Steuerbilanzierung von Token, ICOs und Krypto-Währungen

Kryptotoken haben sich in der jüngeren Vergangenheit als fester Bestandteil in der Anlagepraxis deutscher Steuerpflichtiger etabliert. Die Token werden dabei aus einer Mehrzahl an Motiven heraus erworben, allen voran als Kapitalanlage und zu Spekulationszwecken, immer häufiger aber auch zur Investition in neue Geschäftsmodelle und deren Nutzung.

Definition Kryptotoken

Ein Kryptotoken (oder nur Token) bezeichnet dabei einen Eintrag/eine Position in einer digitalen, dezentralen und kryptographisch gesicherten Registratur. Die hinter dieser Registratur stehende technologische Grundlage wird als sog. Distributed Ledger Technologie bezeichnet.1 Ihr Wesensmerkmal liegt in erster Linie in der Manipulations- und Datensicherheit.2 Die Token selbst stellen dabei zunächst lediglich ein Trägermedium in Form einer leeren Hülle dar, welche über sog. Smart Contracts mit bestimmten Eigenschaften versehen und mit Rechten synchronisiert werden können, die die späteren Einsatzmöglichkeiten des Token definieren.3

Einzelne Token werden über eine Art digitales Konto gehalten, in dem eingehende und ausgehende Transaktionen dokumentiert werden, dem sog. Wallet. Der Zugriff auf die Token erfolgt dabei über eine asymmetrische Verschlüsselung in Form sog. öffentlicher Schlüssel (Public Key) und einem privaten Schlüssel (Private Key). Der Public Key kann vereinfacht und im übertragenen Sinn als eine Art Kontonummer des Wallet bezeichnet werden. Mit dem Private Key greift – wieder vereinfacht – der Tokeninhaber auf die gehaltenen Token zu, transferiert sie auf andere Personen oder nutzt die Token etwa als Zahlungsmittel in einem Leistungsaustausch.4

Kryptotoken als Investitions- und Finanzierungsform mit Steuerbilanzrelevanz

Vor dem Hintergrund einer stetig zunehmenden Verbreitung von Kryptotoken als Investitionsobjekt und der Akzeptanz insb. des Bitcoin als Zahlungsmittel auch durch Unternehmen wie PayPal müssen sich bilanzierende Unternehmen immer häufiger mit der Erfassung von Token befassen. In bilanzsteuerlicher Hinsicht kann dabei bisher nicht auf höchstrichterliche Rechtsprechung und nur sehr vereinzelt auf veröffentliche Verwaltungsauffassungen zurückgegriffen werden. Für weitere Komplexität sorgt der Umstand, dass eine trennscharfe Klassifikation der einzelnen existierenden Kryptotoken oftmals nicht möglich ist und stetig neue Ausgestaltungen von Token konzipiert werden, die es bilanzsteuerlich zu würdigen gilt. Die folgende Darstellung soll daher insb. unter Berücksichtigung der umfangreichen Diskussion im Schrifttum Beurteilungsgrundsätze aufzeigen, um mit dem Ansatz und der Bewertung einzelner Token in der Bilanz umzugehen.5

Dabei werden sowohl die Fälle eines Tokenerwerbs von Dritten gegen Hingabe staatlicher Währungen (in der Kryptowelt üblicherweise als Fiatwährung bezeichnet) und gegen Token erörtert, wie auch die bilanzielle Würdigung von solchen Token, die durch Einsatz von Rechenleistung erzeugt werden. Dieser Vorgang wird gemeinhin als sog. Mining bezeichnet. Abschließend werden auch die Besonderheiten der Neuemission von Token, des sog. Initial Coin Offering (ICO), auf bilanzieller Ebene des Emittenten erläutert.

Klassifikation von Token

Grundlage für die handels- und steuerbilanzielle Beurteilung eines Token ist weniger das reine Trägermedium des Token selbst, sondern vielmehr die mit diesem synchronisierten Rechte.6 Die steuerbilanzielle Einordnung von Kryptotoken setzt daher zunächst eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Klassifikation des im Einzelfall erworbenen, veräußerten oder emittierten Token voraus.7 Es handelt sich bei der Klassifizierung mithin um nicht weniger als eine juristische und steuerliche „Gretchenfrage“, die sich maßgeblich auf sämtliche nachfolgenden steuerlichen und steuerbilanziellen Implikationen auswirkt, insb. etwa auf die Frage des Wirtschaftsgutcharakters und damit der Bilanzierungsfähigkeit eines Token.8 In der Praxis hat sich hierzu eine Einteilung in die drei gängigen Tokenklassen

  • Currency Token,
  • Utility Token sowie
  • Security Token

etabliert.9

Klassifizierungsansätze zur Einordnung von Kryptotoken in Tokenklassen

Eine Einordnung der einzelnen Kryptotoken in diese Tokenklassen erfolgt regelmäßig nach zwei Klassifizierungsansätzen:

  • einer Abgrenzung anhand der durch den Token vermittelten Rechte sowie
  • anhand der mit dem Token intendierten (wirtschaftlichen) Funktion.10

Beide Merkmale stehen dabei jedoch nicht trennscharf nebeneinander. Die Einordnung eines Token in seine jeweilige Tokenklasse kann vielmehr allein auf Basis einer Gesamtschau beider Klassifizierungsansätze erfolgen. Wichtigstes Auslegungsmittel für die Einordnung vor allem neu geschaffener und am Markt noch nicht geläufiger Token ist dabei das sog. Whitepaper. Hierbei handelt es sich um ein zumeist technisches Dokument, welches im Kern eine Übersicht über die hinter dem Token bzw. der zugrundeliegenden Blockchain stehende Technik, aber auch der mit den Token verbundenen Leistungen vermittelt und durch den jeweiligen Emittenten der Token veröffentlicht wird.

Erfahren Sie in der Leseprobe des Handbuchs Bilanzsteuerrecht mehr über die genannten Tokenklassen sowie deren Bilanzierung und Bilanzausweis.

Ein ausführliches Kapitel zu Bilanzierungsfragen rund um die Digitalisierung wie etwa der Steuerbilanzierung von Token, ICOs und Krypto-Währungen und der Steuerbilanzierung von Cloud-Computing-Modellen und Plattformen finden Sie in Prinz/Kanzler (Hrsg.), Handbuch Bilanzsteuerrecht, 4. Aufl. 2021.

Handbuch Bilanzsteuerrecht

Grundlegend, praxisnah und gestaltungsorientiert. Allgemeine Ansatz- und Bewertungsvorschriften. Bilanzpostenorientiere Einzeldarstellung. Aktuelle Entwicklungen und Trends.

Herausgegeben von Wirtschaftsprüfer Steuerberater Professor Dr. Ulrich Prinz und Rechtsanwalt Professor Dr. Hans-Joachim Kanzler unter Mitarbeit namhafter Autoren.

4. Auflage. 2021. LXI, 1784 Seiten. Gebunden.
ISBN: 978-3-482-63754-4

Preis: 149,00 €


1Ausführlich Hötzel/Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann, ifst-Schrift 533 (2020) S. 6 ff.

2Vgl. Prinz/Ludwig, StuB 2019 S. 257 (258).

3Vgl. Niedling/Merkel, RdF 2018 S. 141 (141).

4Vgl. Kirsch/von Wieding, BB 2017 S. 2731 (2731 f.); Niedling/Merkel, RdF 2018 S. 141 (141).

5Über ihrer Steuerbilanzrelevanz hinaus sind Kryptotoken insb. auch unter ertragsteuerlichen und umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten von Bedeutung. Zur ertragsteuerlichen Behandlung vgl. insb. OFD NRW, Kurzinformation v. 20.4.2018 – ESt Nr. 4/2018, DB1269856, NWB LAAAH-23099 sowie zur umsatzsteuerlichen Würdigung von Kryptowährungen BMF, Schreiben v. 27.2.2018 – III C 3 - S 7160-b/13/10001, 2018/0163969, BStBl 2018 I S. 316.

6Vgl. Krüger/Lampert, BB 2018 S. 1154 (1156).

7Vgl. Himmer/Kaulartz, Ubg 2019 S. 477 (479); Hötzel/Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann, ifst-Schrift 533 (2020) S. 12.

8Vgl. Hötzel/Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann, ifst-Schrift 533 (2020) S. 11; Krüger/Lampert, BB 2018 S. 1154 (1155).

9Vgl. BaFin, Merkblatt v. 16.8.2019 – WA 51-Wp 7100-2019/0011 und IF 1-AZB 1505-2019/0003, S. 5 f.; Klöhn/Parhofer/Resas, ZBB 2018 S. 89 (92); Krüger/Lampert, BB 2018 S. 1154 (1155); Himmer/Kaulartz, Ubg 2019 S. 477 (479); Hötzel/Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann, ifst-Schrift 533 (2020) S. 16 ff.; Weitenauer in Weitenauer (Hrsg.), Handbuch Venture Capital, 6. Aufl. 2019, Teil E Rz. 131 ff. Weitergehend auch bereits Hacker/Thomale, Crypto-Securities Regulation: ICOs, Token Sales and Cryptocurrencies under EU Financial Law (22.11.2017), abrufbar unter https://go.nwb.de/x22s0 sowie Rohr/Wright, Blockchain-Based Token Sales, Initial Coin Offerings, and the Democratization of Public Capital Markets, Cardozo Legal Studies Research Paper No. 527 (4.10.2017), abrufbar unter https://go.nwb.de/jmoze (letzter Abruf jeweils 11.4.2021).

10Vgl. Hötzel/Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann, ifst-Schrift 533 (2020) S. 11 ff.; in diese Richtung auch Richter/Schlücke, FR 2019 S. 407 (407 f.).

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