Der Traum von der eigenen Kanzlei – aber wie packe ich das an?

Die Welt der Steuerberaterbranche digitalisiert sich. Veränderungen müssen her. Was bietet sich da besser an, als seine eigene zukunftsorientierte Kanzlei zu gründen?

Die Idee einer eigenen Kanzlei begeistert viele Studienabsolventen der Steuerberaterbranche. Aber dann kommen die Zweifel: Macht die Digitalisierung den Steuerberaterberuf vielleicht irgendwann überflüssig? Wie finanziere ich die Gründungskosten? Habe ich dann überhaupt noch freie Zeit oder verfange ich mich in einer 60-Stunden-Woche? Und kann ich das überhaupt mit meinen Vorerfahrungen? Fragen über Fragen, zu denen es eine einfache Lösung gibt: Erstmal durchatmen und dann anpacken.

Erstmal durchatmen: Auf jede Frage gibt es eine Antwort

Macht die Digitalisierung den Steuerberaterberuf vielleicht irgendwann überflüssig?

Die Digitalisierung wird die Steuerberatungsbranche nicht ersetzen, aber verändern. Statt dies als Bedrohung zu sehen, sollte man lieber die darin liegenden Chancen erkennen, gerade als Neugründer. Viele alteingesessene Kanzleien sind in weitgehend analogen Zeiten entstanden und bedienen ihre Mandanten nach wie vor mit ihren gewachsenen Leistungen. Mehr und mehr ist die aktuelle betriebswirtschaftliche Entwicklung jedoch durch Digitalisierung geprägt und erfordert ganz andere Leistungen und Kompetenzen – mit einem digitalen Mindset. Genau hier befindet sich die große Wachstumsnische für Neueinsteiger: Ohne Altlasten und mit digitaler Kompetenz Beratungsleistungen für die digitale Zukunft der Mandanten anzubieten – das sollte heute das Ziel sein. Die neue Rolle als Steuerberater könnte darin bestehen, Mandanten dabei zu unterstützen, ihr Unternehmen zukunftsgerichtet zu entwickeln und Prozesse zu optimieren.

Sind die Gründungskosten nicht enorm hoch, so dass ich mich bei der Bank verschulden muss?

Die Gründung einer Kanzlei war noch nie so günstig, wie dies aktuell der Fall ist. Alles, was man zum Start benötigt, ist die passende Hardware, Software und den eigenen Kopf. Die Softwareindustrie verzichtet auf die früher üblichen Kauf- und Wartungslizenzen und bietet günstige Mietmodelle an. Einige Anbieter haben kostengünstige Softwarelösungen im Portfolio, die genau auf die Bedarfe von Kanzleineugründungen zugeschnitten sind und individuell angepasst werden können. Ein Kredit wird daher insbesondere in der Startphase nicht benötigt und das finanzielle Risiko ist somit gering.

Habe ich dann überhaupt noch freie Zeit oder verfange ich mich in einer 60-Stunden-Woche?

Zugegeben: Jeder Start in die Selbständigkeit ist am Anfang mit einem hohen zeitlichen Engagement verbunden. Zumindest so lange, bis der Kanzleiauftritt steht und die Prozesse von der Mandatsannahme über die Leistungserbringung bis hin zur Abrechnung fixiert sind. Es gibt aber viele junge Kanzleiinhaber, die mit einer 40-Stunden-Woche gut hinkommen.

Kann ich das überhaupt mit meinen Vorerfahrungen oder bin ich noch zu jung?

Natürlich sind Zweifel und Ängste des Scheiterns speziell in der Gründungsphase vollkommen normal. Der Erfolg eines Kanzlei-Start-ups hängt aber selten mit dem Alter zusammen. Das Wichtigste ist, dass man für das eigene Start-up-Projekt brennt und sich strategisch mit dem Gründungsvorhaben auseinandersetzt. Erfolg ist vor allem mit unternehmerischem Denken, Kommunikationsfähigkeit und einer guten Portion Selbstvertrauen verbunden. Mangelnde Erfahrung lässt sich mit einem guten Netzwerk und dem regelmäßigen Austausch mit anderen Gründern kompensieren. Unterstützung bieten hier bestehende Netzwerkstrukturen wie beispielsweise die DATEV-Gründernetzwerke. Bei Wunsch nach einer Eins-zu-Eins-Beratung können auch sogenannte Gründungs-Coaches helfen. Diese weisen aufgrund langjähriger Erfahrung eine besonders hohe Erfolgsrate auf.

Wenn das „Ob“ geklärt ist, stellt sich die Frage nach dem „Wie“. Und da ist die beste Empfehlung: „Einfach mal machen“.

7 Tipps zur erfolgreichen Gründung einer Steuerberatungskanzlei:

Tipp 1: Informieren und Netzwerken

Wie heißt es so schön: Vorbereitung ist die halbe Miete! Um Orientierung bei der Entwicklung der Gründungsstrategie zu gewinnen, heißt es vor allem immer, auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Hierbei helfen Informationsangebote wie die STAX-Erhebung 2018 der Bundessteuerberaterkammer oder der jährliche DATEV-Branchenmonitor. Während die meisten jungen Steuerberater im eigenen Fachgebiet sehr gut ausgebildet sind, fehlt es dann jedoch häufig an disziplinübergreifenden Kenntnissen beispielsweise im Marketing oder in der IT. Hier hilft es vor allem, eigene Schwächen durch die Suche nach passender Unterstützung auszugleichen und sich gut zu vernetzen.

Tipp 2: Erstelle einen Businessplan und entwickle Dein Geschäftsmodell

Brauche ich wirklich einen akribisch ausgearbeiteten Businessplan, wenn finanziell nicht viel auf dem Spiel steht? – Ja, auf jeden Fall! Denn je besser alles durchdacht ist, desto erfolgreicher wird der Plan in die Realität umsetzbar sein. Wie man den optimalen Businessplan erstellt, lässt sich beispielsweise in einschlägiger Fachliteratur nachlesen oder in speziellen Seminaren erlernen. Wer dann noch unsicher ist, kann seinen fertigen Businessplan auch nochmals gegenchecken lassen. Diesen Service bieten beispielsweise die bereits erwähnten Prüfungs-Coaches an. Ist der Plan fertig, steht der Realisierung nichts mehr im Wege.

Tipp 3: Geschäftsprozesse von Anfang an digital gestalten

Geht es um die Umsetzung des Plans, ist Effizienz ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Prozesse sollten von Anfang an so gestaltet sein, als wenn die Kanzlei bereits 100 Mandanten hätte. Es muss sichergestellt werden, dass die Aufträge effizient abgewickelt werden und das Mandantenwachstum nicht die Qualität, Termintreue und Erreichbarkeit beeinträchtigen. Was dabei hilft? Digitale Prozesse. Denn diese erleichtern die Arbeit, beschleunigen Geschäftsprozesse und vereinfachen die Abläufe. Digitale Kollaborationsplattformen ermöglichen es den Mandanten beispielsweise, ihre Belege einfach, schnell und digital zu empfangen und hochzuladen. Das ist für beide Seiten bequemer: Mandanten können auf alles zugreifen und der Steuerberater hat weniger Organisationsaufwand. Auch aus dem Homeoffice ist so effizientes und effektives Arbeiten möglich. Außerdem können neue Mitarbeitende mithilfe einer einheitlichen, digitalen Arbeitsweise besser eingearbeitet werden.

Tipp 4: Marketing ist das A und O!

Facebook, Instagram, Twitter, LinkedIn, Xing, … Die Bedeutung der sozialen und digitalen Medien hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Sie können insbesondere für die Akquise von Einkommensteuer- und Unternehmensmandaten hilfreich sein. Jede Plattform hat ihre eigenen Regeln und Usertypen. Bei der Auswahl der Kanäle sollte vor allem hinterfragt werden, welche Zielgruppe erreicht werden soll und auf welchem Wege das am besten funktioniert. Aufgrund der digitalen Möglichkeiten ist es übrigens heute auch viel leichter, sich auf eine bestimmte Leistung oder Branche zu spezialisieren.  

Tipp 5: Transparenz, wenn es um Leistungen und Preise geht

Über die Marketingaktivitäten kommen Anfragen. Vor allem bei Erstgesprächen geht es darum, Professionalität zu zeigen, das Leistungsportfolio sichtbar zu machen und Akzeptanz für ein vorher festgelegtes Honorar zu erlangen. Hilfreich ist es, einen transparenten Dienstleistungskatalog aufzustellen, in der Grund- von Zusatzleistungen mit den zugehörigen Preisen separat aufgelistet werden und deren Nutzen beschrieben wird. Dieser dient als Grundlage für die Berechnung des Honorars und das spätere Kanzleicontrolling. Übrigens sollten auch in den Anfängen keine Freundschaftspreise ausgehandelt werden. Das spricht sich schnell herum und sorgt dafür, dass weitere potenzielle Mandanten die Leistungen auch in Zukunft zum Tiefpreis erhalten wollen.

Tipp 6: Risiken kalkulieren und minimieren

Wenn man sich etwas aufbaut, möchte man es nicht verlieren. Deshalb ist es sinnvoll, sowohl berufliche als auch private Risiken im Vorfeld zu analysieren und darauf aufbauend entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Hierzu gehören u. a. die passenden Versicherungen (u. a. Berufshaftpflicht, Kanzleiausfallversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung).

Tipp 7: Beratungsangebote nutzen

Selbst wer zunächst als Einzelkämpfer ohne Mitarbeiter beginnt, steht niemals allein im Regen. Externe Coaches und Partner helfen dabei, die Gedanken zu sortieren und weiterzuentwickeln. Egal ob Berufskammern und -verbände oder Gründernetzwerke – es gibt zahlreiche Möglichkeiten zum Austausch und zur Fortbildung, die nur darauf warten, von angehenden Steuerberatern genutzt zu werden.

Und jetzt? Machen!

Alle Theorie ist grau, Farbe kommt erst durch das echte Leben ins Spiel. Eine gute Planung ist wichtig – aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man um den Sprung ins kalte Wasser nicht herumkommt. Aber keine Angst! Mit den hier genannten Tipps zur Vorbereitung ist die Gründung auf dem bestmöglichen Weg. Ab jetzt helfen vor allem eine gute Vernetzung und konsequentes digitales Denken. Nun heißt es: anpacken!

Autor

Thorsten Hesse

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