Wichtige Hinweise zur Klausurbearbeitung

Ist es möglich, sich optimal auf die schriftliche Steuerberaterprüfung vorzubereiten? In inhaltlicher Hinsicht könnte man seine Zweifel bekommen, wenn man sich die Vielfalt der Themen – und oftmals auch Sonderthemen – in den früheren Prüfungen ansieht.

Allerdings ist die inhaltliche Vorbereitung auf die Klausuren nur ein Aspekt. Auch organisatorisch müssen die Kandidaten für die Prüfungsklausuren gerüstet sein. Eine gut eingespielte Routine verschafft Zeit, sich auch auf neue, unerwartete Themen einzustellen und hilft, unnötige Stresssituationen im Prüfungsverfahren zu vermeiden. Im Folgenden haben wir Ihnen wichtige Regeln für die angemessene Klausurbearbeitung zusammengestellt.

Richtige Zeiteinteilung

Die vorgegebene Bearbeitungszeit (sechs Zeitstunden) lässt bei dem erfahrungsgemäß großen Volumen der Aufgaben auf keinen Fall zu, die Lösung zunächst im Konzept vorzuschreiben, um dann eine Reinschrift zu fertigen. Ein solches Vorgehen birgt auch die Gefahr, dass Sie sich nicht auf den Kern der Probleme konzentrieren. In der Vorbereitungsphase für die Ausarbeitung genügt es, wenn der Stoff so gegliedert wird, dass Sie einen groben Überblick über Ihren Lösungsweg gewinnen.

Erarbeiten Sie sich in Lehrgängen zur Prüfungsvorbereitung unbedingt ein verlässliches Gespür für die Einteilung der Bearbeitungszeit. Durch vielfache Übung im Lösen von Klausuren eignen Sie sich die Fähigkeit an, die verfügbare Zeit richtig zu nutzen. Berücksichtigen Sie dabei insbesondere folgende Aspekte:

  • Ausführlichkeit der Darstellung

Eingehende Begründungen werden nur dort verlangt, wo die Auslegung eines Tatbestandsmerkmals problematisch oder streitig wird. Wo sich die Begründung für die getroffene Entscheidung unmittelbar aus dem Gesetz ableiten lässt, genügt die Angabe der Rechtsgrundlage.

  • Vollständigkeit der Sachverhaltsbearbeitung

Für die Gesamtnote, mit der eine Klausur bewertet wird, ist entscheidend, ob Sie die Aufgabe bis zum Ende bearbeiten. Es ist weitaus wichtiger, eine Klausur zu Ende zu lösen, als umfangreiche Ausführungen zu Einzelproblemen zu machen.

Im Ernstfall der Prüfung sollten Sie mit der Ausarbeitung der Reinschrift nach 30 Minuten bis längstens einer Stunde nach Aushändigung der Aufgabe beginnen. Mindestens sollten Sie für die reine Niederschrift der Lösung die Hälfte der verfügbaren Zeit reservieren.

Versuchen Sie auch, zum Ende der Bearbeitungszeit noch genügend Zeit zum Durchlesen Ihrer Arbeit zu haben. So können Sie eventuell noch notwendige Ergänzungen vornehmen und Flüchtigkeitsfehler korrigieren.

Korrekte Erfassung des Sachverhalts und der Aufgabenstellung

Sie sollten sich noch vor der ersten Lektüre des Sachverhalts unbedingt sorgfältig die Aufgabenstellung ansehen. Denn erst die Aufgabenstellung eröffnet Ihnen die richtige Perspektive bei der Aufnahme des Sachverhalts.

Nach dem ersten Überfliegen des Sachverhalts müssen Sie die Aufgabe noch einmal besonders genau lesen. Nur so schützen Sie sich davor, nicht gestellte Fragen zu beantworten.

Es kommt auch vor, dass in der Aufgabenstellung sachliche Hinweise enthalten sind, die im Sachverhalt selbst fehlen. Manche Aufgaben enthalten zudem Unterstellungen (wie: „Gehen Sie davon aus, dass ...“), die bei der Lösung sorgfältig beachtet werden müssen.

Beim wiederholten konzentrierten Durchlesen des Sachverhalts unter Berücksichtigung der gestellten Aufgabe ist es zweckmäßig, bei solchen Aufgabenbereichen, deren Lösung eindeutig ist, den Lösungsansatz im Originaltext zu vermerken. Aufgabenbereiche, deren Lösungen noch unklar sind, sollten im Text markiert und auf einem Konzeptblatt festgehalten werden.

Bei dieser Auswertung der Aufgabe sind Unterstreichungen (auch farbig) der wichtigen Stellen des Sachverhalts, von dem normalerweise kein Satz überflüssig ist, zulässig und nützlich. Unterstreichungen und Textmarkierungen verlieren jedoch gänzlich ihren Sinn, wenn sie zu einer vielfarbigen flächendeckenden Malerei ausarten.

Wichtige Daten können Sie am Rand des Aufgabentextes oder auf dem Konzeptblatt notieren und gleich in die richtige Reihenfolge (logischer oder zeitlicher Art) bringen. Sinnvoll ist so ein „Zeitstrahl“ beispielsweise bei der Lösung von Verjährungsfragen und bei der Berechnung von Zinsen oder Säumniszuschlägen.

Auch Skizzen können zur Visualisierung unübersichtlicher Sachverhalte eine wertvolle Hilfe bieten (z. B. bei grenzüberschreitenden Sachverhalten im Umsatzsteuerrecht, Reihengeschäften oder komplexen gesellschaftsrechtlichen Zusammenhängen). In die Reinschrift gehören solche Zeichnungen nicht.

Werden Sie nicht nervös, wenn Sie die Lösung eines Problems nicht sofort finden. Die Sachverhalte sind in der Regel so konzipiert, dass zur Lösung Nachdenken erforderlich ist. Überlegen Sie in Ruhe. Gehen Sie dann systematisch an die Lösung. Halten Sie sich bei einem Problem aber auch nicht übermäßig lange auf, sondern bearbeiten Sie dann zunächst einen leichteren Sachverhalt.

Systematische Gliederung der Lösung

Es ist dringend zu empfehlen, die Stoffgliederung an die Aufgabenstellung anzupassen. Fehlt eine detaillierte Aufgabenstellung, muss die Lösung systematischen Grundsätzen entsprechen.

Beispiel

Wird nach den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gefragt, müssen Sie wegen des logischen Vorrangs zuerst zur Zulässigkeit und anschließend zur Begründetheit des Rechtsbehelfs Stellung nehmen.


Bei einkommensteuerlichen Sachverhalten ergibt sich die Stoffgliederung im Allgemeinen zwingend aus der Systematik des Gesetzes. So könnte die Bearbeitungsreihenfolge bei einer Einkommensteuerveranlagung wie folgt angelegt werden:

► Steuerpflicht (unbeschränkte oder beschränkte),

► Veranlagungsform, Tarif,

► Einkunftsarten,

► Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte,

► Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen,

► Einkommen,

► zu versteuerndes Einkommen.

Sie sollten in der Lösung Überschriften anbringen und den Text durch Absätze gliedern. Damit erleichtern Sie nicht nur für sich selbst den Überblick über die bereits gefundenen Ergebnisse. Auch die Klausurkorrektoren sind dankbar für solche Hilfen.

Haben Sie die Vermutung, dass zur endgültigen Problemlösung noch weitere Ausführungen nötig sein werden, zu denen Sie im Augenblick noch nicht in der Lage sind, lassen Sie dafür großzügig Platz.

Erkennen Sie, dass eine früher geäußerte Meinung falsch ist, müssen Sie unbedingt klarstellen, welche Auffassung Sie endgültig vertreten wollen. Sonst kann Ihre Lösung, weil sie widersprüchlich ist, regelmäßig nicht positiv bewertet werden. Eine Lösung, an der Sie nicht festhalten wollen, sollten Sie durchstreichen oder auf andere Weise annullieren.

Richtige Begründung der Ergebnisse

In aller Regel genügt es nicht, nur Ergebnisse niederzuschreiben. Die Begründung bringt regelmäßig den Großteil der Punkte. Begründen Sie also jedes Ergebnis. Dabei müssen alle Tatbestandsmerkmale erwähnt und der Sachverhalt unter diese Tatbestandsmerkmale subsumiert werden.

Einfache Probleme sollen natürlich nicht so ausführlich dargestellt werden wie komplizierte, denn die Zahl der vorgesehenen Punkte orientiert sich am Schwierigkeitsgrad der Aufgabe und an dem für die Lösung erforderlichen Zeitaufwand.

Verweisungen innerhalb der Klausur sollten Sie möglichst vermeiden. Ein Prüfer ist nicht unbedingt bereit, diesen nachzugehen. Bei unvermeidlichen Verweisungen müssen Sie wenigstens die genaue Fundstelle (z. B. „Seite 5 unten") angeben.

Im Allgemeinen sind Klausuren so aufgebaut, dass jeder Teilsachverhalt anders gelagert ist und sich differenzierte Lösungen ergeben. Kommen Sie häufig zu identischen Lösungen, die Verweisungen nahelegen, sollten Sie überlegen, ob Ihre jeweiligen Lösungen wirklich zutreffend sind.

Vermeidung von Fehlern

Gehen Sie vor allem davon aus, dass der Sachverhalt in sich schlüssig und vollständig ist. Vermeiden Sie vorzeitige Kritik am Sachverhalt und an der Aufgabenstellung! Den vorgegebenen Sachverhalt müssen Sie auch dann Ihrer Lösung zugrunde legen, wenn er Ihnen unwahrscheinlich oder nicht plausibel erscheint.

Beispiel

In der Aufgabenstellung einer Ertragsteuerklausur wird ausgeführt, dass in einem im Wohnzimmer aufgestellten Bücherregal ausschließlich Fachliteratur für berufliche Zwecke steht.


Es wäre verfehlt, diese Sachverhaltsvorgabe als unwahrscheinlich abzutun und den Abzug der Aufwendungen für das Regal unter Hinweis auf § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zu versagen.

Sichere Verwendung von Rechtsquellen

In der schriftlichen Steuerberaterprüfung dürfen Sie die Steuergesetze und die Richtlinien/Handbücher/Erlasse verwenden. Bei der Beurteilung jeder einzelnen Frage sollten Sie mit der Rechtsgrundlage im Gesetz und in der Durchführungsverordnung beginnen, diese Rechtsquellen auch in Ihrer Lösung festhalten und erst dann Zweifelsfragen mithilfe der Richtlinien/Hinweise klären. Zu bestimmten Problembereichen sind andererseits BMF-Schreiben unverzichtbare Hilfsmittel.

Wenn Sie die Richtlinien u. a. Verwaltungsanweisungen zur Auslegung verwenden, ist es überflüssig, die dort gebrauchten Zitate in der Lösung vollständig zu wiederholen. Damit vergeuden Sie nur kostbare Zeit. Es genügt häufig sogar der einfache Verweis auf die konkrete Richtlinienstelle.

Auch wenn bei manchen Aufgabenteilen Kenntnisse von gegensätzlichen Auffassungen zu höchstrichterlich noch nicht entschiedenen Rechtsfragen hilfreich sein können, sollte in Zweifelsfällen regelmäßig der Verwaltungsauffassung der Vorzug gegeben werden.

Korrekte Zitierweise

Bei Ihren Begründungen werden Sie häufig gesetzliche Bestimmungen verwenden. Es stellt sich die Frage, wie diese Vorschriften zu zitieren sind.

Beispiel

Schuldzinsen als Werbungskosten

Möglichkeiten:

  • a) § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 EStG
  • b) § 9 (1) 3 Nr. 1 EStG
  • c) § 9 I 3 Nr. 1 EStG


Es hat sich eingebürgert, die Absätze einer Norm mit einer römischen Kennziffer zu kennzeichnen; wenn Sie darin eine Zeitersparnis sehen, sollten Sie danach verfahren.

Dagegen ist die Nummer (Ziffer) innerhalb einer gesetzlichen Vorschrift mit „Nr. 1" zu kennzeichnen, weil die bloße Zahl den einzelnen Satz innerhalb einer Norm bezeichnen könnte.

Die Rechtsgrundlagen in Gesetzen und Fundstellen in Richtlinien müssen genau zitiert werden. Wenn es um die gesetzliche Regelung der Realteilung geht, kann die Angabe § 16 EStG nicht ausreichend sein; das Zitat muss dann lauten: § 16 III 2ff EStG.

Neben der Zitierweise ist fraglich, wie häufig Rechtsgrundlagen zu zitieren sind. Ihrer Klausurbearbeitung liegt eine Vielzahl von Subsumtionsvorgängen zugrunde. Sie subsumieren die einzelnen Teile des Sachverhalts unter die einschlägigen Normen des Steuergesetzes; das bloße Subsumieren ist meist schon die ausreichende Begründung für die von Ihnen getroffene Entscheidung. Entsprechend wichtig ist daher die Angabe der Rechtsgrundlage oder der Verwaltungsanweisung. Wenn Sie jedoch in einer weiteren Begründung auf gleiche gesetzliche Begriffe eingehen, ist es nicht erforderlich, in Klammern immer wieder die exakte Vorschrift zu zitieren.

Guter Schreibstil und Ausdrucksweise

Hinweise zu Form, Stil und Ausdrucksweise erscheinen vielleicht überflüssig. Natürlich kann ein passabler formaler Eindruck inhaltliche Schwächen nicht kompensieren. Die Bewertung eines richtigen Ergebnisses kann jedoch durch die Art der Darstellung durchaus beeinflusst werden.

Die Schrift sollte gut leserlich sein, das Geschriebene durch Zwischenüberschriften und Absätze gegliedert und der vorgeschriebene Rand eingehalten werden. Die Seiten sollten durchnummeriert werden. Beachten Sie dabei aber, dass Ihre Konzeptblätter nicht Teil der Lösung sind. In Ihrer Ausarbeitung sollten Sie ferner weder Bleistift noch einen roten Farbstift benutzen, damit klar ist, was von Ihnen und was vom Korrektor stammt.

Sie sollten nach Möglichkeit in kurzen Sätzen formulieren. Andererseits darf Ihre Lösung auch nicht nur aus Stichworten bestehen. Sonst hätte derjenige, der nur Stichworte notiert, vor den anderen Prüflingen einen ungerechtfertigten zeitlichen Vorteil.

Schreiben Sie nüchtern und klar. Blumige und emotionale Formulierungen sind in einer Prüfungsarbeit nicht angebracht. Sie sollten auch nicht den Versuch unternehmen, sich durch abgehobene Wortwahl den Anstrich der Wissenschaftlichkeit zu geben. Wenn Ihnen Fremdwörter liegen, sollten Sie diese ruhig verwenden. Es ist auch nichts gegen den wiederholten Einsatz von Fachausdrücken einzuwenden. Sie sind besser als ungenaue Umschreibungen.

Wiederholungen sind reine Zeitverschwendung. Eine ausführliche Einleitung und ausschweifende theoretische Erläuterungen haben in Prüfungsaufgaben nichts zu suchen.

Fazit

Nicht nur inhaltlich bedarf es einer guten Vorbereitung auf die schriftliche Steuerberaterprüfung. Auch die organisatorischen Aspekte bei der Klausurlösung (wie Zeiteinteilung, Gliederung oder Zitierweise) sollten rechtzeitig verinnerlicht werden.

Wir wünschen viel Erfolg in der Steuerberaterprüfung!

Autoren

Michael Puke und Jörg ten Voorde, Studienwerk der Steuerberater in NRW.

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