Steuerbilanzpolitik in Corona-Zeiten

Zur Unterstützung der durch die Corona-Pandemie betroffenen Unternehmen reagierte der Gesetzgeber mit ausgewählten steuerrechtlichen Maßnahmen. So können Unternehmen im Einzelfall gezielt auf den steuerlichen Gewinn einwirken und vorübergehende, aber u. U. entscheidende Steuerentlastungen und Liquiditätsvorteile realisieren. Im Ergebnis ist einer sachgerechten Steuerbilanzpolitik in Krisenzeiten durchaus eine unternehmenswertsteigernde und unternehmensfortführungsfördernde Wirkung zuzusprechen.

I. Vorbemerkungen

Zu Beginn des Jahres 2020 kam es zur weltweiten Verbreitung des neuartigen Virus SARS-CoV-2. Zur Eindämmung des sog. Corona-Virus wurden in nahezu allen Ländern der Welt Maßnahmen unterschiedlicher Art getroffen. Diese hatten beträchtliche Auswirkungen auf den Alltag der betroffenen Menschen und auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen. Die entsprechenden Maßnahmen wurden in Deutschland zwar mittlerweile stellenweise gelockert, eine vollständige Rückkehr zur gewohnten Normalität trat bis heute allerdings nicht ein. Insoweit sind auch die in diesem Geschäftsumfeld operierenden Unternehmen weiterhin von den für sie zumeist negativen Auswirkungen betroffen. Hierzu gesellt sich erhebliche Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Corona-Krise und über die resultierenden Konsequenzen für die wirtschaftliche Lage der Unternehmen. Zur Unterstützung der Unternehmen reagierte der Gesetzgeber mit ausgewählten steuerrechtlichen Maßnahmen, die unterschiedliche steuerbilanzielle Folgen nach sich ziehen und die Bedeutung von Steuerbilanzpolitik insbesondere in Krisenzeiten unterstreichen. So können Unternehmen im Einzelfall gezielt auf den steuerlichen Gewinn einwirken und vorübergehende, aber u. U. entscheidende Steuerentlastungen und Liquiditätsvorteile realisieren. Im Ergebnis ist einer sachgerechten Steuerbilanzpolitik in Krisenzeiten durchaus eine unternehmenswertsteigernde und unternehmensfortführungsfördernde Wirkung zuzusprechen.

II. Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Unternehmen

Kurz nach Beginn des Jahres 2020 kam es zu einer weltweiten Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Virus). Als Ursprung wurde ein Lebensmittelmarkt in Wuhan, China, identifiziert, auf dem das Virus von einem Tier auf einen Menschen übertragen wurde. Daraufhin verbreitete sich das Virus über Ländergrenzen hinweg von Mensch zu Mensch. Am 11.3.2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation den Corona-Ausbruch aufgrund der weltweit rapide gestiegenen Fallzahlen zur Pandemie – einer weltweiten Epidemie.

Die in aller Regel wirtschaftlich negativ betroffenen Unternehmen spürten die unterschiedlichen Auswirkungen der Corona-Krise zunächst anhand von kurzfristigen Effekten, bspw. in Form von unterbrochenen Lieferketten, Personalknappheit, Werksschließungen, verzögerten Zahlungen oder allgemein in Form von gesunkenem Konsum. Das operative Geschäft kam u. U. vollständig zum Erliegen. Weiter konnten finanzielle Herausforderungen auftreten, z. B. infolge von Verstößen gegen Kreditvereinbarungen oder bei notwendig gewordenen Kapitalbeschaffungen. Über diese kurzfristigen Effekte hinaus dürften sich zudem auch mittelfristige Auswirkungen zeigen, wie in Form von neuen Markttrends oder neuem Konsumentenverhalten. Auch ein neues Bewusstsein für z. B. Digitalisierung, Home-Office oder regionales Reisen könnte die Folge sein. Daneben werden sich aus der Krise auch langfristige Folgen für Unternehmen materialisieren. Diese können durch Unternehmen aktiv mitgestaltet werden, indem sie eine Anpassung ihres Geschäftsmodells vornehmen, um den Unternehmenserfolg auch in einem von der Krise veränderten Geschäftsumfeld zu sichern.

Die Corona-Krise zeichnete sich gegenüber bisherigen Wirtschaftskrisen insbesondere durch eine erhöhte Unsicherheit aus. Bereits ihre Entstehung konnte nicht vorhergesehen werden. Auch während der Krise war und ist eine Zukunftsplanung nur unter hoher Unsicherheit möglich, weil die vielen mit der Krise verbundenen Faktoren, wie Langzeitschäden, Wiederansteckung, Herdenimmunität, Impfstoffverfügung und weitere Varianten des Virus zu großen Teilen unbekannt waren. Eine abschließende Beurteilung, wie Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft nach der Corona-Pandemie aussehen würden, war für eine lange Zeit nach ihrem Ausbruch nicht möglich. Hiermit einher gehen unterschiedliche Herausforderungen nicht nur für die betriebswirtschaftliche Planung, sondern auch steuerbilanzieller Art.

Es gilt festzuhalten: In Abhängigkeit der krisenbedingten Umstände und des Geschäftsmodells des Unternehmens können sämtliche Bereiche des Geschäftsumfelds und der Unternehmenstätigkeit betroffen sein und den Geschäftsverlauf wesentlich beeinträchtigen. Von Bedeutung ist zudem die Wirksamkeit der von staatlicher Seite beschlossenen Maßnahmen, um die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise einzudämmen. Zu diesen Hilfsmaßnahmen zählen neben finanziellen Unterstützungen für gewöhnlich auch Änderungen des Steuerrechts, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der betroffenen Unternehmen verbessern sollen und regelmäßig auch steuerbilanzielle Auswirkungen nach sich ziehen.

III. Steuerbilanzpolitik in Krisenzeiten

Die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie können dazu führen, dass Unternehmen mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden. In diesem Zusammenhang ist regelmäßig die Liquiditätssituation der Unternehmen von Bedeutung, die in Krisenzeiten für gewöhnlich bedroht und vornehmlich für Unternehmensinsolvenzen ursächlich ist. Insofern sind Unternehmen in ernsthaften Schwierigkeiten i. d. R. daran interessiert, Eigenkapital im Unternehmen zu binden und Zahlungsausgänge zu vermeiden.

Regelmäßig stattfindende Auszahlungen stellen bspw. die Steuerzahlungen dar, wobei die Steuerbilanz zur Messung des steuerlichen Gewinns als Grundlage der Besteuerung dient. Sie bestimmt somit den aus der Besteuerung resultierenden Liquiditätsabfluss und hat damit unmittelbare Auswirkungen auf die in Krisenzeiten ohnehin angespannte Liquiditätssituation der Unternehmen. Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, wenn gesetzgeberische Initiativen u. a. darauf abzielen, über steuerbilanzielle Modifikationen eine zumindest kurz- bis mittelfristige Entlastung zur Liquiditätsschonung von grds. profitablen Unternehmen herbeizuführen, um deren Fortbestehen auch nach der Krise zu sichern. In diesem Zusammenhang werden den Unternehmen vom Gesetzgeber unterschiedliche (zum Teil zeitlich befristete) steuerbilanzielle Wahlrechte zugestanden, die neben die ohnehin bestehenden bilanzpolitischen Möglichkeiten treten.

Anhand von steuerrechtlichen Wahlrechten kann gezielt auf die Steuerbilanz eingewirkt werden und zwar unabhängig von der handelsrechtlichen Bilanzierung, da die Ansatz- und Bewertungsvorbehalte des Steuerbilanzrechts Vorrang vor dem Maßgeblichkeitsgrundsatz haben. So können steuerrechtliche Wahlrechte in jedem Wirtschaftsjahr erneut und ggf. in Abweichung zur Handelsbilanz ausgeübt werden; ein eigenständiger Stetigkeitsgrundsatz existiert im Steuerbilanzrecht insoweit nicht.

Durch die Möglichkeit einer eigenständigen Steuerbilanzpolitik erfolgt eine punktuelle Entkopplung von Handels- und Steuerbilanz. Gleichwohl ist die handelsrechtliche Bilanzierung weiter in den Fällen für die steuerrechtliche Bilanzierung relevant, in denen ihr keine steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorbehalte entgegenstehen. Somit finden krisenbehaftete Sachverhalte – obgleich u. U. modifiziert durch steuerrechtliche Bilanzierungs- und Bewertungsvorbehalte – über das Maßgeblichkeitsprinzip auch stets Eingang in die Steuerbilanz, wobei dem Stpfl. ggf. gewisse steuerbilanzpolitische Freiräume zukommen.

Vor dem Hintergrund der Corona-Krise kommt der Steuerbilanzpolitik damit erhöhte Bedeutung zu, was auch die vom Steuergesetzgeber krisenbedingt geschaffenen Regelungen unterstreichen. Insofern sollten sich Unternehmen den unterschiedlichen Möglichkeiten zur Vornahme von Steuerbilanzpolitik sowie den hieraus resultierenden Auswirkungen bewusst sein, um diese im Bedarfsfall gezielt einsetzen zu können.

Die folgenden ausgewählten steuerbilanzpolitischen Maßnahmen stehen in Corona-Zeiten zur Verfügung:

  • Teilwertabschreibungen;
  • degressive Absetzung für Abnutzung;
  • Sofortabschreibungen für digitale Wirtschaftsgüter;
  • Drohverlustrückstellungen und Bewertungseinheiten;
  • Reinvestitionsfristen nach § 6b EStG;
  • Ersatzbeschaffungen nach R 6.6 EStR;
  • Investitionen nach § 7g EStG;
  • Corona-Finanzhilfen.

IV. Fazit

Die Geschäftstätigkeit der Unternehmen wurde und wird weiterhin entweder unmittelbar oder mittelbar durch die Corona-Pandemie wesentlich beeinflusst. Die coronabedingten Auswirkungen zeigen sich auch materiell in dem Zahlenwerk der handels- und steuerrechtlichen Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung in einem in Abhängigkeit der jeweiligen Betroffenheit unternehmensspezifischen Ausmaß. Insofern sollte auch auf das Zusammenspiel zwischen Handels- und Steuerbilanz vor dem Hintergrund der coronabedingten Auswirkungen geachtet werden.

Daneben bestehen unterschiedliche steuerbilanzpolitische – zum Teil erst als Reaktion durch den Gesetzgeber auf die Corona-Krise implementierte – Möglichkeiten, auf diese Zahlenwerke und damit auf den steuerlichen Gewinn und auf den durch Steuern hervorgerufenen Liquiditätsabfluss Einfluss zu nehmen.

So obliegt es z. B. dem Stpfl., zu entscheiden, ob – sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind – eine Teilwertabschreibung vorgenommen werden soll. Zudem ergeben sich gerade in Corona-Zeiten gewisse Ermessensspielräume bei der Frage, inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen und in welcher Höhe der Teilwert anzusetzen ist. Auch steht es dem Stpfl. offen, von der jeweils krisenbedingt eingeführten degressiven AfA und Sofortabschreibung für digitale Wirtschaftsgüter Gebrauch zu machen. Auch kann die Frage nach der Auflösung von Bewertungseinheiten Ermessen erfordern.

Daneben bestehen die schon bekannten Möglichkeiten zur Bildung steuerrechtlicher Rücklagen nach Maßgabe von § 6b EStG, R 6.6 EStR und § 7g EStG. Diesbezüglich ist zu bemerken, dass Fristen zur Auflösung bereits gebildeter Rücklagen coronabedingt verlängert wurden.

Auch in Zusammenhang mit der Bilanzierung von Corona-Finanzhilfen bestehen große Ermessensspielräume. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Unterstützungsprogramme an sich von einer hohen Dynamik gekennzeichnet sind und mit der Corona-Pandemie in einem nicht vergleichbaren Kontext begeben werden. So bestehen gewisse Freiräume aufseiten des Stpfl., wann die Corona-Finanzhilfen zu bilanzieren und inwiefern sie innerhalb eines Verbundes zu verteilen sind, was aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips mit unmittelbaren steuerlichen Folgen einhergeht.

Die weitere Entwicklung der Pandemiesituation bleibt hinsichtlich der hieraus resultierenden Auswirkungen auf die Steuerbilanz mit Spannung abzuwarten. Unabhängig davon, wann und wie sich die Corona-Krise national und international entwickeln wird, werden die steuerbilanziellen Folgen der Corona-Pandemie in den relevanten Wirtschaftsjahren aber regelmäßig im Fokus der Jahressteuererklärungen stehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund eines im Rahmen der Krise ggf. deutlich gewordenen Liquiditäts- und Finanzbedarfs. Aus diesem Grund sollten betroffene Unternehmen die ihnen gewährten steuerrechtlichen Erleichterungen stets im Blick haben, auch um von diesen ggf. steuerbilanzpolitisch Gebrauch zu machen. Schlussendlich verdeutlichen die gesetzgeberischen Impulse mit Auswirkungen auf die Steuerbilanz als Reaktion auf die Probleme der Wirtschaft durch die Corona-Pandemie den Stellenwert einer eigenständigen, von der handelsrechtlichen Rechnungslegung losgelösten Steuerbilanzpolitik und deren Wichtigkeit für die Unternehmen. Eine zielorientiert angewandte Steuerbilanzpolitik im Kontext der weitreichenden, keiner Stetigkeit unterliegenden steuerlichen Möglichkeiten kann dazu beitragen, das Unternehmen sicherer durch die Krise zu führen. Insofern ist einer sachgerechten Steuerbilanzpolitik in Krisenzeiten durchaus eine unternehmenswertsteigernde und unternehmensfortführungsfördernde Wirkung zuzusprechen.

 

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