Planung und Durchführung der Abschlussprüfung als Fernprüfung

Was bleibt von der Abschlussprüfung „remote“ nach Bewältigung der Coronavirus-Pandemie?

Das Coronavirus sorgte mit seiner pandemischen Ausbreitung weltweit für bislang noch nie dagewesene Einschränkungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Das stellte Unternehmen nicht nur bei Erstellung des Jahresabschlusses und des Lageberichts sowie Abschlussprüfer bei deren Prüfung vor bisher nicht gekannte Herausforderungen. Infolge angeordneter Reise- und Kontaktbeschränkungen, um die Ausbreitung des Virus zeitlich zu verzögern, sind zuvor eher seltene Home Office-Tätigkeiten und der verstärkte Einsatz digitaler Anwendungen und Technologien u. a. zur unternehmensinternen und -externen Kommunikation nunmehr Normalität. Daraus ergaben sich dem Inhalt und dem Umfang nach erhebliche Auswirkungen auf, aber auch Möglichkeiten für die Abschlussprüfung, die mehr oder minder „von jetzt auf gleich“ eine Neuausrichtung dieser Tätigkeit erforderten. Mittlerweile ist die Bewältigung der Coronavirus-Pandemie noch nicht geschafft, gleichwohl scheint dies in Sicht. Damit stellt sich nun die Frage: Was wird auch künftig bleiben und wieweit genutzt werden können? Antworten gibt der Beitrag zum Modell der Abschlussprüfung als Fernprüfung primär auf der Grundlage fachlicher Hinweise des IDW zu den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Abschlussprüfung.

Kurte, Einführung von New-Work-Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie, WP Praxis 6/2021 S. 200NWB PAAAH-78841

 

Kernaussagen
  • Neuere technische Möglichkeiten und die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie verliehen der bereits mehrere Jahrzehnte alten Idee von der Abschlussprüfung als Fernprüfung quasi „von jetzt auf gleich“ einen zuvor nicht da gewesenen Umsetzungsanstoß.

  • Mögliche Einsatzfelder sowie Ansatzpunkte im Zusammenhang mit Fernprüfungen im Rahmen der Abschlussprüfung sind bereits umfangreich. Allerdings unterliegen mit Fernprüfungshandlungen eingeholte Prüfungsnachweise höheren Verlässlichkeitsrisiken. Diesen müssen, können Abschlussprüfer aber auch wirksam begegnen.

  • Nach Bewältigung der Coronavirus-Pandemie ist kein gänzlicher „reset“ der darin angestoßenen Ausrichtung der Abschlussprüfung als Fernprüfung zu erwarten. Wieweit diese Ausrichtung indes beibehalten bleibt, werden auch die Verhältnisse des Einzelfalls beeinflussen.

I. Aktualität und Bedeutung des Themas

Seit nunmehr rund 18 Monaten beeinflusst die Coronavirus-Pandemie Wirtschaft und Gesellschaft weltweit in erheblichem Ausmaß. Angesichts der Ausbreitungsdynamik, der Schwierigkeit, sich vor einer Übertragung zu schützen und der Gefährlichkeit der Krankheit, ergriffen und ergreifen Regierungen und Behörden je nach Region auch weiterhin Maßnahmen, die das öffentliche Leben erheblich einschränken und die Wirtschaft stark negativ beeinträchtigen. Meldungen über (vorübergehende) Ein- und Ausreisestopps, Schließungen von Landesgrenzen, Häfen, öffentlichen Einrichtungen aller Art oder Betrieben verschiedener Wirtschaftszweige u. a., Absage von Messen und anderen öffentlichen Veranstaltungen sowie sportlichen Wettbewerben bzw. Ausschluss von Zuschauern dabei, Ausdünnung des Flug- und Bahn- sowie sonstigen Reiseverkehrs usw. bestimmten täglich die Nachrichten. Trotz aller Anstrengungen erkrankten über 180 Mio. und starben rund 4 Mio. Menschen am Coronavirus.1

Zwar wurden gegen die Krankheit vergleichsweise schnell Impfstoffe entwickelt und zugelassen. Ihre Auslieferung aber läuft nicht überall gleichmäßig rund und so wird die Verabreichung an die (Welt)Bevölkerung noch eine gewisse Zeit dauern. Auch scheint ihre Wirksamkeit gegen umlaufende Mutationen des Coronavirus zum Teil begrenzt zu sein. Daher sind eine Bewältigung der Coronavirus-Pandemie sowie ein Ende der beschriebenen Beschränkungen und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen weiter nicht hinreichend verlässlich absehbar, scheinen wohl aber in Sicht.

Pandemiebedingte Folgen beeinflussten auch das Umfeld der Abschlussprüfung wesentlich. Um den Berufstand dabei zu unterstützen, sich daran anzupassen, veröffentlichte das IDW mehrere fachliche Hinweise.2 Darin werden u. a. auch die Auswirkungen von Heimarbeit (Home Office) beim zu prüfenden Unternehmen oder der Einsatz von Videotechnologie, externem Datenzugriff und anderen elektronischen Mitteln zur Erlangung von Prüfungsnachweisen thematisiert. Damit kann z. B. die Beobachtung der Durchführung der Inventur oder (anderer) manueller Kontrollaktivitäten durch Abschlussprüfer3, die Einholung von Bestätigungen von Dritten oder Erklärungen der gesetzlichen Vertreter, die Durchführung von Befragungen, die Einsicht in Dokumente und andere Unterlagen oder die Auswertung von im Unternehmen erfassten Daten ortsunabhängig – also per Fernprüfung – durchgeführt werden.

Ideen zur Fernprüfung sind nicht neu. Sie wurden bereits vor rund 30 Jahren ausführlich formuliert.4 Allerdings bedurfte es neben neuer technischer Möglichkeiten vielleicht gerade eines solch einschneidenden Ereignisses wie der Coronavirus-Pandemie, um dieser Idee den nötigen Umsetzungsanstoß zu verleihen.

Auch nach Bewältigung der Coronavirus-Pandemie werden diese Möglichkeiten zur Fernprüfung im Rahmen der Abschlussprüfung weiter nutzbar sein. Und ein „reset“ ist nicht zu erwarten. Zum einen, weil Berührungsängste verflogen und in Vielem eine gewisse Anwendungsroutine erreicht worden sind, auch, wenn die gegenwärtig bestehenden Möglichkeiten noch lange nicht von allen Berufsangehörigen in der Abschlussprüfungspraxis umgesetzt worden sind. Zum anderen, weil Fernprüfungshandlungen zur weiteren Rationalisierung der Abschlussprüfung beitragen können. Honorardruck5 und Schwierigkeiten der Nachwuchsgewinnung6 kann so zumindest zum Teil begegnet werden.

Ebenso kann die gegenwärtig verbreitete Arbeit im Home Office unter Nutzung von Videomeetings etc. für rechnungslegende Unternehmen künftig weiter interessant sein, bieten sich doch dadurch auch für sie Rationalisierungsmöglichkeiten, z. B. durch Abbau von Büroflächen sowie Vermeidung von Reisezeiten und -kosten.

Vor diesem Hintergrund greift der vorliegende Beitrag die Hinweise des IDW zur Änderung des Prüfungsumfeldes durch Home Office und zur Gewinnung von Prüfungsnachweisen durch Fernprüfungshandlungen auf und stellt sie mit Bezug auf ihre Zulässigkeit (Abschnitt II) sowie ihre Anwendungsmöglichkeiten und ihre Verlässlichkeit im Rahmen der Abschlussprüfung dar (Abschnitt III). Der Blick ist dabei auf den Hauptanwendungsfall gerichtet, die Abschlussprüfung bei Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 319a bzw. künftig § 316a HGB (Non-PIE). Darüber ggf. hinausgehend zu beachtende Aspekte bei der Abschlussprüfung der Unternehmen von öffentlichem Interesse oder bei der Konzernabschlussprüfung werden hierbei nicht behandelt. Gleiches gilt für die Prüfung der Unternehmensfortführungsannahme, deren gegenwärtig besonders häufige Relevanz künftig wieder auf „Normalmaß“ abnehmen wird7 sowie auch für die im Zusammenhang mit der „Wirtschaftsprüfung 2.0“ gerne thematisierten Aspekte Process Mining, Blockchain-Technologie, Robotics und künstliche Intelligenz.8

II. Zulässigkeit des Einsatzes von Fernprüfungshandlungen und ergänzende Anforderungen9

Weder die gesetzlichen Vorschriften zur Abschlussprüfung noch nationale oder internationale Prüfungsverlautbarungen verlangen, dass Abschlussprüfer die von ihnen für notwendig erachteten Prüfungshandlungen am Ort des zu prüfenden Unternehmens durchführen müssen. Die Durchführung geplanter oder auch alternativer Prüfungshandlungen ist daher nicht wie vor der Coronavirus-Pandemie üblich, allein oder ganz überwiegend mittels vor Ort-Prüfungen möglich. Alle Arten von Prüfungsaktivitäten wie Einsichtnahmen/Inaugenscheinnahmen, Beobachtungen, externe Bestätigungen, Nachvollziehen, Nachrechnen, analytische Prüfungshandlungen, Befragungen und Einholung schriftlicher Erklärungen können daher grundsätzlich auch mittels Fernprüfungen in Betracht kommen.

Denkbare und mögliche Formen der Prüfung sind dabei z. B. der Einsatz von Videokonferenzen, von Rundgängen mit Bildübertragung über ein Smartphone oder Tablet, die Einsichtnahme in eingescannte oder fotografierte Unterlagen oder Bildschirme, Nutzung des Postweges sowie „remote“-Zugänge zum Austausch von Unterlagen.

Allerdings unterliegen durch Fernprüfungshandlungen erlangte Prüfungsnachweise zumeist höheren Verlässlichkeitsrisiken als solche, die z. B. durch Einsichtnahme in Originaldokumente, Inaugenscheinnahme von Vermögensgegenständen vor Ort, Beobachtung oder Nachvollziehen von Verfahren oder Kontrollaktivitäten vor Ort oder durch Befragungen vor Ort mit Möglichkeit zur direkten Wahrnehmung der Körpersprache der befragten Personen erlangt werden.10

Diesen Risiken müssen Abschlussprüfer angemessen begegnen und beurteilen, ob sie durch Fernprüfungshandlungen die nötigen ausreichend geeigneten Prüfungsnachweise erlangen können bzw. nach ihrer Durchführung erlangt haben.

III. Einzelaspekte der Prüfungsplanung und -durchführung bei Fernprüfungen

1. Auswirkungen des Home Office11

Auch nach Bewältigung der Coronavirus-Pandemie werden viele Unternehmen ihren Mitarbeitern soweit möglich Tätigkeit im Home Office weiter anbieten und ermöglichen.12 Home Office ist dabei nicht stets als Telearbeitsplatz im Sinne der Arbeitsstättenverordnung13 zu verstehen, sondern allgemein als nicht ausschließlich für die Tätigkeit in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers bestimmter mobiler Arbeitsplatz. Darunter fällt auch eine zumindest zeitweilige Tätigkeit der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber aus Räumlichkeiten außerhalb seiner Geschäftsräume, z. B. an ihrem Wohnsitz („Heimarbeit“). Für eine weitere Tätigkeit im Home Office sprechen Zeit- und Kostenvorteile für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer.

Solch veränderte Arbeitsbedingungen werden häufiger auch vorherige interne Kontrollen verändern (Anpassung des Kontrolldesigns). Infolgedessen können vorherige interne Kontrollen zur Aufdeckung oder Vermeidung von Fehlern ggf. weniger geeignet sein, z. B. wenn die Kontrolldurchführung in ihrer Häufigkeit verringert oder auf andere, weniger erfahrene Mitarbeiter übertragen wird.14

Das beeinflusst u. a. die Organisation dieser Unternehmen und auch die Prozesse und Kontrollen zur Aufstellung der zu prüfenden Finanzinformationen im Jahresabschluss und Lagebericht. Aufgrund dessen kann daher bei wesentlichen Kontrollen das Kontrollrisiko anders zu beurteilen sein.

Beispiele
  • Veränderung des Kontrolldesigns, z. B. durch Verringerung der Kontrollhäufigkeit, um ihre Durchführung auch beim Home Office des Personals aufrecht erhalten zu können.

  • Nichtanpassung des Kontrolldesigns trotz faktischer Prozessänderung beim Home Office des Personals, z. B. durch Änderung der Zuständigkeiten zur Durchführung manueller Kontrollen.

  • Umfangreiche Änderung von Berechtigungen für die Tätigkeit des Personals im Home Office; dann ist (neu) zu beurteilen, ob rechnungslegungsrelevante Daten durch angemessene und wirksame Kontrollen (weiterhin) vor unberechtigter Änderung geschützt sind.

  • Kurzfristige Einführung neuer Technologien; ggf. sind dann vorher implementierte automatische oder manuelle Kontrollen noch nicht ausgereift.


Wollen sich Abschlussprüfer bei solchen Veränderungen gegenüber der Tätigkeit des Personals im „Office“ auf das Kontrollumfeld und relevante Kontrollen verlassen, müssen sie in der Prüfungsplanung die sich daraus ergebenden Risiken feststellen und Schlussfolgerungen für ihr weiteres Prüfungsvorgehen ziehen. Soweit erforderlich, kann dann im Prüfungsprogramm als Reaktion auf Aussageebene ein stärkerer Einsatz von Einzelfallprüfungen nötig sein. Aussagebezogene analytische Prüfungshandlungen sind bei wesentlichen Mängeln im IKS nur bedingt einsetzbar, als alleinige weitere Prüfungshandlung ungeeignet.

Weiter ist zu beachten, dass durch Tätigkeit im Home Office veränderte Kontrolldesigns vorherige Funktionstrennungen außer Kraft setzen und so Gelegenheiten für Täuschungen und Vermögensschädigungen entstehen können. Aufgrund dessen ist es möglich, das Risiko wesentlicher falscher Darstellungen aufgrund von Verstößen bei Tätigkeit im Home Office höher beurteilen zu müssen als bei Tätigkeit im „Office“.

2. Datenaustausch und Verlässlichkeit von Prüfungsnachweisen15

Bei der Abschlussprüfung als Fernprüfung werden Abschlussprüfern Dokumente häufig auf elektronischem Weg zur Verfügung gestellt werden. Statt dazu die elektronische Post (E-Mail) zu nutzen, empfiehlt sich für den Datenaustausch die Einrichtung eines virtuellen Datenraums, über den sich Abschlussprüfer und zu prüfendes Unternehmen mit persönlichen Zugangsdaten anmelden. Der Datenraum muss aber vor allem die notwendigen Anforderungen an Vertraulichkeit und Datenschutz einhalten. Das gilt auch bei Einschaltung von Dienstleistern, z. B. bei Nutzung einer „Cloud“. Eine insoweit unbedenkliche Infrastruktur zum Datenaustausch muss rechtzeitig geplant und einwandfrei funktionsfähig umgesetzt werden.

Abschlussprüfer müssen Prüfungshandlungen so planen und durchführen, dass sie unter den Umständen des Einzelfalles ausreichende und angemessene bzw. geeignete Prüfungsnachweise erlangen. Nach den Grundsätzen für die Verlässlichkeit von Prüfungsnachweisen16 werden z. B. Originaldokumente grundsätzlich verlässlicher beurteilt, als in Kopie oder eingescannt vorgelegte Unterlagen. Dies ist bei Fernprüfungshandlungen zu beachten, denn dabei wird die Einholung von Prüfungsnachweisen z. B. in Form der Einsicht in Originaldokumente von Abschlussprüfern grundsätzlich nicht beabsichtigt sein.

3. Auslagerung rechnungslegungsrelevanter betrieblicher Funktionen17

Haben Unternehmen rechnungslegungsrelevante Funktionen auf Dienstleistungsunternehmen ausgelagert, müssen Abschlussprüfer zur Feststellung und Beurteilung des Risikos wesentlicher falscher Darstellungen im Prüfungsgegenstand in der Prüfungsplanung ein ausreichendes Verständnis darüber gewinnen,

  • wie diese Dienstleistungen in Anspruch genommen werden und

  • wieweit davon das rechnungslegungsrelevante interne Kontrollsystem (IKS) des zu prüfenden Unternehmens beeinflusst wird.

Die notwendige Informationsgrundlage dazu wird häufig bereits von den zu prüfenden Unternehmen bereitgestellt werden können. Reicht das nicht aus, kommt dafür ergänzend die Verwertung von Berichterstattungen vom Typ 1 oder Typ 2 i. S. des IDW PS 951 n. F. über die Prüfung des dienstleistungsbezogenen internen Kontrollsystems beim Dienstleistungsunternehmen durch Abschlussprüfer in Betracht. Allerdings setzt dies voraus, dass solche Berichterstattungen verfügbar sind und auch die erforderlichen Nachweise liefern werden.

Notwendige Informationen, um das geforderte Verständnis zu erlangen, können Abschlussprüfer z. B. aus den folgenden Unterlagen gewinnen: Benutzer-Handbücher, Systemübersichten, fachliche Handbücher, (vertragliche) Vereinbarungen zwischen dem zu prüfenden und dem Dienstleistungsunternehmen, Berichte über Kontrollen beim Dienstleistungsunternehmen (vom Dienstleister, von der internen Revision oder von Aufsichtsbehörden).

Diese Unterlagen dürfen Abschlussprüfer vom zu prüfenden Unternehmen auch via Fernprüfung erhalten und auswerten. Dabei sind vor allem zwei Aspekte zu beachten. Zum einen die Verlässlichkeit der Unterlagen; dazu wird auch auf Abschnitt III.7 verwiesen. Zum anderen werden Abschlussprüfer aus diesen Unterlagen nicht in allen Fällen, soweit erforderlich, ausreichende geeignete Prüfungsnachweise darüber erlangen können, ob Kontrollen beim Dienstleistungsunternehmen angemessen ausgestaltet und implementiert worden sind. Ob und wieweit dies erforderlich ist, hängt vom Grad der Wechselwirkung zwischen einem zu prüfenden Unternehmen und dem von ihm beauftragten Dienstleistungsunternehmen ab.

Beispiel 1

Das zu prüfende Unternehmen genehmigt und überprüft Geschäftsvorfälle, die das Dienstleistungsunternehmen verarbeitet und bucht, z. B. im Bereich der Entgeltabrechnung. In diesem Fall besteht zwischen beiden Unternehmen ein hohes Maß an Wechselwirkung und es wird Abschlussprüfern ausreichen, Prüfungshandlungen zu relevanten Kontrollen beim zu prüfenden Unternehmen durchzuführen.

 

Beispiel 2

Das zu prüfende Unternehmen verlässt sich auf Kontrollen beim Dienstleistungsunternehmen in Bezug auf die Entstehung, Verarbeitung und Buchung von Geschäftsvorfällen. In diesem Fall besteht zwischen beiden Unternehmen ein geringer Grad an Wechselwirkung und Abschlussprüfer werden ein Verständnis von der Ausgestaltung und der Implementierung des für das von ihnen zu prüfende Unternehmen relevanten internen Kontrollsystems beim Dienstleistungsunternehmen erlangen müssen.


Liegt in einem Fall wie in Beispiel 2 beschrieben keine verwertbare aktuelle Berichterstattung i. S. von IDW PS 951 n. F. vor und ist auch nicht zu erwarten, dass sie im weiteren Verlauf einer Abschlussprüfung zur Verwertung vorliegen wird, werden mit Fernprüfungshandlungen nur in Ausnahmefällen ausreichende geeignete Prüfungsnachweise erlangt werden können. Ein solcher Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn Abschlussprüfer eine frühere Berichterstattung um Informationen vom Dienstleistungsunternehmen über Änderungen in dessen dienstleistungsbezogenem internen Kontrollsystem soweit erforderlich „virtuell“ fortschreiben können. Erforderliche Informationen müssen dann vom Dienstleistungsunternehmen vor allem über Befragungen und Einsicht in Unterlagen bereitgestellt werden. Das setzt indes voraus, dass Abschlussprüfer entsprechend vereinbarte Informationsrechte des jeweils zu prüfenden Unternehmens gegenüber ihren Dienstleistungsunternehmen nutzen können.

4. Beobachtende Teilnahme an der Inventur18

Sind Vorräte für den Jahresabschluss des zu prüfenden Unternehmens von wesentlicher Bedeutung, müssen Abschlussprüfer – soweit durchführbar – beobachtend an der Inventur teilnehmen, um ausreichende und angemessene Prüfungsnachweise vor allem zum Vorhandensein, zur Vollständigkeit und zur Beschaffenheit der Vorräte zu erlangen.19 Allerdings verlangen weder die gesetzlichen Vorschriften noch die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung bei der beobachtenden Teilnahme an der Inventur eine physische Anwesenheit des Abschlussprüfers (oder eines Mitglieds des Prüfungsteams) am Ort der zu beobachtenden Inventur.

Einbindung von Personal der Internen Revision des zu prüfenden Unternehmens bei der Abschlussprüfung anstelle der Abschlussprüfer oder ihres Personals ist untersagt und kommt damit im Rahmen von Fernprüfungen nicht in Betracht.20

Gegenwärtig verfügbare Technologien lassen grundsätzlich eine Überprüfung der durch die Inaugenscheinnahme und Beobachtung abzudeckenden Aussagen (vor allem Vorhandensein, Vollständigkeit und Beschaffenheit der fertigen Erzeugnisse) etwa mittels Echtzeit-Bildübertragungen über ein Smartphone oder einen Tablet-PC zu. Allerdings muss damit verbundenen Verlässlichkeitsrisiken auch hierbei im konkreten Einzelfall angemessen begegnet werden.

Zentrale Voraussetzungen dafür sind, dass die Bildübertragung vom Abschlussprüfer gesteuert werden kann und eine geeignete Bild- und Tonqualität gewährleistet ist. Nur so wird Abschlussprüfern etwa zur Überprüfung des Vorhandenseins und der Beschaffenheit der Vorräte nach eigenem Ermessen möglich, bestimmte Lagerorte näher in Augenschein zu nehmen oder ggf. auch Verpackungen öffnen zu lassen, um sich von ihrem Inhalt überzeugen zu können.

Darüber hinaus werden sich Abschlussprüfer mit folgenden Aspekten auseinandersetzen müssen und Maßnahmen ergreifen, um ihnen Rechnung zu tragen:

  • Lassen sich Vorhandensein und Vollständigkeit der Vorräte mit der gewählten Vorgehensweise überhaupt beurteilen? Damit die Bildübertragung sinnvoll steuerbar ist, müssen Abschlussprüfer die Gegebenheiten beim zu prüfenden Unternehmen vor Ort und die Lagerorte kennen sowie ein Verständnis von der Vorgehensweise bei der Inventur und ihrer internen Kontrolle erlangt haben. Dazu gehört insbesondere auch zu wissen, wie die vollständige Aufnahme aller Vorräte sichergestellt und Doppelzählungen oder Aufnahmen nicht vorhandener Vorräte ausgeschlossen werden, z. B. durch Kennzeichnung bereits aufgenommener Bestände und Begehung des gesamten Lagers per Video-Feed sowie Abstimmung einzelner Bestände mit den Aufnahmen im Inventar. Bei Erstprüfungen wird auch der alleinige Rückgriff auf Lagepläne regelmäßig nicht ausreichen. Vielmehr wird es erforderlich sein, dass Abschlussprüfer sich, soweit möglich, durch eine Begehung oder ggf. auch durch einen selbst organisierten Drohneneinsatz im Vorfeld der Inventur von der tatsächlichen Existenz sowie der Anordnung der Räumlichkeiten und Lagerplätze überzeugen. Dies ist insbesondere bei Außenlägern von Bedeutung.

  • Kann die Beschaffenheit der Vorräte im Inventar beurteilt werden? Sind die Bildübertragungen nicht hoch aufgelöst, lassen sich Hinweise auf Schäden oder veraltete Bestände möglicherweise nicht erkennen und die Beschaffenheit der Vorräte im Inventar nicht beurteilen.

  • Höheren Risiken der präsenzlosen Inventurbeobachtung und wesentlicher falscher Darstellungen aufgrund von Verstößen bei den Vorräten können Abschlussprüfer durch größere Stichproben und geringere Vorhersehbarkeit der von ihnen veranlassten Kontrollzählungen begegnen.

  • Erforderlichenfalls sollten Abschlussprüfer in Betracht ziehen, für die Inventurprüfung erfahrenes Personal einzusetzen.

Abhängig von der Risikobeurteilung für wesentliche falsche Darstellungen in Bezug auf Vorhandensein, Vollständigkeit oder Beschaffenheit der Vorräte (z. B. weil das vorratsbezogene IKS nicht als uneingeschränkt verlässlich beurteilt wurde) ist von Abschlussprüfern mit kritischer Grundhaltung zu würdigen, ob durch Fernprüfungshandlungen voraussichtlich relevante und verlässliche Prüfungsnachweise erlangt werden können, insbesondere bei erhöhtem Risiko von Verstößen. In bestimmten Fällen kann es dann sinnvoll oder notwendig sein, zumindest einen Teil der Vorratsbestände bei der Inventur persönlich in Augenschein zu nehmen.

5. Einholung von Bestätigungen Dritter21

Nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlussprüfung dürfen Abschlussprüfer Bestätigungen Dritter auch in elektronischer Form einholen.22 Dafür gelten im Vergleich zur Einholung in Papierform keine besonderen oder zusätzlichen Anforderungen. Allerdings ist hierbei die Kontrolle über das Verfahren besonders wichtig, da Bestätigungen in elektronischer Form – primär E-Mail-basiert – ggf. leichter veränderbar sind als solche in Papierform.

Zur Kontrolle über das Verfahren gehören auch die Kontrolle über den Versand und die Beurteilung der Verlässlichkeit von Rückläufen.

Kontrolle über den Versand schließt bei E-Mail-basierten Saldenbestätigungsaktionen zum einen ein, die vom zu prüfenden Unternehmen als Adressaten benannten E-Mail-Adressen zumindest in Stichproben zu verifizieren. Möglichkeiten dazu sind u. a.

  • Abgleich der als Empfänger der Bestätigungen angegebenen E-Mail-Adressen mit Schriftwechsel des zu prüfenden Unternehmens, aus denen diese Adresse hervorgeht (Rechnungen, Lieferscheine u. a.),

  • Abgleich der als Empfänger der Bestätigungen angegebenen E-Mail-Adressen mit den im IT-System des zu prüfenden Unternehmens hinterlegten Adressen, sofern das Unternehmen über einen nach den Feststellungen des Abschlussprüfers wirksamen Prozess der Anlage und Änderung von Stammdaten (hier: von Kundenstammdaten einschließlich Hinterlegung von E-Mail-Adressen) verfügt,

  • eigene Internetrecherchen des Abschlussprüfers (z. B. bzgl. der auf der Homepage des Empfängers angegebenen Kontaktdaten) oder

  • Plausibilisierung der als Empfänger der Bestätigungen angegebenen E-Mail-Adressen mit der dem Abschlussprüfer bekannten Adress-Systematik des jeweiligen Empfängers.

Zur Kontrolle über den Versand ist es zum anderen sicher und zweckmäßig, dass der Abschlussprüfer die E-Mail-Anfragen über seine eigene E-Mail-Adresse versendet und die Empfänger um direkte Rückantwort an seine E-Mail-Adresse bittet. Vorteile dessen sind:

  • direkter Erhalt von Rückmeldungen über den Versand, z. B. bei Eingang von Abwesenheits- oder Nichtzustellbarkeitsmeldungen und

  • Vermeidung von Antworten via „Antwort-Button“ an das zu prüfende Unternehmen; nicht an den Abschlussprüfer gerichtete Antworten sind keine Bestätigungen Dritter i. S. des IDW PS 302 n. F. und müssen dann wie fehlende Rückläufe alternativ geprüft werden.

Zur Sicherstellung der Verlässlichkeit von Bestätigungs-Antworten (Rückläufern) per E-Mail ist keine bestimmte Form erforderlich. Insbesondere ist nicht notwendig, dass die E-Mail-Antwort im Anhang ein eingescanntes und unterschriebenes Dokument enthält oder beim Abschlussprüfer neben der E-Mail-Antwort zusätzlich eine Antwort in Briefform eingehen muss. Ungeachtet dessen müssen Abschlussprüfer Prüfungshandlungen durchführen, um die Verlässlichkeit von Bestätigungs-Antworten per E-Mail zu beurteilen, denn diese können mit besonderen Risiken verbunden sein. Ursachen dafür können sein:

  • unklare Identität des Absenders wegen regelmäßig weniger formaler Gestaltung als bei Geschäftsbriefen und vor allem bei Rückläufen aus dem Ausland häufig Abfassung in einem eher informellen Stil, z. B. nur unter Nennung des Vornamens des Bearbeiters und

  • nachträgliche Veränderungen sind relativ leicht möglich, ohne dass dies zu erkennen ist, z. B. bei Weiterleitung einer Antwort an den Abschlussprüfer.

Abschlussprüfer können diese Risiken abschwächen z. B. durch direkte Kontaktaufnahme mit den Absendern oder Anwendung eines Verfahrens, mit dem die Identität der Absender bestätigt wird, z. B. Einsatz von Verschlüsselung oder von elektronischen digitalen Signaturen.

6. Einsatz von Datenanalysen23

6.1. Begriffsdefinition und wesentliche Merkmale

Datenanalysen können definiert werden als zielgerichtete und IT-gestützte Selektion, Aufbereitung und Auswertung von rechnungslegungsrelevanten Daten sowie Daten im Zusammenhang mit der Steuerung und Überwachung des IT-Systems mittels Analysewerkzeugen, die vom Abschlussprüfer selbst in Form von speziellen Auswertungsprogrammen oder vom geprüften Unternehmen i. d. R. innerhalb des IT-Systems bereitgestellt werden.

Beispiele für rechnungslegungsrelevante Daten sind: Buchungen und Geschäftsvorfälle, Konten und Journale (Haupt- und Nebenbücher) sowie ergänzende Aufstellungen und Auswertungen mit Rechnungslegungsbezug.

Beispiele für Daten zur Steuerung und Überwachung von IT-Systemen betreffen u. a.: Parametrisierung von ERP-Systemen, System- und Sicherheitsparameter, Logprotokolle über die Änderung von Systemeinstellungen, parametergesteuerte IT-Systemkontrollen, Verwaltung von Benutzerberechtigungen sowie Belegfluss und Kontrolle von Schnittstellen.

Datenanalysen gehören zu den IT-gestützten Prüfungstechniken. Mittels Datenanalysen lassen sich Prüfungshandlungen automatisieren und der manuelle Prüfungsumfang zur Gewinnung hinreichender Prüfungssicherheit reduzieren. Der Einsatz von Datenanalysen trägt so zur effektiven und effizienten Prüfungsdurchführung sowie zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Abschlussprüfung insgesamt bei, reicht allerdings alleine nicht aus, um sämtliche bedeutsamen Risiken wesentlicher falscher Angaben in der Rechnungslegung oder die Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit der IT-gestützten Rechnungslegung mit hinreichender Sicherheit beurteilen zu können.

6.2. Einsatzvoraussetzungen

Der Einsatz von Datenanalysen bei der Abschlussprüfung setzt u. a. voraus, dass

  • das zu prüfende Unternehmen IT-gestützte Systeme und Prozesse einsetzt,

  • Geschäftsvorfälle bzw. Kontrollen im zu prüfenden Unternehmen in elektronisch auswertbarer Form verarbeitet werden,

  • die für die geplanten Datenanalysen benötigten Daten verfügbar sind,

  • Abschlussprüfern ein entsprechender Datenzugang eingeräumt wird und

  • die für die Datenanalysen notwendigen Analysewerkzeuge verfügbar sind.

Zudem müssen für die Datenanalysen entsprechend qualifizierte Mitarbeiter im Prüfungsteam vorhanden sein. Im Fall von Datenanalysen im Rechnungslegungssystem bzw. mit den Analysewerkzeugen des zu prüfenden Unternehmens muss darüber hinaus sichergestellt sein, dass durch die Datenanalysen keine Daten im Produktivsystem geändert werden und das Laufzeitverhalten des IT-Systems nicht beeinflusst wird. Im Fall der Datenanalysen durch eigene Analysewerkzeuge des Abschlussprüfers müssen die technischen Voraussetzungen für einen Datenexport einschließlich Datenformate eingehalten sein.

6.3. Einsatzmöglichkeiten

Datenanalysen sind im Rahmen der Prüfungsplanung und -durchführung umfassend einsetzbar.

Beispiele

Zeitreihenanalysen (ggf. auf disaggregierter Ebene), Analyse auf ungewöhnliche Buchungen, Gegenkontoanalyse, Prüfung von Transaktions- oder Berechtigungsfreigaben, Analyse von Buchungen zu ungewöhnlichen Zeiten, Tagen oder von ungewöhnlichen Personen, Herausfiltern von manuellen Buchungen, Analyse kritischer Berechtigungskombinationen oder Buchungen durch Personen ohne entsprechende Kompetenzen, Abstimmung von Auftrag, Lieferung, Rechnung, Buchung im Einkauf oder Vertrieb und Herausfiltern von Abweichungen dabei, Analyse von Gängigkeitsabschlägen anhand der Umsatzentwicklung je Monat, Nachvollziehen der Ermittlung gleitender Durchschnittswerte, Abgleich des Personalgerüsts bei Pensionsrückstellungen etc.


Gegenüber diesen vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Datenanalysen bleiben die Hinweise vom IDW zu möglichen Fernprüfungshandlungen damit recht oberflächlich:24

  • Nachrechnen von Zahlenangaben in Dokumenten oder in Aufzeichnungen durch den Einsatz von Datenanalysen („Nachbau“ der Rechenlogik des IT-Systems),

  • Nachvollziehen von Kontrollen mithilfe von Datenanalysen (sofern möglich) und

  • analytische Prüfungshandlungen mittels Datenanalysen unter Zugriff auf Mandantendaten.

7. Einsicht in Dokumente und Unterlagen25

Räumen zu prüfende Unternehmen Abschlussprüfen einen Fernzugriff auf ihre IT-Systeme ein, können Abschlussprüfer damit z. B. gewünschte Auswertungen u. a. eigenständig abrufen. Für einen solchen Fernzugriff empfiehlt sich eine sichere Verbindung, z. B. über VPN.

Häufig wird Abschlussprüfern bei Fernprüfungen vom jeweils zu prüfenden Unternehmen ein solcher Fernzugriff auf dessen IT-Systeme allerdings nicht eingeräumt werden. In einem solchen Fall ist es Abschlussprüfern nicht möglich, Auswertungen wie z. B. Summen- und Saldenlisten eigenhändig zu erzeugen. Dann ist zu beachten, dass nicht eigenständig vom Abschlussprüfer erzeugte Auswertungen aus den IT-Systemen der zu prüfenden Unternehmen nur verlässliche Prüfungsnachweise liefern, wenn sie

  • mit Berichten („Reports“) abgerufen wurden, die vom Abschlussprüfer auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft wurden (dafür kommen aussagebezogene Prüfungshandlungen oder die Prüfung genereller IT-Kontrollen in Betracht) undS. 293

  • bei denen die Parametereinstellungen des IT-Systems entweder klar erkennbar sind oder auf andere Weise in geeigneter Form nachvollzogen werden können.

Gegebenenfalls kann es sich bei der Abschlussprüfung empfehlen, einen Bildschirmdruck (Screenshot) mit anzufordern, in dem der technische Name des jeweiligen Berichts und die jeweilige Abfrage dokumentiert ist.

Auch andere Unterlagen, die Abschlussprüfer bei Fernprüfungen vom jeweils zu prüfenden Unternehmen in elektronischer Form erhalten, z. B. in Form einer eingescannten Datei, unterliegen höheren Verlässlichkeitsrisiken als Unterlagen im Original; dazu wird auf Abschnitt III.2 verwiesen. Abschlussprüfer müssen diesen höheren Verlässlichkeitsrisiken bei Unterlagen in elektronischer Form in geeigneter Weise begegnen. Dazu haben sie verschiedene Möglichkeiten.

Beispiele
  • Beurteilung der Angemessenheit und Wirksamkeit interner Kontrollen des jeweiligen Unternehmens im Zusammenhang mit der Vorlage von Unterlagen in elektronischer Form, z. B. Wahrung des Vier-Augen-Prinzips bei der Freigabe solcher Unterlagen.

  • Vergleich einiger elektronisch vorliegender Unterlagen mit ihren jeweiligen Originalen (ergänzend zur Fernprüfung) und Rückschluss auf die Verlässlichkeit auch von anderen elektronisch vorliegenden Unterlagen, die in einem vergleichbaren Prozess erstellt und von den gleichen Personen freigegeben worden sind.

Das beschriebene Vorgehen kann sich für die folgenden Unterlagen eignen:

Beispiele

Verträge, Betriebsvereinbarungen, Protokolle über Sitzungen der gesetzlichen Vertreter, des Aufsichtsorgans und der Gesellschafter, Berichte der internen Revision, Risikoberichte, Managementberichte, Geschäftsordnungen, Ablaufbeschreibungen, Stellenbeschreibungen, Schriftwechsel des zu prüfenden Unternehmens mit Dritten, Grundbuchauszüge, Handelsregisterauszüge, Bestellungen, Rechnungen, Lieferscheine (jeweils in eingescannter und Abschlussprüfern elektronisch übermittelter Form).


8. Durchführung von Befragungen und Einholung von Erklärungen der gesetzlichen Vertreter26

Auch Prüfungsnachweise, die regelmäßig durch Befragungen oder Erklärungen der gesetzlichen Vertreter eingeholt werden, können mittels Fernprüfungshandlungen erlangt werden.

Beispiele
  • Befragungen im Rahmen der Teilnahme an Telefon- oder Videokonferenzen von Mitgliedern des Managements oder Mitgliedern der für die Überwachung Verantwortlichen im zu prüfenden Unternehmen.

  • Befragungen per Telefonat oder Webmeetings mit Mitgliedern des Managements, dem vorsitzenden Mitglied des Aufsichtsorgans, der Internen Revision oder anderen Mitarbeitern des zu prüfenden Unternehmens.

  • Einholung der Vollständigkeitserklärung mit Ersatz der eigenhändigen Unterschriften durch qualifizierte elektronische Signatur(en).

  • Bei Einholung anderer schriftlicher Erklärungen reicht die Textform ohne Unterzeichnung.


Anders als bei persönlichen Befragungen in physischer Präsenz ist mit Blick auf die Verlässlichkeit von Prüfungsnachweisen bei „Fernbefragungen“ zu beachten, dass die Körpersprache der jeweiligen Gesprächspartner bei Telefonaten nicht, bei Videokonferenzen und Webmeetings nur eingeschränkt wahrnehmbar ist; dazu wird auch auf Abschnitt II verwiesen.

9. Weitere Möglichkeiten der Anwendung von Fernprüfungshandlungen27

Einsatz von Live- oder anderer Echtzeit-Bildübertragung, auch Videoaufzeichnung oder Webmeeting kann auch außerhalb der beobachtenden Teilnahme an der Inventur zur Einsicht- bzw. Inaugenscheinnahme oder außerhalb von Befragungen in Betracht kommen.

Beispiele
  • Begehung des Rechenzentrums im Rahmen der IT-Systemprüfung zur Einsicht in Parametereinstellungen des IT-Systems oder zur Auswahl von Papierbelegen.

  • Beobachtung einzelner, von Mitarbeitern des jeweils zu prüfenden Unternehmens durchgeführter Tätigkeiten wie Warenannahme oder Warenversand.

  • Beobachtung einzelner, von Mitarbeitern des jeweils zu prüfenden Unternehmens im IT-System durchgeführter Kontrollaktivitäten, etwa die elektronische Freigabe einer Bestellung.


Des Weiteren können z. B. auch Formeln in Tabellenkalkulationen des zu prüfenden Unternehmens nach Zurverfügungstellung der jeweiligen Dateien mittels Fernprüfung auf Richtigkeit geprüft oder auch automatisierte Kontrollen per Daten-/System-Fernzugriff nachvollzogen werden.

IV. Beurteilung der Verlässlichkeit erlangter Prüfungsnachweise

Abschlussprüfer müssen beurteilen, ob und wieweit sie auf den genannten Wegen mittels Fernprüfungen ausreichende geeignete Prüfungsnachweise erlangen können bzw. nach Durchführung erlangt haben.

Wie gezeigt, ist dabei die Verlässlichkeit der Prüfungsnachweise von zentraler Bedeutung. Es wird auch zu berücksichtigen sein, wieweit Geschäftsvorfälle und Kontrollen beim zu prüfenden Unternehmen in seinen IT-Systemen in elektronisch auswertbarer Form vorliegen, ob und wieweit das zu prüfende Unternehmen dem Abschlussprüfer Zugang zu seinen IT-Systemen einräumt und wieweit digitale Kommunikation tatsächlich genutzt werden kann.

V. Fazit und Ausblick

Die Coronavirus-Pandemie stellte rechnungslegende Unternehmen und ihre Abschlussprüfer vor ihnen bisher nicht bekannte Herausforderungen. Infolge angeordneter Reise- und Kontaktbeschränkungen wurden Home Office-Tätigkeiten und der verstärkte Einsatz digitaler Anwendungen und Technologien u. a. zur Kommunikation zur gelebten Normalität.

Daraus ergaben sich dem Inhalt und dem Umfang nach erhebliche Auswirkungen auf, aber auch Möglichkeiten für die Abschlussprüfung, die mehr oder minder „von jetzt auf gleich“ eine Neuausrichtung dieser Tätigkeit erforderten. Mittlerweile ist die Bewältigung der Coronavirus-Pandemie noch nicht geschafft, gleichwohl scheint dies wohl in Sicht. Damit stellt sich nun die Frage: Was wird auch künftig bleiben und wieweit genutzt werden können?

Antworten sind im Beitrag zum Modell der Abschlussprüfung als Fernprüfung formuliert, primär auf der Grundlage fachlicher Hinweise des IDW zu den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Abschlussprüfung.

Erörtert wurden die Zulässigkeit von Fernprüfungshandlungen und ihre möglichen Einsatzfelder sowie Ansatzpunkte mit den Aspekten Auswirkungen des Home Office beim zu prüfenden Unternehmen, Datenaustausch zwischen zu prüfenden Unternehmen und Abschlussprüfern, Auslagerung rechnungslegungsrelevanter betrieblicher Funktionen (Outsourcing), beobachtende Teilnahme an der Inventur, Einholung von Bestätigungen Dritter, Einsatz von Datenanalysen, Einsicht in Dokumente und Unterlagen, Durchführung von Befragungen und Einholung von Erklärungen der gesetzlichen Vertreter sowie weitere Anwendungen. Prüfungsnachweise, die mit Fernprüfungshandlungen erlangt werden, unterliegen höheren Verlässlichkeitsrisiken. Diesen müssen, können Abschlussprüfer aber auch wirksam begegnen. Soweit erforderlich kann es dazu ggf. nötig sein, ergänzend Prüfungshandlungen beim jeweils zu prüfenden Unternehmen persönlich bzw. in physischer Präsenz vorzunehmen.

Auch nach Bewältigung der Coronavirus-Pandemie werden die beschriebenen Möglichkeiten zur Fernprüfung im Rahmen der Abschlussprüfung weiter nutzbar sein. Ein gänzlicher „reset“ ist nicht zu erwarten, denn Berührungsängste sind verflogen, in Vielem ist eine gewisse Anwendungsroutine erreicht worden und Fernprüfungshandlungen können auch zur weiteren Rationalisierung der Abschlussprüfung beitragen. Wieweit die Abschlussprüfung indes als Fernprüfung ausgestaltet (bleiben) wird, werden auch die Verhältnisse des Einzelfalls beeinflussen.

Autor

WP/StB Prof. Dr. Holger Philipps
ist Professor an der Hochschule Koblenz. Lehrgebiete: Wirtschaftliches Prüfungswesen, IFRS Reporting, Unternehmenssteuern. Forschungsschwerpunkt: Finanzberichterstattungspraxis. Repetitor für das Wirtschaftsprüfungsexamen. Autor zahlreicher Fachbücher und -aufsätze zur Rechnungslegung und Abschlussprüfung.

Fundstelle(n):
WP Praxis 9/2021 Seite 287
NWB DAAAH-87071


1Vgl. Lehmann u. a., Das Virus in Echtzeit, abrufbar unter https://go.nwb.de/al04e (Stand: ).

2Vgl. IDW, Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung zum Stichtag  und deren Prüfung (Teil 1) vom ; IDW, Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 2) vom ; IDW, Zweifelsfragen zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 3) vom . Der letztgenannte fachliche Hinweis wurde im Zeitverlauf regelmäßig aktualisiert und liegt mittlerweile in der Fassung „5. Update“ vom  vor. Alle fachlichen Hinweise sind abrufbar unter https://go.nwb.de/edlax. Im Folgenden wird davon Teil 3 als „Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3)“ zitiert.

3Hinweis zur Gender-Neutralität: Zur besseren Lesbarkeit verzichten die Ausführungen in diesem Beitrag auf eine durchgängige Differenzierung in geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen. Sofern die männliche Form verwendet wird, schließt dies alle möglichen Formen der Personenbezeichnung gleichberechtigt mit ein.

4Vgl. Falk, Fernprüfung, 1993.

5Vgl. Köhler/Gundlach/Weinem, WPg 2021 S. 345.

6Vgl. dazu z. B. Philipps, WP Praxis 1/2018 S. 24 NWB NAAAG-67191 sowie kürzlich Kurte, WP Praxis 6/2021 S. 200 NWB PAAAH-78841.

7Zur Prüfung der Unternehmensfortführungsannahme in Zeiten der Coronavirus-Pandemie vgl. Philipps, WP Praxis 4/2021 S. 107-115 NWB OAAAH-74576.

8Vgl. dazu z. B. Burg/Höfmann/Martensen, WP Praxis 11/2018 S. 343 NWB CAAAG-97889.

9Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Frage 3.3.1.

10Vgl. dazu auch IDW PS 300, Tz. A29; ISA [DE] 500, Tz. A31.

11Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Fragen 3.2.1. und 3.3.1.

12Vgl. Gries, Die Zukunft wird hybrid, tagesschau.de, Stand , abrufbar unter https://go.nwb.de/bhds8 sowie dazu auch Umfrageergebnisse der IHK Berlin, abrufbar unter https://go.nwb.de/78upk.

13Vgl. Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV) vom  (BGBl 2004 I S. 2179), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz (Arbeitsschutzkontrollgesetz) vom  (BGBl 2020 I S. 3334).

14Vgl. dazu auch ISA [DE] 330, Tz. 13.

15Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Fragen 3.3.7. und 3.3.8.

16Vgl. dazu IDW PS 300 n. F., Tz. 8 und A29; ISA [DE] 500, Tz. 7 und A31.

17Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Fragen .-.

18Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Fragen 3.3.3.-3.3.4.

19Vgl. IDW PS 301, Tz. 7; ISA [DE] 501, Tz. 4.

20Vgl. auch ISA [DE] 610, Tz. D.35.1.

21Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Frage 3.3.9.; IDW, Fragen und Antworten: Zur Einholung von Bestätigungen Dritter nach ISA 505 bzw. IDW PS 302 n. F. (F&A zu ISA 505 bzw. IDW PS 302 n. F.), Abschnitt 7.

22Vgl. IDW PS 302 n. F., Tz. 6 und A9; ISA [DE] 505, Tz. 6 (a) und A4.

23Vgl. IDW, IDW PH 9.330.3 Einsatz von Datenanalysen im Rahmen der Abschlussprüfung; Goldshteyn/Gabriel/Thelen, Massendatenanalysen in der Jahresabschlussprüfung, 2013.

24Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Anlage I.

25Vgl. ebenda, Frage 3.3.8.

26Vgl. IDW, Auswirkungen der Coronavirus-Ausbreitung auf Rechnungslegung und Prüfung (Teil 3), Anlage I.

27Vgl. ebenda.

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