimmt die Finanzverwaltung tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit an, kann dieser Vorwurf nicht rückwirkend geheilt werden.
PRAXISHINWEISE
- Die Senatex-Entscheidung ist kein Allheilmittel für Rechnungsfehler. Mandanten sollten auf mögliche Probleme hingewiesen werden.
- Den Mandanten trifft bei Schäden aus Rechnungsfehlern prinzipiell ein Mitverschulden. Empfehlenswert ist daher der unmissverständliche Hinweis, dass vor allem die Prüfung von Eingangsrechnungen in seinem Eigeninteresse ist.
- Bei der Prüfung von Ein- und Ausgangsrechnung durch den Steuerberater ist dennoch rein haftungsrechtlich weiterhin ein hoher Sorgfaltsmaßstab an den Tag zu legen.
- Die vollständige Prüfung aller Rechnungen kann in der Praxis regelmäßig gar nicht geleistet werden. Im Auftrag sollte daher der Umfang der Prüfung individual-vertraglich begrenzt werden (z. B. Stichprobe, Prüfung ab Mindestrechnungsbetrag). Von AGB-Klauseln ist abzuraten.
- Die Prüfung von Rechnungen sollte revisionssicher dokumentiert werden. Anderenfalls drohen Schwierigkeiten mit der Berufshaftpflichtversicherung, falls es tatsächlich zum Haftungsfall kommen sollte.
Von Matthias Trinks, Dipl.-Jur., BScBA
Er ist Mitarbeiter der WD Treuhand GmbH Wirtschaftsberatung StBG in Eisenhüttenstadt.
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