Verstößt der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO gegen die Niederlassungsfreiheit?

Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung der Betriebsprüfung, eine Verrechnungspreisdokumentation vorzulegen, nicht oder nicht rechtzeitig nach, droht die Festsetzung eines Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO. Dasselbe gilt, wenn die Betriebsprüfung die Dokumentation für nicht verwertbar hält. Das FG Bremen hat mit Beschluss v. 7.7.2021 - 2 K 187/17 (3) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO mit den europäischen Grundfreiheiten vereinbar ist.

I. Die Vorlageentscheidung

Das FG Bremen äußert in seinem Vorlagebeschluss Zweifel daran, ob der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO mit der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Zur Begründung der Vorlage stellt das FG Bremen unter Bezugnahme auf die „Hornbach“-Entscheidung des EuGH fest, die nationalen Regelungen müssten sich auf die Korrektur fremdunüblicher Gestaltungen beschränken. Zu diesem Zweck habe der Gesetzgeber der Finanzverwaltung mit der Befugnis zu einer ungünstigen Veranlagung aus § 162 Abs. 3 AO bereits ausreichende Mittel an die Hand gegeben.

Zudem führten auch die Regelungen zur Höhe des Zuschlags dazu, dass dieser dem Finanzgericht nicht erforderlich erscheine. Insbesondere knüpfe der Zuschlag nicht unmittelbar an die steuerlichen Auswirkungen der Feststellung an, sondern an den Mehrbetrag der Einkünfte und könne selbst dann 5.000 € betragen, wenn kein Mehrbetrag der Einkünfte festgestellt werde. Ebenso sei kein Höchstbetrag festgelegt.

II. Abweichung von BFH-Entscheidung zu § 90 Abs. 3 AO

Der BFH hat die Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO in einer Entscheidung v. 10.4.2013 (I R 45/11) im Hinblick auf den Rechtfertigungsgrund der Wirksamkeit der Steueraufsicht für gerechtfertigt gehalten. Insofern ist auffällig, dass das FG Bremen diesen Rechtfertigungsgrund zwar anspricht, letztlich aber nicht prüft, ob seine Voraussetzungen auch im Hinblick auf die Sanktion des § 162 Abs. 4 AO zur Durchsetzung eben dieser Dokumentationspflicht vorliegen. Der EuGH bekommt aufgrund der weit gefassten Vorlagefrage Gelegenheit, sich (auch) zu der für die Rechtsmäßigkeit des Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO vorgreiflichen Dokumentationspflicht nach § 90 Abs. 3 AO zu äußern.

III. Zu erwartende EuGH-Entscheidung

Wie das FG Bremen zutreffend feststellt, wirkt der Zuschlag nach § 162 Abs. 4 AO „als Sanktionsnorm für die Verletzung von Mitwirkungspflichten gemäß § 90 Abs. 3 AO“. In diesem Zusammenhang könnte der EuGH auch die vom FG Bremen nicht angesprochene abstrakt-präventive Wirkung von Sanktionsnormen in den Blick nehmen und zur Rechtfertigung des § 90 Abs. 2 Satz 4 AO dem Grunde nach heranziehen. Selbst dann bliebe aber abzuwarten, ob der EuGH die Höhe des Zuschlags, die in einem eklatanten Missverhältnis zu den auch in reinen Inlandsfällen geltenden Sanktionsnormen (z. B. Verspätungszuschlag nach § 152 AO) steht, für gerechtfertigt hält.

Die vollständige Entscheidungsrezension von Haselmann/Berger ist in der IWB 17/2017 S. 714 ff. veröffentlich worden. Dr. Jan Haselmann, LL.M. ist Rechtsanwalt und Director, Benn Berger, LL.B ist Rechtsanwalt (Syndikusanwalt) und Senior Associate in der Tax Litigation Group von PricewaterhouseCoopers in Hamburg. Der Beitrag ist zugleich Bestandteil des Themenpakets NWB Steuern International unter QAAAH-88137.

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