Tor offen für Minderung der Gewerbemiete (BGH) – Praktische Auswirkungen des BGH-Urteils v. 12.1.2022

Die Frage, ob und inwieweit Mieter von Gewerberäumen in Zeiten der Pandemie ihre Zahlungen kürzen oder gar einstellen können, wenn die Nutzung der Räume nicht im vorgesehenen Maße möglich ist, beschäftigt zahllose Unternehmen und Eigentümer seit März 2020. Im ersten Jahr von COVID-19 sahen die meisten Gerichte das Risiko generell beim Mieter, er müsse zahlen.

Dann griff der Gesetzgeber ein, wollte korrigieren. Art. 240 § 7 EGBGB ordnete an, dass die Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage i. S. von § 313 BGB bewirken kann. Das Beharrungsvermögen mancher Juristen indes ist stärker als bloße Änderungen von Gesetzen. Die Gerichte entschieden auch nach Inkrafttreten des Gesetzes am  recht unterschiedlich. Alle warteten auf ein Machtwort des BGH. Das wurde am  verkündet.

Der BGH stellt Grundsätzliches klar, lässt (auch: wichtige) Einzelheiten offen. Klar ist nun: Auch eine behördliche Schließung bewirkt keinen „Mangel“ des Objekts im mietrechtlichen Sinne (§ 536 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das bedeutet: Die Pflicht der Mieter zur Zahlung wird nicht beendet. Gut für Vermieter. Andererseits: Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.

Die Vorschrift des § 313 BGB hat drei Elemente: Ein reales (haben sich maßgebliche Umstände verändert? Ja, sagt das Gesetz, durch die staatlichen Maßnahmen), ein hypothetisches (hätten die Mietvertragsparteien etwas anderes vereinbart, falls sie die Pandemie und die daraus resultierenden Einschränkungen vorhergesehen hätten? Ja, für ein Ladengeschäft mit Publikumsverkehr und Umsatz hätten sie einen höheren Preis vereinbart als für einen geschlossenen Laden, der allenfalls als Lager genutzt werden kann) und ein normatives. Die ersten beiden Elemente sind in der Praxis ohnehin unproblematisch zu bejahen, so darf man das Urteil lesen. Das normative Element fragt danach, ob einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann. Da wird es kompliziert.

Der BGH klärt: Bei der Pandemie geht es nicht um normale unternehmerische Wagnisse, sondern um ein unvorhergesehenes allgemeines Lebensrisiko. Das ist weder dem Mieter noch dem Vermieter allein zuzuweisen – anders, als es im Jahre 2020 eine vermieterfreundliche Rechtsprechung noch eingeschätzt hatte. Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbiete sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich seien vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls.

Zwei Umstände werden vom BGH ausdrücklich genannt: staatliche Unterstützungsgelder und eine etwaige Betriebsversicherung. Der Mieter muss einerseits darlegen, welche Umsatzeinbuße er erlitten hat. Sie muss nennenswert ausfallen, aber – das war eine wichtige Klarstellung – sie muss kein existenzgefährdendes Ausmaß erreicht haben. Sodann muss er offenlegen, ob er staatliche Hilfen bezogen hat und welche. Bekam er nichts, dann soll er erklären, warum nicht und was er versucht hat. Außerdem muss er Zahlungen von betrieblichen Versicherungen auflisten. Wenn es weitere Besonderheiten gibt, können die auch berücksichtigt werden. Wie genau dann die Anrechnung solcher Einnahmen des Mieters erfolgen soll, ist durchaus nicht eindeutig. Zuschüsse im Frühjahr 2020 hatten gar keinen Bezug zu Ausgaben, November- und Dezemberhilfen hatten ebenfalls nur die Umsatzseite im Visier. Lediglich Überbrückungsgelder weisen eine unmittelbare Verknüpfung mit Kostenpositionen auf. Da, wo schon Geld vom Staat geflossen ist, um 100 % der Miete abzudecken, kann der Mieter natürlich nicht nur 50 % zahlen und am Ende gewinnen. Das war eigentlich schon immer klar. Für das, was übrigbleibt, bietet sich m. E. weiterhin die hälftige Teilung an.

Viele Details werden künftig die Gerichte klären müssen. Eines aber steht fest: Im Regelfall wird dem Mieter, der durch Corona in der Nutzung eingeschränkt war, ein Anspruch zustehen. Und das rückwirkend für die gesamte Zeit der Pandemie seit März 2020.

Autor: Rechtsanwalt Prof. Dr. Volker Römermann

Quelle: NWB TAAAI-01653

Fundstelle(n):
NWB Sanieren Online Beitrag 2022
NWB LAAAI-02444


Im Lockdown mussten zahlreiche Geschäfte schließen. Die Reduzierung von Mietkosten in diesem Zusammenhang führte im Jahr 2020 zu Streitfällen vor Gericht. Diese urteilten, dass das Risiko im Mietverhältnis der Mieter voll tragen muss. Der BGH hat nun am 12. Januar 2022 klargestellt, dass dem Mieter ein Anspruch auf Reduzierung der Miete zustehen kann. Ob und in welcher Höhe die Miete reduziert werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls.

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