Wenn das Home zum Office wird – Bedingt jede Tätigkeit im Homeoffice eine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinn?

Auch ohne die besondere Situation infolge der andauernden COVID-19-Pandemie rücken neue Arbeitsmodelle, wie mobiles Arbeiten oder Telearbeit in Gestalt von Homeoffice, verstärkt in den Blickpunkt. Die Krise beschleunigt ggf. die Überlegungen aufseiten der Arbeitgeber, vor allem aber spielen die fortschreitende Digitalisierung, hohe Mietkosten in den Ballungsräumen, die Gewinnung guter Fachkräfte sowie Umwelt- und Work-Life-Balance-Gesichtspunkte eine große Rolle beim Ausbau neuer Arbeitsformen. Dieser Beitrag beleuchtet die steuerrechtlichen Folgen einer Tätigkeit im Homeoffice und versucht die Frage zu beantworten, ob das Homeoffice eine abkommensrechtliche Betriebsstätte begründet. Der Beitrag behandelt nicht die Sachverhaltskonstellationen der Tätigkeiten im Homeoffice während der aktuellen COVID-19-Pandemie und die hierzu ergangenen Konsultationsvereinbarungen.2 

Kernaussagen

  • Was als Betriebsstätte im Sinne des OECD-Musterabkommens in Betracht kommt, wird in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 bzw. in den Doppelbesteuerungsabkommen eigenständig definiert. Die Auslegung erfolgt losgelöst von der Definition nach § 12 AO.
  • Steht neben dem Homeoffice ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung, wird durch das Homeoffice grds. keine Betriebsstätte begründet. Eine nahezu ausschließliche Homeoffice-Tätigkeit kann dagegen eine Betriebsstättenbegründung auslösen.
  • Maßgeblich ist grds. der OECD-Musterkommentar in der Fassung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, jedoch spricht vieles dafür, dass der BFH dem OECD-Musterkommentar in seiner jeweiligen Fassung in jedem Fall einen erklärenden Wert für die Auslegung früher abgeschlossener Abkommen zubilligt.

 

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie hier.

I. Einleitung

Diefortschreitende Digitalisierung verändert die Arbeitswelt. Was für viele Unternehmen gerade in der IT-Branche, z. B. Softwareentwickler und Telekommunikationsanbieter, bereits eine Selbstverständlichkeit ist, hält nun immer mehr Einzug auch bei anderen Berufen, die vornehmlich vom Schreibtisch aus ausgeführt werden können. Neben den tatsächlichen Vor- und Nachteilen für die Arbeitnehmer stellen sich auch rechtliche Fragen für die Unternehmen, z. B. ob durch die Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmers beim Arbeiten von zu Hause aus eine Betriebsstätte für grenzüberschreitende Unternehmen begründet wird.

Beispiel 1 (Grundfall):

Ein im Vertragsstaat A ansässiger Arbeitnehmer hat einen zeitlich unbefristeten Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber geschlossen, der seinen Sitz im Vertragsstaat B innehat und Sportartikel herstellt und vertreibt. Der Arbeitgeber verfügt über kein Büro im Vertragsstaat A. Laut seinem nach dem Recht des Staates B geschlossenen Arbeitsvertrag ist der Arbeitnehmer an drei Tagen in der Woche in B tätig; an den übrigen zwei Tagen seiner Fünftagewoche ist es dem Arbeitnehmer freigestellt, im Homeoffice in seiner im Vertragsstaat A gelegenen Wohnung zu arbeiten. Die Arbeitsmittel (Laptop, Drucker, Mobiltelefon) werden dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt. Für die Nutzung des in der Wohnung liegenden Arbeitszimmers zahlt der Arbeitgeber keine anteilige Wohnungsmiete; er verfügt über keinen Schlüssel zur Wohnung.

II. Homeoffice im Allgemeinen

Zunächst4 gilt es zu klären, was sich eigentlich hinter dem Begriff „Homeoffice“ verbirgt. Der Begriff Homeoffice ist in den Steuergesetzen nicht definiert. In der Praxis haben sich neben dem Begriff des Homeoffice auch das „mobile Arbeiten“ unabhängig von einem bestimmten Ort, z. B. im Café um die Ecke, sowie die „Telearbeit“ an einem fest eingerichteten Arbeitsplatz etabliert. Übersetzt ist Homeoffice wohl das Arbeiten mit moderner Kommunikationstechnik von zu Hause aus, z. B. im häuslichen Arbeitszimmer.5 Dem Begriff Homeoffice ist von seinem Wortlaut her eine Anbindung an die häusliche Sphäre immanent.

III. Homeoffice im nationalen Recht

Betriebsstätte i. S. von § 12 AO ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Dies setzt eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die das Unternehmen eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat.6

In mehrerenEntscheidungen hat der BFH dazu Stellung genommen, wie ein in die häusliche Sphäre eingegliedertes „häusliches Arbeitszimmer“ von einem „Betriebsstätten ähnlichen Raum im Wohnbereich“ abzugrenzen ist.8 Letzterer unterliegt nicht den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG . Von einem betriebsstättenähnlichen Raum ist insbesondere auszugehen, wenn er dem Publikumsverkehr dient und damit die Einbindung in die häusliche Sphäre aufgehoben bzw. überlagert wird.

In den Entscheidungen hat der BFH ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für diese Abgrenzung ohne Bedeutung ist, ob der Raum eine Betriebsstätte i. S. von § 12 AO darstellt. Hieraus lässt sich ableiten, dass ein in die häusliche Sphäre eingebundenes Arbeitszimmer zwar keine Betriebsstätte i. S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG , gleichwohl aber eine Betriebsstätte i. S. des § 12 AO darstellen kann.

In neueren9 Entscheidungen zur Abgrenzung eines häuslichen Arbeitszimmers i. S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG verwendet der BFH anstelle des Begriffs „betriebsstättenähnlicher Raum“ nur noch den Begriff der „Betriebsstätte“.10 Dass der BFH damit eine Betriebsstätte i. S. von § 12 AO meint und seine bisherige Rechtsprechung fortentwickelt hat, lässt sich aus den Entscheidungen nicht ableiten.11 Im Bereich von § 4 Abs. 5 EStG wird der Begriff „Betriebsstätte“ eigenständig ausgelegt und entspricht nicht dem des § 12 AO .12

Die Einbindung in die häusliche Sphäre ist somit kein Merkmal, anhand dessen eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers bestimmt werden kann. Daher ist es letztendlich strittig, unter welchen Umständen ein Homeoffice eine Betriebsstätte i. S. von § 12 AO begründet.13

IV. Homeoffice als Betriebsstätte im Abkommensrecht

Nach14 Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2017 ist der Gewinn eines Unternehmens eines Vertragsstaates nur in diesem Staat zu besteuern, es sei denn, das Unternehmen geht seiner Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte nach. Was als Betriebsstätte im Sinne des OECD-Musterabkommens in Betracht kommt, wird in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 bzw. in den Doppelbesteuerungsabkommen eigenständig definiert.

Hiernach ist eine „feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“ eine Betriebsstätte. Der abkommensrechtliche Begriff der Betriebsstätte stimmt weitestgehend mit dem des § 12 AO überein. Hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeiten ist er allerdings enger gefasst als § 12 AO . Mithin ist nicht jede Betriebsstätte i. S. des § 12 AO zugleich eine Betriebsstätte im Sinne des Abkommensrechts.

Ungeachtet dessen, ist die abkommensrechtliche Betriebsstättendefinition eigenständig auszulegen, da die DBA andere Ziele verfolgen als das innerstaatliche Recht.15

1. Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte

Eine „feste Geschäftseinrichtung“ setzt voraus, dass sich die Tätigkeit des Unternehmens verfestigt hat und nicht nur auf Geschäftsbeziehungen zu Kunden im anderen Vertragsstaat beruht.16 Wird der Mitarbeiter im Homeoffice tätig, übt er dort im Rahmen seiner unselbständigen Arbeit eine Geschäftstätigkeit für das Unternehmen seines Arbeitgebers aus. Das Homeoffice ist „fest“ i. S. von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 , wenn es ortsfest ist und die Tätigkeit auf eine gewisse Dauer angelegt ist.

Wird17 der Arbeitnehmer nur von Fall zu Fall, für einzelne Tage, im Homeoffice tätig, ist eine Betriebsstätte zu verneinen. Im Regelfall wird die Tätigkeit im Homeoffice längerfristig und damit auf Dauer angelegt sein. Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Zeitspanne von mindestens sechs Monaten erforderlich.18 Keine Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer an dem Ort an allen Arbeitstagen tätig wird.

Im19 Abkommensrecht ist es, ebenso wie im nationalen Recht im Rahmen von § 12 AO , notwendig, dass das Unternehmen, also der Arbeitgeber, Verfügungsmacht über das Homeoffice hat.20 Dieses Merkmal ist regelmäßig entscheidend für die Frage, ob ein Homeoffice als Geschäftseinrichtungsbetriebsstätte zu qualifizieren ist.

a) Ausschlusstatbestände nach Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017

Bevor21 die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 näher analysiert werden, sollte betrachtet werden, welchem Zweck die Tätigkeiten des Arbeitnehmers im Homeoffice dienen. Nach Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 sind bestimmte Einrichtungen, die zwar nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 als Betriebsstätte zu qualifizieren sind, dennoch nach dem Willen der Vertragsstaaten aus dem Betriebsstättenbegriff auszuklammern. Die Ausnahmetatbestände in Art. 5 Abs. 4 Buchst. a–f OECD-MA 2017 sind abschließend. Ein Ausschluss liegt insbesondere vor, wenn der Arbeitnehmer im Homeoffice Tätigkeiten ausübt, die vorbereitender Art sind oder Hilfstätigkeiten darstellen (Art. 5 Abs. 4 Buchst. e OECD-MA 2017 ). Nach Ansicht der OECD ist dies häufig bei Arbeiten im Homeoffice gegeben.22

Vorbereitende23 Tätigkeit sind solche, die zeitlich vor einer Haupttätigkeit ausgeübt werden. Hilfstätigkeiten begleiten die Haupttätigkeit oder folgen ihr zeitlich nach.24 Die Haupttätigkeit bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Was in einem Unternehmen eine Haupttätigkeit darstellt, kann in einem anderen Unternehmen eine Hilfstätigkeit sein. Während der Webdesigner, der bei einer Werbeagentur angestellt ist, i. d. R. eine Haupttätigkeit des Unternehmens ausübt, wird ein bei einem Automobilhersteller angestellter Webdesigner regelmäßig nur Nebentätigkeiten verrichten.

Die Haupttätigkeit eines Unternehmens richtet sich in erster Linie nach dessen Unternehmenszweck. Eine Tätigkeit ist Bestandteil der Haupttätigkeit, wenn sie einen wesentlichen und maßgeblichen Teil der Tätigkeit des Gesamtunternehmens ausmacht, z. B. die Forschung eines Pharmaunternehmens.25

Hilfstätigkeiten26 sind nicht unmittelbar auf Umsatz- oder Gewinnerzielung ausgerichtet. Sie wirken nur unternehmensintern und unterstützen die Haupttätigkeit, wie z. B. Unternehmenswerbung, Erteilung von Unternehmensinformationen oder wissenschaftliche Forschung.27 Sie sind meist nicht betriebstypisch. Insbesondere Arbeitnehmer, die in der Verwaltung eines Unternehmens eingesetzt sind (z. B. Buchhaltung, Personalabteilung, Controlling), üben häufig nur Hilfstätigkeiten aus. Bei diesen Personen ist eine Betriebsstätte im Homeoffice stets zu verneinen.

Haupttätigkeiten im Homeoffice sind dagegen oftmals bei Unternehmen gegeben, die Dienstleistungen anbieten. Beispiele hierfür sind: IT-Entwickler eines Softwareherstellers, Autor eines Verlags, Telefonist einer Forschungsgesellschaft oder Designer einer Werbeagentur.

Nach28 Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA 2017 wird keine Betriebsstätte begründet, wenn sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers ausschließlich auf den Einkauf von Gütern und Waren oder auf die Informationsbeschaffung (z. B. bei einem Korrespondenten) bezieht. Dies gilt auch, wenn der Wareneinkauf bzw. die Informationsbeschaffung der
Haupttätigkeit des Unternehmens zuzuordnen ist.29 Eine Ausschließlichkeit der Informationsbeschaffung ist dann nicht mehr gegeben, wenn die Geschäftseinrichtung für weitere Tätigkeiten benutzt wird (z. B. ein Korrespondent übersetzt oder wertet Nachrichten, Berichte oder Kommentare druckfertig aus).30

Mit dem OECD-Musterabkommen 2017 ist Artikel 5 Absatz 4 dahingehend ergänzt worden, dass der Ausschluss nur dann greift, wenn der Wareneinkauf bzw. die Informationsbeschaffung vorbereitender Art ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt. Stellt der Wareneinkauf oder die Informationsbeschaffung eine Haupttätigkeit dar, greift die Rückausnahme und es kann eine Betriebsstätte begründet werden. In der Praxis hat dies nur Relevanz, wenn das jeweilige Abkommen bereits daran angepasst ist.

b) Verfügungsmacht des Arbeitgebers

aa) Allgemeine Definition

Liegt kein Ausschlusstatbestand nach Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 vor, muss näher betrachtet werden, ob der Arbeitgeber Verfügungsmacht am Homeoffice hat. Die Verfügungsmacht ist analog zum innerstaatlichen Recht in Bezug auf § 12 AO auszulegen.

Sie31 setzt voraus, dass die Einrichtung (Homeoffice) dem Unternehmen (Arbeitgeber) für die Zwecke des Unternehmens nicht nur vorübergehend zur Verfügung steht.32 Nicht erforderlich ist, dass die Einrichtung dem Unternehmen zivilrechtlich gehört. Die Verfügungsmacht kann auch auf einem Mietvertrag oder einer unentgeltlichen Überlassung beruhen.

Allerdings muss dem Nutzenden (vorliegend dem Arbeitgeber) eine Rechtsposition eingeräumt sein, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne Weiteres entzogen oder die ohne seine Mitwirkung nicht ohne Weiteres verändert werden kann.33 Das Nutzungsrecht des Unternehmens muss nicht vertraglich eingeräumt sein.34 Es ist ausreichend, wenn es faktisch besteht.

Für die Begründung einer Betriebsstätte ist letztlich entscheidend, ob eine unternehmerische Tätigkeit in einer Geschäftseinrichtung mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung“ des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt.35

bb) Auslegung der OECD

Die36 OECD hat im Jahr 2017 den Musterkommentar um Kriterien zur Beurteilung von grenzüberschreitenden Homeoffice-Konstellationen ergänzt.37 Überraschend weist sie darauf hin, dass sie aktuell noch davon ausgeht, dass die Begründung einer Betriebsstätte in einem Homeoffice nur selten ein praktisches Problem darstellen wird.

Zum einen habe der Arbeitgeber in den meisten Fällen ohnehin eine Betriebsstätte in dem Staat, in dem der Arbeitnehmer wohnt und zum anderen würde der Arbeitnehmer häufig nur Hilfstätigkeiten im Homeoffice ausüben, für die nach Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 ein Betriebsstättenausschluss gilt. Ungeachtet dessen, besteht u. E. eine hohe Anzahl von Fällen, die nicht von den beiden Alternativen erfasst sind und bei denen die Begründung einer Betriebsstätte relevant ist. 

Der38 OECD-Musterkommentar beschreibt zutreffend, dass es von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, ob ein Homeoffice dem Unternehmen (Arbeitgeber) zur Verfügung steht und es damit eine Betriebsstätte darstellt.39 Werde das Homeoffice kontinuierlich für die Ausübung von Geschäftstätigkeiten verwendet und gehe aus den Umständen im Einzelfall hervor, dass das Unternehmen verlange, das Homeoffice zu nutzen, um die Tätigkeiten für das Unternehmen weiterzuführen, könne davon ausgegangen werden, dass das Homeoffice dem Unternehmen zur Verfügung steht.

Eine nur gelegentliche Tätigkeit führe nicht zu einer Verfügungsgewalt des Arbeitgebers. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer seine Tätigkeit nahezu durchgängig im Homeoffice ausübt und ihm vom Arbeitgeber kein anderer Büroarbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden ist, sieht der OECD-Musterkommentar das Homeoffice als Betriebsstätte an. Kann dagegen der Mitarbeiter im Unternehmen einen Arbeitsplatz nutzen, sei keine Verfügungsgewalt des Arbeitgebers anzunehmen, da dieser die Nutzung des Homeoffice nicht verlangt.40 Dies gelte auch, wenn der Arbeitnehmer den Großteil seiner Arbeit im Homeoffice verrichtet.

cc) Zeitliche Anwendung der OECD-Auslegung

Die41 vorgenannten Ausführungen der OECD sind erst im Jahr 2017 in den OECD-Musterkommentar aufgenommen worden. Fraglich ist, ob die Neufassung zur Auslegung bereits für zu diesem Zeitpunkt bestehende DBA herangezogen werden kann. Die OECD geht von einer dynamischen Auslegung aus, d. h. für eine Auslegung ist der Musterkommentar in seiner jeweils geltenden Fassung zugrunde zu legen. Denn der OECD-Musterkommentar spiegele den übereinstimmenden Willen der OECD-Mitgliedstaaten wider (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA 2017).42

Teile43 der Literatur44  ziehen zur Begründung der statischen Auslegung Art. 31 Abs. 1 WVK45 heran, wonach ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen ist. Hieraus ableitend schlussfolgert Lehner,46 dass nur die Fassung des Kommentars zu berücksichtigen sei, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt. Nur dieser Inhalt könne die Wortwahl der Parteien bestimmen. Eine neue Auslegung könne die Qualität einer „gewöhnlichen Bedeutung“ i. S. des Art. 31 Abs. 1 WVK erst nach gewisser Zeit erlangen. 47

Jedoch lässt diese Ansicht unberücksichtigt, dass nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. a WVK eine spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WVK jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht, in gleicher Weise zu berücksichtigen sind.

Damit kann ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame Übung der beteiligten Finanzverwaltungen für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein, aber immer nur insofern, als sie sich aus dem Wortlaut des Abkommens ableiten lässt. Der Abkommenswortlaut stellt in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar. 48

Die OECD-Mitgliedstaaten haben das Recht, Vorbehalte gegen die Auffassung des Rates der OECD einzulegen. Machen sie hiervon keinen Gebrauch, lässt dies darauf schließen, dass Änderungen der OECD-Auslegung anerkannt und ihrer Vertragsanwendung zugrunde gelegt werden.49

Die50BFH-Rechtsprechung lässt u. E. kein einheitliches Bild erkennen. Zum Teil soll die spätere (Weiter-)Entwicklung einschlägiger OECD-Verlautbarungen keine Bedeutung für die Auslegung eines bereits zuvor verhandelten Abkommens haben.51 Insofern gelte ein sog. statischer Auslegungsmodus.

Demgegenüber lässt der BFH in anderen Entscheidungen erkennen, dass er eine dynamische Auslegung des Musterkommentars, zumindest im Fall der zeitlichen Nähe, für zulässig bzw. nicht für ausgeschlossen hält. 52 In dem entschiedenen Fall hat er zur Auslegung eines Abkommensartikels, der annähernd drei Jahre53 vor der entsprechenden Kommentierung im OECD-Musterkommentar geändert wurde, den Musterkommentar zum Verständnis herangezogen. Bereits in der Vergangenheit hatte sich der BFH einer dynamischen Auslegung bedient, so zog er z. B. 1997 zur Untermauerung seiner Sichtweise des Art. XVII DBA Großbritannien 1964 die Ergänzung des Kommentars zu Art. 17 Abs. 1 OECD-MA 1992 heran.54 In einer Entscheidung zur „ständigen Wohnstätte“ im Sinne des DBA Schweiz hat der BFH eine „Klarstellung“ durch eine spätere Fassung des Musterkommentars herangezogen, um seine Auslegung zu stützen.55

Im Ergebnis spricht vieles dafür, dass der BFH dem OECD-Musterkommentar in seiner jeweiligen Fassung in jedem Fall einen erklärenden Wert für die Auslegung früher abgeschlossener Abkommen zubilligt. Nachdem die meisten derzeit bestehenden Abkommen vor 2017 verhandelt wurden, kommt der OECD-Auffassung für die innerstaatliche Auslegung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs zumindest keine unmittelbare Relevanz zu.

dd) Ergebnis

Anhand der zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarungen zur Homeoffice-Tätigkeit und den tatsächlichen Umständen ist zu bestimmen, ob der Arbeitgeber eine Verfügungsmacht am Homeoffice hat. Hierbei ist es unerheblich, ob das Homeoffice an den Arbeitgeber vermietet ist oder nicht. Die Verfügungsmacht kann genauso auf einer unentgeltlichen Überlassung beruhen.

Bei56 einem Arbeitnehmer, der neben seinem Homeoffice einen weiteren Arbeitsplatz im Betrieb hat, den er regelmäßig aufsucht, ist keine Verfügungsmacht des Arbeitgebers am Homeoffice gegeben. Die Entscheidung über das „ob“ der Nutzung des Homeoffice liegt allein beim Arbeitnehmer. Entschließt sich der Arbeitnehmer, an einem Tag seine Arbeitsleistung im Betrieb zu erbringen, ist das Unternehmen an diesem Tag von der Nutzung des Homeoffice ausgeschlossen. Im Übrigen findet in diesen Fällen die Nutzung des Homeoffice auch nicht im vorrangigen Interesse des Unternehmens statt. 57

Ergebnis Grundfall:

Im Grundfall liegt keine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinn vor. Dem Arbeitnehmer ist es nach dem Arbeitsvertrag freigestellt, an zwei Tagen in der Woche im Homeoffice zu arbeiten.

Ist der58 Arbeitsort des Arbeitnehmers zwischen Betrieb und Homeoffice aufgeteilt, ohne dass ihm an den Homeoffice-Tagen ein Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung steht (z. B. bei Desksharing im Betrieb), ist eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers am Homeoffice ebenfalls zu verneinen. An den festgelegten Präsenztagen im Betrieb kann der Arbeitgeber i. d. R. nicht vom Arbeitnehmer verlangen, dass er – entgegen der bestehenden Homeoffice-Vereinbarung – seine Arbeitsleistung im Homeoffice erbringt. Deshalb ist das Homeoffice an den Präsenztagen nicht zur Nutzung bestimmt. Eine ständige Verfügbarkeit liegt nicht vor.59

Auch wenn der Arbeitnehmer nahezu ausschließlich im Homeoffice tätig wird, geht die h. M. – im Zusammenhang mit dem innerstaatlichen Betriebsstättenbegriff nach § 12 AO – bislang davon aus, dass keine Verfügungsmacht des Arbeitgebers am Homeoffice besteht.60 Begründet wird dies damit, dass der Arbeitgeber nicht jederzeit uneingeschränkten Zutritt zu den Räumen hat und daher die Verfügungsmacht des Arbeitgebers nicht unbestritten ist.61 Dagegen nimmt der OECD-Musterkommentar in diesen Fällen eine Verfügungsmacht am Homeoffice an.62

Eine63 dauerhafte Tätigkeit im Homeoffice führt für sich allein noch nicht automatisch zu einer Verfügungsmacht des Arbeitgebers.64 Allerdings ist die Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice regelmäßig auf eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zurückzuführen. Wenn aufgrund dieser Abrede der Arbeitnehmer seine Tätigkeit überwiegend vom Homeoffice aus zu erbringen hat, kann daraus eine Verfügungsmacht abgeleitet werden.65 Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber das Homeoffice für seine berufliche Tätigkeit zur Nutzung zur Verfügung zu stellen, woraus sich für den Arbeitgeber das Recht ableitet, dass das Homeoffice für sein Unternehmen genutzt wird. Entscheidend ist dabei, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht 66ohne die Mitwirkung des Arbeitgebers an einem anderen Ort (außerhalb des Homeoffice) erbringen kann und dadurch das Unternehmen von der Nutzung am Homeoffice ausschließen kann. Dies ist u. E. nur bei einer nahezu ausschließlichen Tätigkeit im Homeoffice gegeben.

Dagegen wird beispielsweise von der österreichischen Finanzverwaltung eine Verfügungsmacht bereits ab einer Tätigkeit im Homeoffice von 50 % angenommen.67 Dem Umstand, dass das Homeoffice ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht von anderen Mitarbeitern des Unternehmens betreten werden darf, ist u. E. im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Eine bedingungslose Verfügungsmacht setzt die Norm nämlich nicht voraus.

Im68Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es für die Begründung einer Betriebsstätte nicht erforderlich ist, dass sich die Verfügungsmacht über einen ganzen Raum erstreckt. Als Betriebsstätte kommt auch eine Arbeitsecke in der Wohnung des Arbeitnehmers in Betracht. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 setzt lediglich eine feste Geschäftseinrichtung voraus. Allgemein wird darunter jeder körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände verstanden, die geeignet sind, Grundlage einer Unternehmenstätigkeit zu sein.69 Hierfür reichen minimalste Ausstattungsmerkmale wie ein Telefon und eine Schreibmöglichkeit aus. 70

2. Vertreterbetriebsstätte

Beispiel 2 (Abwandlung 1):

Ergänzend zum Grundfall verfügt der im Vertragsstaat A ansässige Arbeitnehmer über eine Vollmacht – auch während seiner Tätigkeit im Homeoffice –, im Namen seines im Vertragsstaat B ansässigen Arbeitgebers Verträge abzuschließen. Die Vollmacht umfasst in erster Linie die Akquise von im Vertragsstaat A ansässigen Kunden.

Im Rahmen71 der allgemeinen gesellschaftlichen Digitalisierung werden Verträge immer häufiger online abgeschlossen. Per Mausklick können Waren verkauft und Dienstleistungen in Anspruch genommen werden. Schließt der Arbeitnehmer entsprechende Verträge aus seinem Homeoffice heraus ab, stellt sich die Frage, ob dadurch eine sog. Vertreterbetriebsstätte begründet werden kann. Bei einer Vertreterbetriebsstätte ist eine Verfügungsmacht des Arbeitgebers am Homeoffice entbehrlich. Sie kommt somit auch bei Arbeitnehmern in Betracht, denen im Betrieb ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.

Bezieht sich die Vertretung auf Tätigkeiten unterstützender Art i. S. des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 , liegt ein Betriebsstättenausschluss vor. Eine Vertretung des Unternehmens bei Hilfs- und Nebentätigkeiten sowie – vorbehaltlich der Änderung im OECD-Musterabkommen – beim Wareneinkauf führt somit nicht zur Begründung einer Vertreterbetriebsstätte (s. oben IV, 1, a). Erforderlich ist vielmehr eine Vertretung im Hinblick auf Haupttätigkeiten des Unternehmens. Hierunter fällt in erster Linie die Mitwirkung am Verkauf von Waren und Dienstleistungen des Arbeitgebers.

Die72  Vertretertätigkeit i. S. des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2015 setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine Vollmacht hat, um im Namen des Arbeitgebers Verträge abzuschließen. Darüber hinaus muss er die Vollmacht auch gewöhnlich ausüben. Gewöhnlich bedeutet, dass ein einmaliger Vertragsabschluss nicht ausreichend ist. Die Tätigkeit muss vielmehr auf Dauer angelegt sein. Dies dürfte bei Arbeitnehmern im Homeoffice regelmäßig der Fall sein, da die Homeoffice-Tätigkeit i. d. R. auf längere Zeit ausgerichtet ist.

Der Vertreter muss bevollmächtigt sein, für das von ihm vertretene Unternehmen Verträge zu schließen. Dies ist gegeben, wenn das vertretene Unternehmen durch seine Erklärung unmittelbar gebunden wird, selbst wenn die Verträge nicht im Namen des Unternehmens abgeschlossen werden.73 Ob der Arbeitnehmer eine Abschlussvollmacht hat, entscheidet sich nicht nach zivilrechtlichen Kriterien, sondern unter Einbeziehung des tatsächlichen Verhaltens der Vertragspartner.74 Wenn der Arbeitnehmer aus dem Homeoffice heraus Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife führt, der fertige
 
Vertrag jedoch von der Unternehmensleitung im anderen Staat unterschrieben wird, liegt dennoch eine Abschlussvollmacht im Sinne des DBA vor.

Nicht erforderlich ist, dass sich der Vertragspartner im gleichen Staat befindet wie das Homeoffice des Arbeitnehmers. Sind die Vertragspartner im gleichen Staat wie der Arbeitgeber und schließt der Arbeitnehmer mit ihnen aus seinem Homeoffice im anderen Staat gewöhnlich Verträge ab, ist dennoch eine abkommensrechtliche Vertreterbetriebsstätte gegeben.

Ergebnis Abwandlung 1:

Vorausgesetzt, der Arbeitnehmer übt die Vollmacht im Homeoffice gewöhnlich im Sinne von „regelmäßig“ aus, kann eine abkommensrechtliche Vertreterbetriebsstätte angenommen werden.

Im Zuge75 des BEPS-Projekts wurde der Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2017 erweitert. Zum einen ist im Abkommenswortlaut ausdrücklich klargestellt worden, dass es ausreichend ist, wenn die Person für ein Unternehmen gewöhnlich Verträge abschließt. Eine (zivilrechtliche) Vollmacht ist nicht notwendig. Entsprechend wurde bereits das frühere OECD-MA ausgelegt. Darüber hinaus ist es für eine Vertreterbetriebsstätte ausreichend, wenn die Person eine führende Rolle beim Abschluss der Verträge einnimmt.

Zu beachten ist außerdem, dass seit dem OECD-Musterabkommen 2017 eine Vertretung des Arbeitgebers beim Wareneinkauf nur noch einen Ausschlusstatbestand gem. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2017 bildet, wenn der Wareneinkauf nicht einer Haupttätigkeit des Unternehmens zuzurechnen ist. Es ist davon auszugehen, dass in zukünftigen Abkommen diese erweiterte Vertreterdefinition übernommen wird.

3. Geschäftsleitungsbetriebsstätte

Beispiel 3 (Abwandlung 2):

Der im Vertragsstaat A ansässige Arbeitnehmer ist Geschäftsführer einer im Vertragsstaat B ansässigen GmbH. Vertragsgemäß kann er die Geschäftsleitungstätigkeiten auch im Homeoffice ausüben.

Eine Betriebsstätte ist nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 auch ein Ort der Leitung. Dieser ist vom Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung gem. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA 2017 zu differenzieren, nach dem sich die Ansässigkeit eines Unternehmens richtet. Eine Gesellschaft oder eine andere Personenvereinigung kann immer nur einen Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben. Ein Leitungsort i. S. des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 kann dagegen an mehreren Orten vorhanden sein. 76

Art. 577 Abs. 2 OECD-MA 2017 enthält Regelbeispiele für Betriebsstätten i. S. von Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 . Ein Ort der Leitung führt nur zu einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte, wenn er zugleich die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA 2017 erfüllt.78 Daraus folgt, dass das Homeoffice eines leitenden Angestellten nur dann eine Betriebsstätte darstellt, wenn der Arbeitgeber daran Verfügungsmacht hat. Art. 5 Abs. 2 OECD-MA 2017 kommt deswegen nur eine deklaratorische Bedeutung zu.

Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zum innerstaatlichen Recht. Die Stätte der Geschäftsleitung nach § 12 Satz 2 Nr. 1 AO erfordert nämlich nicht notwendigerweise eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage.79 § 12 Satz 2 AO wird als Erweiterung des in § 12 Satz 1 AO enthaltenen Grundtatbestands einer Betriebsstätte verstanden.

Ergebnis Abwandlung 2:

In der Abwandlung 2 liegt keine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinne nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA 2017 vor. Der Arbeitnehmer kann nach seinem Arbeitsvertrag frei entscheiden, ob er im Homeoffice tätig wird. Dem Arbeitgeber obliegt keine Verfügungsmacht über das Homeoffice.

Fazit

Im internationalen Kontext ist ein Trend zur Annahme von Betriebsstätten bei einer Tätigkeit im Homeoffice erkennbar. Dies ist zuletzt durch die Ergänzung des OECD-Musterkommentars im Jahr 2017 deutlich geworden. Ob eine Tätigkeit im Homeoffice eine Betriebsstätte im abkommensrechtlichen Sinn begründet, bestimmt sich nach Art. 5 OECD-MA 2017 bzw. nach den Doppelbesteuerungsabkommen. Maßgebend für die Auslegung des Abkommensartikels ist grds. der OECD-Musterkommentar in der Fassung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (statische Auslegung). Gleichwohl sprechen sich Stimmen sowohl in Literatur als auch die Rechtsprechung für eine dynamische Auslegung aus und messen dem OECD-Musterkommentar in seiner jeweiligen Fassung einen erklärenden Wert für die Auslegung früher abgeschlossener Abkommen zu. Die Bestimmung, ob eine Betriebsstätte im Sinne des OECD-Musterabkommens 2017 vorliegt, hat nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Oftmals ist aufgrund der Art der Tätigkeit ohnehin ein Betriebsstättenausschluss gegeben. So ist bei bloßen Hilfs- und Nebentätigkeiten grds. immer eine Betriebsstätte zu verneinen. In anderen Fällen ist häufig die ständige Verfügungsmacht des Arbeitgebers am Homeoffice ausschlaggebend. Der Arbeitgeber besitzt keine Verfügungsmacht, wenn dem Arbeitnehmer ein weiterer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, den er regelmäßig aufsucht. Dagegen kann bei einer nahezu ausschließlichen Tätigkeit im Homeoffice, die nicht nur vorbereitender oder unterstützender Art ist, eine Betriebsstätte begründet werden.

Autoren

Raphael Schuster
ist als Steueramtmann im Bayerischen Landesamt für Steuern, München tätig.

Tina Verleger
ist als Regierungsdirektorin im Bayerischen Landesamt für Steuern, München, Nürnberg und Zwiesel tätig.

NWB Steuern International | Optimal beraten bei internationalen Fragen.

Fundstelle(n):
IWB 21 / 2020 Seite 861
NWB JAAAH-63034


1StA Raphael Schuster und RDin Tina Verleger sind im Bayerischen Landesamt für Steuern, München, Nürnberg und Zwiesel tätig. Der Beitrag gibt ausschließlich die eigene Rechtsauffassung der Autoren wieder und ist nicht in dienstlicher Eigenschaft geschrieben.

2Vgl. hierzu Dissen/Wernli, IWB 14/2020 S. 577 NWB EAAAH-53803; Bruns, ISR 2020 S. 228; Holthaus, IWB 20/2020 S. 834 NWB QAAAH-61468.

3Mobiles Arbeiten erreicht die Arbeitswelt klassischer Bürotätigkeiten

4Homeoffice ist nicht legaldefiniert

5Fuhrmann in Korn, EStG (124. Erg.-Lfg. 2000), § 9 Rz. 130.

6BFH, Urteil v. 30.10.1996 - II R 12/92 NWB HAAAA-95733.

7BFH hat den häuslichen Charakter näher umschrieben

8BFH, Urteil v. 9.8.2011 - VIII R 4/09 NWB IAAAD-99023; BFH, Urteil v. 18.4.2012 - X R 57/09 NWB EAAAE-16636; BFH, Urteil v. 15.10.2014 - VIII R 8/11 NWB IAAAE-97183.

9Strittig ist, wann ein Homeoffice eine Betriebsstätte i. S. von § 12 AO begründet

10BFH, Beschluss v. 20.6.2016 - X B 14/16 NWB RAAAF-81417; BFH, Beschluss v. 9.5.2017 - X B 23/17 NWB GAAAG-51387.

11Geils, IWB 11/2019 S. 433 NWB ZAAAH-16283.

12BFH, Urteil v. 23.10.2014 - III R 19/13 NWB FAAAE-84606; Schiffers/Köster/Feldgen, EStG - eKommentar (Online-Stand Januar 2020), § 4 Rz. 191.

13Vgl. dazu Geils, IWB 11/2019 S. 433 NWB ZAAAH-16283.

14Abkommensrechtlicher Begriff ist ähnlich, aber in Teilaspekten enger

15BFH, Urteil v. 28.6.1972 - I R 35/70 NWB VAAAA-90802.

16Görl in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl. 2015, Art. 5 OECD-MA Rz. 12.

17BFH: Mindestens sechs Monate muss die Tätigkeit von zu Hause erfolgen

18BFH, Urteil v. 28.6.2006 - I R 92/05 NWB LAAAC-33453.

19Zentral ist die Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die Räumlichkeiten

20BFH, Beschluss v. 9.1.2019 - I B 138/17 NWB FAAAH-16002.

21Ausschluss von vorbereitenden oder Hilfstätigkeiten

22Tz. 19 OECD-MK 2017 zu Art. 5 OECD-MA 2017 .

23Die Qualifizierung einer Tätigkeit hängt vom Einzelfall ab

24BFH, Urteil v. 23.1.1985 - I R 292/81 NWB QAAAB-03081.

25BMF, Schreiben v. 24.12.1999 - IV B 4 - S 1300 - 111/99 NWB PAAAA-88141 (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze).

26Hilfstätigkeiten sind meist nicht betriebstypisch

27Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, DBA (137. Erg.-Lfg. 2017), Art. 5 OECD-MA , Rz. 178; Görl in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Art. 5 OECD-MA Rz. 93.

28Ausschluss bei Informationseinholung und Einkauf mit untergeordnetem Rang

29BFH, Urteil v. 23.1.1985 - I R 292/81 NWB QAAAB-03081.

30BFH, Urteil v. 23.1.1985 - I R 292/81 NWB QAAAB-03081.

31Ein faktischer Zugriff auf die Räume reicht, aber es muss eine gesicherte Rechtsposition bestehen

32BFH, Urteil v. 30.1.1974 - I R 87/72 NWB MAAAB-04653; Görl in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Art. 5 OECD-MA Rz. 16.

33BFH, Urteil v. 17.3.1982 - I R 189/79 NWB VAAAA-91758; BFH, Urteil v. 3.2.1993 - I R 80-81/91 NWB EAAAB-04835.

34BFH, Urteil v. 24.8.2011 - I R 46/10 NWB KAAAD-94174.

35BFH, Urteil v. 3.2.1993 - I R 80-81/91 NWB EAAAB-04835; BFH, Urteil v. 4.7.2012 - II R 38/10 NWB OAAAE-16637.

36OECD spricht das Thema seit 2017 an, sieht darin aber kein praktisches Problem

37Tz. 18 f. OECD-MK 2017 zu Art. 5 OECD-MA 2017 .

38Kontinuität der Nutzung soll Indiz für Zugriff des Arbeitgebers sein

39Tz. 18 OECD-MK 2017 zu Art. 5 OECD-MA 2017 .

40Tz. 19 OECD-MK 2017 zu Art. 5 OECD-MA 2017 .

41Rat der OECD wendet Kommentierung auch auf bestehende DBA an

42Ebenso Wichmann, FR 2011 S. 1082, 1083.

43Andere Meinung hält eine statische Auslegung für richtig

44Lehner in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 127 m. w. N.

45Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge v. 23.5.1969 (BGBl 1985 II S. 927 ff. ).

46Lehner in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 127c.

47Lehner in Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Grundlagen des Abkommensrechts Rz. 127d.

48BFH, Urteil v. 12.10.2011 - I R 15/11 NWB SAAAE-03563; Czakert, IStR 2012 S. 703, 705.

49Czakert, IStR 2012 S. 703, 705.

50BFH verfolgt eher eine statische Auslegung

51BFH, Urteil v. 25.5.2011 - I R 95/10 NWB UAAAD-88272; BFH, Urteil v. 16.1.2014 - I R 30/12 NWB JAAAE-61355; ebenso Ditz/Quilitzsch, FR 2012 S. 493, 494.

52BFH, Urteil v. 12.10.2011 - I R 15/11 NWB SAAAE-03563.

53BFH billigt dem Kommentar aber erklärenden Wert auch für frühere Fassungen zu

54BFH, Urteil v. 8.4.1997 - I R 51/96 NWB GAAAB-04856. In seiner Entscheidung v. 19.3.1997 - I R 37/96 NWB KAAAB-38951 kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Aktualisierungen zu Art. 15 Nr. 5 OECD-MA nur der Klarstellung des insoweit unverändert gebliebenen Abkommenstextes dienen.

55BFH, Urteil v. 16.12.1998 - I R 40/97 NWB RAAAA-96424.

56Fehlende (ständige) Verfügungsmacht des Arbeitgebers schließt Betriebsstätte in der Praxis i. d. R. aus

57Vgl. BFH, Urteil v. 9.6.2005 - IX R 4/05 NWB KAAAB-68610; BAG, Urteil v. 12.4.2011 - 9 AZR 14/10 NWB UAAAH-61766.

58Auch Desksharing mit Arbeitstagen zu Hause ändert an dieser Bewertung nichts

59Vgl. BFH, Urteil v. 28.6.2006 - I R 92/05 NWB LAAAC-33453.

60Drüen in Tipke/Kruse, AO - FGO (162. Erg.-Lfg. 2020), § 12 AO Rz. 14; Heinsen in Gosch, AO - FGO (155. Erg.-Lfg. 2020), § 12 AO Rz. 13; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO - FGO (159. Erg.-Lfg. 2020), § 12 AO Rz. 17a.

61BFH, Beschluss v. 10.11.1998 - I B 80/97 NWB VAAAA-63012.

62Vgl. Tz. 18 und 19 OECD-MK 2017 zu Art. 5 OECD-MA 2017 .

63Individuelle Abrede kann Verfügungsmacht zum Gegenstand haben

64Vgl. BFH, Urteil v. 4.6.2008 - I R 30/07 NWB BAAAC-90149.

65Rehfeld in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA (Online-Stand Mai 2019) NWB JAAAD-13613, Art. 5 OECD-MA Rz. 82.

66Nahezu vollständige Arbeit im Homeoffice ist wichtges Indiz – nicht aber alleiniger Gebrauch

67Vgl. öBMF, EAS 3415 v. 27.6.2019 - BMF-010221/0323-IV/8/2018; dazu Hummer/Zeintl, IWB 21/2020 S. 872 NWB SAAAH-63005 (in diesem Heft).

68Technische Ausstattung reicht ggf. für ein Homeoffice aus

69BFH, Urteil v. 3.2.1993 - I R 80-81/91 NWB EAAAB-04835.

70FG Düsseldorf, Urteil v. 23.10.2008 - 14 K 4841/05 G NWB CAAAD-35021.

71Bei Vertretungsvollmacht des Mitarbeiters im Homeoffice ist dessen Vollmacht entscheidend

72Die gewöhnliche Ausübung der Vollmacht ist ebenfalls erforderlich

73Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Art. 5 OECD-MA Rz. 117.

74Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Art. 5 OECD-MA Rz. 118.

75Die zivilrechtliche Vollmachtsqualität ist nicht maßgeblich

76Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Art. 4 OECD-MA Rz. 265.

77Art. 5 Abs. 2 OECD-MA 2017 hat nur deklaratorische Bedeutung

78Tz. 45 OECD-MK 2017 zu Art. 5 OECD-MA 2017 ; Vogel/Lehner, DBA, a. a. O., Art. 5 OECD-MA Rz. 39.

79BFH, Urteil v. 28.7.1993 - I R 15/93 NWB RAAAA-94723.

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