Die Stabilisierungsanordnung

Was nicht wackelig ist, muss nicht stabilisiert werden. Die Stabilisierungsanordnung soll während des vorinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahrens Unternehmen vorm Umkippen bewahren. Aber warum können sie umkippen, wenn sie doch schon im Restrukturierungsverfahren sind?

Nun, die Restrukturierung eines Unternehmens erfordert ein Konzept, Planung, Verhandlungen mit den Gläubigern und die Abstimmung über den Restrukturierungsplan; und das kann dauern! Währenddessen wird ein Unternehmen eine Atempause im Geschäftsalltag gut gebrauchen können. Eine Stabilisierungsanordnung gewährt diese, indem sie, auf Antrag des Schuldners beim Restrukturierungsgericht, Vollstreckungs- und Verwertungshandlungen von Gläubigern einschränkt und einige vertragsrechtliche Bestimmungen modifiziert, wenn dies dem Ziel der Restrukturierung dient.

Mit der Stabilisierungsanordnung kann dem Unternehmen folglich die erforderliche Liquidität und/oder der Zugriff auf die für den Geschäftsbetrieb notwendigen Gegenstände für den Sanierungszeitraum gesichert werden. Ein Restrukturierungsverfahren wird u. U. sogar nur dann erfolgreich durchgeführt werden können, wenn parallel mit Anzeige des Restrukturierungsvorhabens auch eine Stabilisierungsanordnung beantragt und vom Restrukturierungsgericht zügig gewährt wird.

Im Gegensatz zum Insolvenzverfahren, wo mit Eröffnung der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse in Besitz nimmt (oder in der Eigenverwaltung die Geschäftsführung durch den Sachwalter überwacht und eingeschränkt wird), bleibt der Schuldner während des Restrukturierungsverfahrens jederzeit im Sattel und damit vollständig verwaltungs- und verfügungsbefugt. Hat der Schuldner also noch die Kontrolle über sich selbst, muss er auch für sich selbst sorgen und die Instrumente des Restrukturierungsrahmens gezielt nutzen.

Checkliste Stabilisierungsanordnung:

  • Die Stabilisierungsanordnung ist eines der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens.
  • Sie wird vom Schuldner beim Restrukturierungsgericht beantragt,
    • d. h., das Restrukturierungsgericht kann nicht von Amts wegen ohne Antrag des Schuldners eine Stabilisierungsanordnung erlassen,
    • die betroffenen Gläubiger werden vorher nicht angehört, weil es eine Eilentscheidung ist,
      • um entweder Maßnahmen zur Zwangsvollstreckung der Gläubiger gegen den Schuldner zu unterbinden oder einstweilen einzustellen (Vollstreckungssperre),
      • und/oder um die Verwertung von beweglichen Gegenständen durch die Gläubiger zu verhindern, und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens eingesetzt werden können, sofern dies nötig ist (Verwertungssperre).
  • Dem Antrag muss der Entwurf eines Restrukturierungsplans oder ein Restrukturierungskonzept sowie eine Finanzplanung für sechs Monate beigefügt werden.
  • Das Restrukturierungsgericht gewährt die Stabilisierungsanordnung, wenn nach Prüfung und Plausibilitätskontrolle die vorgelegte Restrukturierungsplanung vollständig und schlüssig ist und keine Umstände bekannt sind,
    • nach denen die Angaben im Antrag unzutreffend sind,
    • die Restrukturierung aussichtslos ist,
    • dass der Schuldner drohend zahlungsunfähig ist oder
    • dass mit der beantragten Stabilisierungsanordnung das Restrukturierungsziel nicht verwirklicht werden kann.
  • Schlüssig ist die Planung, wenn nicht offensichtlich ist, dass sich das Restrukturierungsziel nicht auf Grundlage der in Aussicht genommenen Maßnahmen erreichen lässt.
  • Weist die Restrukturierungsplanung behebbare Mängel auf, erlässt das Gericht die Anordnung für einen Zeitraum von höchstens 20 Tagen und gibt dem Schuldner auf, die Mängel innerhalb dieses Zeitraums zu beheben.
  • Die Dauer der Stabilisierungsanordnung beträgt maximal drei Monate, u. U. kann sie insgesamt bis zu acht Monate ab dem ersten Antrag dauern, wenn der Restrukturierungsplan von den Planbetroffenen angenommen wurde und dessen Bestätigung/Rechtskraft noch aussteht.
  • Gläubiger werden geschützt durch spezifische Regelungen
    • für Zwangsvollstreckungen in Grundstücke,
    • für Zurückbehaltungsrechte und Kündigungsrechte sowie
    • bezüglich der Verzinsung, Auskehr und Verwahrung von Verwertungserlösen.
  • Die Geschäftsführung des Schuldners haftet, wenn sie eine Stabilisierungsanordnung absichtlich erschleicht oder fahrlässig mit falschen Angaben erlangt.
  • Die Gläubiger werden grundsätzlich im Verfahren über den Antrag auf Anordnung einer Stabilisierungsanordnung nicht formal vom Restrukturierungsgericht angehört,
    • sie können aber Schutzschriften und Gegendarstellungen einreichen.
    • Wird eine Stabilisierungsanordnung jedoch erlassen, können sie, unter Glaubhaftmachung wesentlicher Umstände, die Aufhebung einer Stabilisierungsanordnung beantragen.

Autor

Tom Brägelmann
ist ein international erfahrener Restrukturierungsexperte. Als internationaler Wirtschaftsanwalt ist er, sowohl in Deutschland als auch in den USA als Anwalt zugelassen. Er war auch über drei Jahre als Anwalt für Bankruptcy/Insolvenz- und Urheberrecht in New York City tätig. Tom Brägelmann ist überdies bestens vertraut mit den neuesten technologischen Entwicklungen in der Rechtsberatung, insbesondere mit der weltweiten Digitalisierung des Wirtschaftsrechts. Außerdem fokussiert er sich auf die Anwendung des neuen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens in Deutschland, dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG).

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Herausgegeben von Professor Dr. Volker Römermann, CSP, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht/Insolvenzrecht/Arbeitsrecht.

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