Trainer, Spieler – oder beides

Steuerberater erbringen einerseits selbst abrechenbare Leistungen, übernehmen andererseits aber mit wachsender Kanzleigröße zunehmend Führungs- und Managementaufgaben. Wie stark jeweils die Gewichtung der beiden Rollen ist, hängt von den Vorlieben eines Steuerberaters ab - und bestimmt maßgeblich die Produktivität seiner Kanzlei.

Von den Arbeitszeiten von Steuerberater Mario Tutas aus Cuxhaven können die meisten anderen Steuerberater nur träumen: Der 40-Jährige hat sich bewusst vom Typ „Spieler“ zum „Trainer“ entwickelt und das Führen seiner Kanzlei mit 20 Mitarbeitern immer weiter optimiert. Mittlerweile arbeitet er nur noch dreieinhalb Tage pro Woche, also rund 28 Stunden. In dieser Zeit verteilt sich seine Tätigkeit zur Hälfte auf eigene produktive Arbeit: Der Chef berät ausschließlich Unternehmen in speziellen betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Fragen und betreut Betriebsprüfungen. „Das mache ich beides gerne, außerdem lohnen sich solche Mandate aufgrund der hohen abrechenbaren Stundensätze natürlich besonders“, sagt der 40-Jährige. Die andere Hälfte seiner Arbeitszeit verwendet er auf das Management und verbliebene Kontrolltätigkeiten. Arbeiten wie die Erstellung von Jahresabschlüssen und das Deklarationsgeschäft überlässt er komplett seinen Mitarbeitern, insgesamt hat er den Umfang der eigenen, abrechenbaren Leistungen im Laufe der Jahre konsequent zurückgefahren.

Damit hat Tutas bezogen auf die Produktivität seiner Kanzlei alles richtig gemacht. Denn bei einer klassischen, breit aufgestellten Steuerberatungskanzlei lohnt es sich für den Steuerberater, in erster Linie Chef zu sein und seine Angestellten den Umsatz machen zu lassen. „In diesem Fall verdient der Steuerberater dann am besten, wenn seine Mitarbeiter besonders produktiv arbeiten“, sagt Kanzleiberater Josef Weigert. Heißt: Der Steuerberater sollte einen möglichst großen Teil seiner Arbeitszeit darauf verwenden, seine Mitarbeiter zu führen, bei Bedarf zu coachen und interne Prozesse und Abläufe zu optimieren. „Entsprechend sollte er wenig Eigenumsatz erbringen“, sagt Weigert.

Mehr Umsatz – mehr Unternehmertum
Je kleiner die Kanzlei, desto größer ist freilich der Anteil des eigenen Umsatzanteils des Steuerberaters. Mit zunehmender Mitarbeiterzahl sollte er weniger selbst produktiv arbeiten, damit Zeit für die Chefaufgaben bleibt. Als Faustregel gilt: Bei sieben bis zehn Vollzeitmitarbeitern und einer Million Euro Jahresumsatz sollte der Steuerberater nur noch maximal 20 Prozent seiner Arbeit selbst produktiv arbeiten und 80 Prozent darauf verwenden, Unternehmer zu sein und die Arbeit seiner Angestellten zu optimieren. „Das ist häufig ein Problem, weil viele Steuerberater gerade fachlich gut sind und nie gelernt haben, Unternehmer und Chef zu sein“, sagt der Kanzleiberater. „Das ist aber wichtig, wenn eine Kanzlei produktiv sein soll. Die eigene fachliche Arbeit des Steuerberaters lohnt sich ab einer bestimmten Kanzleigröße schlicht nicht mehr.“ Was passiert also, wenn ein Steuerberater nicht entsprechend handelt? „Die Arbeitszeit, der Umsatz und die Verantwortung wachsen, aber unterm Strich bleibt für den Steuerberater nicht mehr übrig, seine Produktivität sinkt“, warnt Weigert.

Und obendrein auch die Arbeitszufriedenheit des Steuerberaters, weiß Berufsträger Tutas aus eigener Erfahrung. Für ihn hat sich die stärkere Betonung der Trainerrolle spürbar gelohnt: Früher hat er selbst viel fachlich gearbeitet und Umsatz gemacht, plus Chefaufgaben obendrein arbeitete er unterm Strich regelmäßig sieben Tage pro Woche, „immer mit dem Gefühl, hinten dran zu sein“. Die Kanzlei war in den Anfangsjahren stark gewachsen, bereits vier Jahre nach der Gründung knackte Tutas die Umsatzmillion. „Ich war selbst das Nadelöhr für die Arbeitsabläufe in meiner Kanzlei geworden“, erinnert sich der Inhaber. Eines Tages saß er wieder einmal sonntags vor einem Berg von Papier und dachte: „Ich würde jemandem Geld dafür geben, wenn er diese Arbeit für mich erledigt.“ Wenig später begann Tutas damit, seine Kanzlei umzuorganisieren und mehr Arbeit, zum Beispiel in Form von Eigenkontrolle und Mandantenbetreuung, an seine Angestellten zu delegieren. Heute setzt er mit 20 Mitarbeitern, die wegen Teilzeitarbeit 10,5 Vollzeitäquivalenten entsprechen, pro Jahr 1,5 Millionen Euro um. Seine eigene Produktivität, gemessen als Gesamtertrag der Kanzlei pro Arbeitsstunde des Chefs, hat sich im Laufe der vergangenen sieben Jahre vervierfacht: „Ich arbeite nur noch halb so viel und verdiene das Doppelte“, bilanziert Tutas.

Dass er mittlerweile mit etwas mehr als eineinhalb Tagen Führungsarbeit pro Woche auskommt, liegt an der ausgeprägten Selbstständigkeit, mit der er seine Angestellten arbeiten lässt – Tutas versteht sich als Trainer, der die strategische Marschrichtung eingehend einstudiert und die Mannschaft dann laufen lässt, statt ständig an der Außenlinie einzugreifen. „Die Eigenverantwortung der Mitarbeiter ist der Schlüssel zu einer produktiv arbeitenden Kanzlei“, ist Tutas überzeugt. Die fällt allerdings nicht vom Himmel, der Weg zu dezentralen Entscheidungen und Prozessen ist lang und fordert vom Chef laut Tutas vor allem zweierlei: Das eigene Selbstverständnis des unersetzbaren Alleskönners abzulegen und die Konsequenz, sich diese Rolle im täglichen Umgang mit den Angestellten nicht wieder aufdrücken zu lassen. „Es passiert gerade bei der Einführung von eigenverantwortlichem Arbeiten immer wieder, dass Mitarbeiter zum Chef kommen, und sich das ein oder andere absegnen zu lassen oder mal eben etwas fragen zu wollen“, sagt Tutas, der mittlerweile auch andere Steuerberater beim Umstrukturieren ihrer Kanzlei berät. „In dem Moment ist es der erste Reflex des Chefs, über die Unterlagen drüberzuschauen und sein Okay zu geben oder die Frage zu beantworten.“ Damit ist das Thema schließlich schnell und einfach erledigt. „Genau das ist aber falsch, weil damit wieder alte, zentralisierte Prozesse zementiert werden, bei denen eben doch alles über den Tisch des Chefs geht“, sagt Tutas.

Stattdessen sollte der Chef seinem Mitarbeiter Gegenfragen stellen und ihn damit an der Lösung seines Problems beteiligen. Und ihm die Verantwortung für seine Arbeit nicht abnehmen. „Wenn man die Produktivität der Mitarbeiter und damit der gesamten Kanzlei steigern will, muss man ihnen vertrauen können“, sagt Tutas. Und damit leben können, dass auch mal ein Fehler passiert. Der unterläuft schließlich auch dem Chef höchstpersönlich dann und wann. Wenn Mitarbeiter Fehler machen, ist häufig die Angst da, dass das nur die Spitze des Eisbergs war und tatsächlich noch viel mehr schiefläuft. „Ich muss als Chef sicherstellen können, dass ein Fehler ein einmaliges Zufallsprodukt war und kein strukturelles Problem. Das kann ich am besten mit guten Mitarbeitern.“

Personalfragen werden immer wichtiger
Das Personalrecruiting zählt deshalb zu den wichtigsten Disziplinen des Chefs: „Ich brauche Leute, die eigenverantwortlich handeln und nicht nur Häkchen machen wollen.“ Probleme, solche Mitarbeiter angesichts des Fachkräftemangels zu finden, habe er nicht. Einer der Gründe: Gute Leute können bei Tutas gutes Geld verdienen. Der Chef hat ein Bonussystem eingeführt, bei dem die Mitarbeiter zusätzlich zum Fixgehalt einen Belohnungsanteil obendrauf bekommen, der sich an ihrer Produktivität bemisst – der beste Mitarbeiter hat in einem Jahr sechs Monatsgehälter zusätzlich bekommen. „Wir können Mitarbeiter schließlich nicht zu unternehmerischem Handeln anhalten, ohne sie auch spürbar am Erfolg zu beteiligen.“ Wie produktiv die Mitarbeiter sind, können sie jeden Monat selbst anhand einer eigenen Monats-BWA sehen, die auf dem jeweils erreichten Umsatz basiert. Dabei können sie auch interne Tätigkeiten aufschreiben, die der Chef zuvor mit einem bestimmten Budget vergeben hat – je schneller der Job erledigt ist, desto höher ist auch hier die Produktivität.

Spezialisten sollten produktiv tätig sein
Viele Steuerberater wollen aber lieber selbst Spieler sein, also fachlich arbeiten und ihre eigenen Leistungen abrechnen. Solche Kanzleien arbeiten dann besonders produktiv, wenn sich der Steuerberater auf einem einträglichen Gebiet spezialisiert hat und entsprechend hohe Stundensätze abrechnen kann. „Bei solchen fachlichen Experten lohnt die eigene Arbeit natürlich deutlich mehr, entsprechend kann der Anteil der eigenen produktiven Arbeit dann spürbar höher sein“, sagt Weigert. Zudem kann ein Bürovorsteher oder Manager den Steuerberater unterstützen und ihm zumindest teilweise die Chefaufgaben abnehmen. „Diese Konstellation ist sicherlich eine Alternative, in der Praxis aber eher selten, weil man für einen solchen Job einfach den richtigen Menschen finden muss“, sagt Weigert.

Steuerberater Georg Spitz aus dem bayerischen Neumarkt ist genau diesen Weg gegangen: Er arbeitet größtenteils selbst produktiv. Rund 200 Stunden pro Monat arbeitet er insgesamt, davon entfallen 110 bis 125 Stunden auf eigene, abrechenbare Leistungen, durchschnittlich rund 80 Stunden pro Monat verwendet er entsprechend auf Cheftätigkeiten wie Delegieren, Kontrollieren und Akquirieren. Spitz betreut vor allem große Mittelständler bei betriebswirtschaftlichen Fragen etwa bei anstehenden Großinvestitionen und Kalkulationen sowie bei Betriebsprüfungen. Er hat lange Jahre im Controlling bei großen Firmen gearbeitet, hat entsprechendes Spezialwissen. Die abrechenbaren Stundensätze liegen deshalb häufig am oberen Ende der Gebührenordnung und darüber, entsprechend produktiv arbeitet der Chef bei den selbst abrechenbaren Leistungen. „Obendrein erwarten diese Mandanten auch, dass ich sie persönlich betreue“, sagt Spitz.

Damit die Kanzlei auch ohne ständige Präsenz des Chefs gut läuft und die Produktivität der Angestellten stimmt, hat Spitz eine Mitarbeiterin als Büroleiterin installiert. Sie nimmt ihm viele Aufgaben ab, die der Chef ansonsten selbst erledigen müsste: Sie schreibt Rechnungen, hat das Mahnwesen im Blick, übernimmt in einigen Bereichen das Qualitätsmanagement, klärt Personalfragen: „Und sie ist obendrein die gute Seele des Büros“, sagt Spitz. Die Deckungsbeiträge der einzelnen Mitarbeiter hat er schon heute im Blick, sein Fokus liegt aber nicht so sehr darauf, deren Produktivität zu maximieren. „Für mich ist das vor allem eine Absicherung, damit die die Kanzlei auch dann Deckungsbeiträge erwirtschaftet, wenn ich einmal vorübergehend ausfalle“, sagt Spitz.

Außerdem ist die Produktivität bei regelmäßig anfallenden Arbeiten der Angestellten wie zum Beispiel Lohnabrechnungen und Jahresabschlusserstellung konstanter als bei Spitz, dessen Mandate häufig Projektgeschäft sind. „Das ist einfach eine Mischkalkulation“, sagt Spitz. Auf Dauer kann sich der Steuerberater aber gut vorstellen, dass er weniger die Rolle seines eigenen besten Mitarbeiters ausfüllt und künftig mehr Chefaufgaben übernimmt. „Ich muss nicht mein ganzes Leben lang 200 Stunden im Monat arbeiten“, sagt der 48-Jährige. „Weniger arbeiten geht aber bei gleichem Ertrag nur, wenn die Produktivität der Mitarbeiter steigt“, sagt Spitz. „Das wird aber nicht von heute auf morgen funktionieren, ich denke, dieser Prozess wird viele Jahre dauern und am besten Schritt für Schritt zu realisieren sein. Und bei mir ist das Schmerzensgeld halt ziemlich gut dotiert, entsprechend schwer fällt die Entscheidung, selbst weniger Großmandate zu übernehmen und mich dafür mehr um die Führung der Mitarbeiter und damit der Steigerung von deren Produktivität zu kümmern. Aber früher oder später werde ich diesen Weg gehen.“

Generalisten sollten vorsichtig wachsen
Steuerberater, die als Generalisten überwiegend fachlich arbeiten und gleichzeitig die Produktivität der gesamten Kanzlei nicht aus dem Auge verlieren wollen, können vor allem eines tun: Sich auf wenige Mitarbeiter beschränken und ihre Kanzlei nicht zu groß werden lassen. Ansonsten droht die Arbeit irgendwann auszuufern, Abläufe ineffizient zu werden und die Produktivität der Kanzlei schließlich zu sinken – obwohl die Umsätze steigen und der Laden auf den ersten Blick gut läuft. Steuerberater Andreas Günther aus Göttingen kennt das Spiel aus eigener Erfahrung: Seine Einzelkanzlei wuchs über viele Jahre, immer mehr Mandanten waren zu ihm gekommen, entsprechend war die Zahl der Mitarbeiter und der Umsatz über viele Jahre immer weiter angestiegen. Das Problem: Die internen Strukturen passten irgendwann nicht mehr zur Größe der Kanzlei.

Günther verwendete zwar rund 60 Prozent seiner Zeit auf die Trainer-Rolle, delegierte und korrigierte Arbeit wo nötig, führte und beaufsichtigte seine Mitarbeiter, investierte und koordinierte Schulungen für deren Aus- und Fortbildung. Für seine eigene Spieler-Rolle blieb immer weniger Raum, die 40 Prozent eigene fachliche, abrechenbare Leistung waren ihm damals eigentlich schon zu wenig. Zumal sich das Kanzleiwachstum für ihn nicht lohnte: Der Umsatz wuchs zwar mit der Zahl der Mitarbeiter und Mandate, „unterm Strich blieb aber nicht mehr übrig“, sagt Günther. „Die Kanzlei war einfach zu groß geworden, um sie alleine zu führen. Und eine zweite Führungsebene wollte ich nicht, weil ich früher bei einer anderen Kanzlei mitbekommen habe, dass so etwas auch ziemlich schief gehen kann.“ Weiteres Problem: „Die Stimmung in der Kanzlei war irgendwann nicht mehr die Beste“, sagt der Steuerberater selbstkritisch. „Es gab zu viele Differenzen unter den Mitarbeitern, auch das hat viel Produktivität gekostet.“

Der heute 63-Jährige entschloss sich deshalb vor zehn Jahren, die Kanzlei neu auszurichten und grundlegend umzubauen – und, ganz entscheidend: zu verkleinern. „Mir war irgendwann klar, dass ich die Kanzlei so nicht weiterführen möchte“, erzählt Günther. Also schrumpfte er die Kanzlei, sortierte ertragsschwache Mandate aus, trennte sich von Mitarbeitern. „Das war schon ein starker Einschnitt und großes Stück Arbeit“, sagt Günther. Rund ein Jahr lang baute er die Kanzlei neben dem Alltagsgeschäft um, verzichtete auf Urlaub, arbeitete 70 Stunden pro Woche. Doch der Aufwand hat sich gelohnt, seitdem arbeitet Günthers Kanzlei spürbar produktiver als früher: Seine Arbeitsbelastung von rund 50 Wochenstunden ist gleich geblieben wie vor der Umstrukturierung, dafür ist die Ertragsstärke der Kanzlei um 20 Prozent gewachsen.

Gründe dafür: Zum einen hat sich der Anteil von Trainer- zu Spieler-Rolle an seiner Arbeit genau umgekehrt auf heute 40 zu 60. Günther arbeitet also deutlich mehr selbst produktiv als früher. „Ich habe mehr Zeit und Freiraum für meine eigene produktive Arbeit und kann mich viel stärker als früher darum kümmern, ertragsstarke Beratungsmandate auszubauen“, sagt Günther. Außerdem ist die Produktivität der verbliebenen Mitarbeiter pro Kopf deutlich höher als zu früheren Zeiten. Sieben Mitarbeiter beschäftigt er derzeit, „vielleicht werden es auch mal wieder acht oder neun“, sagt Günther. „Mehr aber bestimmt nicht.“

Spieler oder TrainerAutor: André Schmidt-Carré

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