Zahlung der Umsatzsteuer als Betriebsausgabe bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

In der Rubrik Praxisfälle der Umsatzsteuer direkt digital wird regelmäßig eine Fragestellung zu einem konkreten Sachverhalt veröffentlicht, der aktuell im Bereich der Umsatzsteuer von allgemeinem Interesse ist. Die Lösungshinweise zu der Fragestellung werden von Herrn Karl-Hermann Eckert verfasst.

I. Sachverhalt

Ich bin selbständiger Freiberufler und erziele Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 18 EStG. Den Gewinn ermittle ich durch Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Als Unternehmer habe ich regelmäßig Umsatzsteuer-Voranmeldungen abzugeben und die Umsatzsteuer an die Finanzbehörde zu entrichten. Am 8.1.2021 habe ich einen Betrag von 15.000 € für folgende Umsatzsteuer-Vorauszahlungen an die Finanzbehörde geleistet:

rückständige Umsatzsteuer 10/2020 = 3.000 €,

rückständige Umsatzsteuer 11/2020 = 5.000 € und

die fällige Umsatzsteuer 12/2020 = 7.000 €.

II. Fragestellung

In welchem Besteuerungszeitraum (Kalenderjahr) ist die Umsatzsteuer als Betriebsausgabe zu erfassen?

III. Lösungshinweise

Für die Ermittlung des steuerlichen Betriebsergebnisses in Fällen der Einnahme-Überschussrechnung gelten die Regelungen zur Verausgabung in § 11 EStG. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Dies wäre das Kalenderjahr 2021. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Um Zufallsergebnisse bei der Gewinnermittlung zu vermeiden, gilt nach § 11 Abs. 2 Satz 2 i. V. mit Abs. 1 Satz 2 EStG eine Besonderheit, wenn es sich um wiederkehrende Ausgaben handelt.

Die Umsatzsteuer ist eine wiederkehrende Ausgabe im Sinne dieser Vorschrift. Die Regelmäßigkeit besteht darin, dass der Fälligkeits- und Zahlungstermin gesetzlich normiert ist. Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer bis zum 10. Tag nach Ablauf jeden Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuer-Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz durch Datenfernübertragung der Finanzbehörde zu übermitteln. Eine sich daraus ergebene Steuerschuld ist nach § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig.

Die Umsatzsteuer für den Monat Dezember 2020 ist jedoch nicht am 10.1.2021 fällig, da der 10.1.2021 ein Sonntag war. Die Fälligkeit hat sich nach § 108 Abs. 3 i. V. mit § 193 BGB auf den nächsten Werktag (11.1.2021) verschoben. Diese Verlängerung des Zehn-Tage-Zeitraums war nach Ansicht des BFH und der Finanzverwaltung nicht auf die Regelung in § 11 EStG übertragbar (vgl. BFH, Urteil vom 11.11.2014 - VIII R 34/12 - BStBl 2015 II S. 285 und OFD Nordrhein-Westfalen, Kurzinfo ESt Nr. 9 /2014 vom 7.3.2014), so dass ein Betriebsausgabenabzug in diesen Fällen (Jahren) nur im Kalenderjahr der Zahlung möglich war.

 

Diese Rechtsauffassung hat der BFH durch eine weitere Entscheidung eingeschränkt. In BFH, Urteil vom 27.6.2018 - X R 44/16 - BStBl 2018 II S. 781, hat er entschieden, dass eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt wird, auch dann im Jahr ihrer wirtschaftlichen Zugehörigkeit abziehbar ist, wenn der 10. Januar des Folgejahres auf einen Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (entgegen EStH 2017, § 11 EStG H 11, Stichwort Allgemeines, „Kurze Zeit“). Auch die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen (Vgl. z. B. Bayerisches Landesamt für Steuern vom 30.1.2020 - S 2226.2.1 - 5/11 St32). 

Wird die Umsatzsteuer für den Monat Dezember 2020 bis zum 10.1.2021 gezahlt, ist die Zahlung als Betriebsausgabe im Kalenderjahr 2020 zu erfassen.

Zwischenergebnis 1:

Unter Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze ist die Zahlung der 15.000 € wie folgt zuzuordnen:

Gewinnminderung 2020 = 7.000 € Umsatzsteuer 12/2020

Gewinnminderung 2021 = 8.000 € Umsatzsteuer 10 und 11/2020.

Die Frage nach der wirtschaftlichen Zuordnung von wiederkehrenden Zahlungen ist jedoch nicht abschließend geklärt.

Einem Unternehmer wurde für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen und die Entrichtung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen eine Dauerfristverlängerung um einen Monat i. S. des § 46 Abs. 1 Satz 1 UStDV gewährt. Die am 10.2. des Folgejahres fällige Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Dezember wurde durch den Unternehmer am 6. Januar des Folgejahres gezahlt und in der Gewinnermittlung des Vorjahres als Betriebsausgabe erfasst. Das FG Düsseldorf, Urteil vom 9.12.2019 - 3 K 2024/18 E, gab der Klage statt. Eine binnen 10 Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlte Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Dezember des Vorjahres ist auch dann nach § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG den Betriebsausgaben dieses Vorjahres zuzuordnen, wenn ihre Fälligkeit infolge der gewährten Dauerfristverlängerung erst nach Ablauf des Zehn-Tages-Zeitraums eingetreten konnte. Das zusätzliche Erfordernis der Fälligkeit innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums lässt sich nicht durch eine den Gesetzeswortlaut einschränkende Auslegung rechtfertigen.

Insbesondere hatte der BFH in seiner Entscheidung vom 27.6.2018 - X R 44/16 BStBl 2018 II S. 781 die Frage nach dem Erfordernis der Fälligkeit innerhalb des 10 Tages-Zeitraums ausdrücklich offen gelassen.

Diese FG-Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die vom FG zugelassene Revision ist unter dem Az. VIII R 1/20 anhängig.

Aus den Gründen des FG Düsseldorf lässt sich m. E. ableiten, dass auch die vom Unternehmer im Beispielsfall am 8.1.2021 geleisteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Oktober und November 2020 i. H. von 8.000 € ebenfalls als Betriebsausgaben im Kalenderjahr 2020 zu berücksichtigen sind, da die Fälligkeit der Umsatzsteuer kein Tatbestandsmerkmal des § 11 Abs. 2 Satz 2 i. V. mit Abs. 1 Satz 2 EStG sei.

Zwischenergebnis 2:

Unter Anwendung dieses Urteils des FG Düsseldorf hätte der Unternehmer die gesamten 15.000 € im Kalenderjahr 2020 als Betriebsausgabe zu erfassen.

Gegen diese Rechtsauffassung hat sich bei gleichem Sachverhalt das Sächsische FG ausgesprochen (Sächsisches FG, Urteil vom 15.1.2020 - 5 K 1578/19). Die Entscheidung ist ebenfalls nicht rechtskräftig. Die vom FG zugelassene Revision ist unter dem Az. VIII R 25/20 anhängig. In ähnlicher Weise hat sich das FG München, Urteil vom 15.10.2020 - 15 K 2604/19, ausgesprochen. Diese Entscheidung ist ebenfalls nicht rechtskräftig und unter dem Az. X R 2/21 beim BFH anhängig.

Ergebnis:

Sofern es für den Unternehmer gewinntechnisch günstiger ist, den gesamten Betrag von 15.000 € als Betriebsausgabe im Kalenderjahr 2020 zu erfassen, sollte der Unternehmer die Finanzbehörde unter Hinweis auf die Entscheidung des FG Düsseldorf, Urteil vom 9.12.2019 - 3 K 2024/18 E, entsprechend unterrichten. Ist dies nicht der Fall, verbleibt es bei der Erfassung der 7.000 € als Gewinnminderung für das Kalenderjahr 2020, da dies auch der Auffassung der Finanzverwaltung entspricht.

Dies war ein Auszug aus der Umsatzsteuer direkt digital 13/2021 S. 17, den vollständigen Beitrag lesen Sie hier: NWB IAAAH-81628

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