Steuerliche Rechtsformwahl und -optimierung bei Start-up-Unternehmen

Welches Rechtskleid passt in welcher Lebensphase steuerlich am besten?

Anders als bei klassischen Unternehmen vergehen bei Start-ups zwischen Gründung und hochdotierter Veräußerung nur wenige Jahre. Für den steuerlichen Berater ist es daher unabdingbar, die typischen Lebensphasen von solch jungen Unternehmen zu kennen, um ggf. unter Zuhilfenahme des Umwandlungssteuerrechts proaktiv mit der jeweils richtigen Rechtsformempfehlung reagieren zu können.

I. Was sind eigentlich Start-up-Unternehmen?

1. Definition eines Start-ups

Unter den Begriff Start-up-Unternehmen lassen sich grundsätzlich alle jungen Unternehmen – ungeachtet der angebotenen Produkte und Dienstleistungen – fassen, welche sich im (Vor-)Gründungsprozess befinden und auf der Suche nach Finanzmitteln sind (vgl. Hahn, Finanzierung und Besteuerung von Start-up-Unternehmen, Wiesbaden, 2014, S. 4 ff.). Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich hingegen ein Begriffsverständnis eingebürgert, welches auf junge Wachstumsunternehmen ausgerichtet ist, die über ein besonderes Innovationspotenzial verfügen und nicht selten eine Tätigkeit im Bereich des Internets (z. B. Social-Media, Games, Mobile) anstreben (Start-up-Unternehmen im engeren Sinne).

2. Typische Kennzeichen

Start-up-Unternehmen zeichnen sich durch einen hohen Kapitalbedarf für die Forschung, Entwicklung und Markteinführung der Produkte bzw. Dienstleistungen sowie zum weiteren Aufbau der Unternehmensstrukturen aus (vgl. Kollmann/Jung/Kleine-Stegemann/Ataee/de Cruppe (Hrsg.), Deutscher Startup Monitor 2020, S. 21). Da Banken aufgrund hoher Risiken einer Finanzierung in aller Regel ablehnend gegenüberstehen, wird das benötigte Risikokapital von traditionellen Beteiligungsgesellschaften bzw. Venture-Capital-Gesellschaften und sog. Business Angels bereitgestellt. Als Venture Capital wird Wagnis- bzw. Risikokapital bezeichnet, das in erster Linie jungen, innovativen Unternehmen zur Verfügung gestellt wird. Venture-Capital-Finanzierungen stellen somit eine besondere Form der Beteiligungsfinanzierung dar, bei der einem Unternehmen in der Regel über eine Minderheitsbeteiligung Kapital zugeführt wird. Bei Business Angels handelt es sich prinzipiell um vermögende private Investoren, die neben Kapital auch Know-how in das junge Unternehmen einbringen (vgl. Heßler/Mosebach, DStR 2001 S. 813). Besonders gute Chancen haben hier solche Start-up-Unternehmen, die aufgrund ihrer herausragenden Innovationsstärke (z. B. durch den Einsatz neuer Technologien bei der Entwicklung neuer Produkte bzw. die Ausarbeitung neuer, skalierbarer Geschäftsmodelle oder neuer Dienstleistungsangebote) und ihres überdurchschnittlichen Innovationspotenzials ein ebenso überdurchschnittliches Wachstums- und Renditepotenzial aufweisen können.

Bei Start-ups geht es nach einer von Anlaufverlusten geprägten ersten Lebensphase oft nahtlos über in die zweite Phase, in welcher Wagniskapitalgeber und die Beteiligung von qualifizierten Mitarbeitern am Unternehmenserfolg die dominierende Rolle spielen. Gelingt die Finanzierung der innovativen Geschäftsidee, ist die nächste unmittelbar bevorstehende Phase diejenige, in welcher sich der Gründungsunternehmer zwischen einer Veräußerung seines Unternehmens – ganz oder teilweise – bzw. einem langfristigen Investment in sein Unternehmen entscheiden muss. In nicht wenigen Fällen ziehen die Unternehmensgründer den dabei erlösten Veräußerungsgewinn zur Finanzierung einer neuen innovativen Idee heran. Zeitlich liegen zwischen Gründungsidee und hochdotierter Veräußerung erfahrungsgemäß vier bis sieben Jahre.

II. Von der Idee bis zur Gründung: Anlaufverluste und Halbtagsjob

In den ersten Jahren folgen viele Start-up-Unternehmen einem eigenen Wertschöpfungspfad. Die klassische Gewinn- und Verlustrechnung dient in dieser Zeit eher der Erfüllung allgemeiner Rechnungslegungspflichten (vgl. Sieringhaus, Haufe Steuer Office, 2019, HI12510725). Vielmehr müssen Start-ups Investoren mit besonderen Performance-Kennzahlen überzeugen. Mit diesen sog. Key Performance Indicators (KPI) werden nicht die Ergebnisse des Rechnungswesens dargestellt (vgl. Gehrig/Hebertinger/Sedlarik, IRZ 2020 S. 457), sondern der Umsetzungsgrad einer bestimmten Unternehmensstrategie (vgl. Steinhauser/Nadilo, Haufe Steuer Office, 2019, HI9679810). An die Erzielung von Gewinnen ist in der ersten Phase der Existenz daher häufig nicht zu denken.

Hauptsächlich durch Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sowie für die Markteinführung völlig neuer Produkte und Dienstleistungen entstehen hohe Anlaufverluste (vgl. Heßler/Moseback, DStR 2001 S. 813). Aus diesem Grund kommt es nicht selten vor, dass Gründer aus der Start-up-Szene neben ihrem unternehmerischen Engagement anfänglich noch im Angestelltenverhältnis (Halbtagsjob) tätig sind, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können (vgl. Metzger, KfW-Gründungsmonitor 2021, S. 1; Hahn, Finanzierung von Start-up-Unternehmen, 2018, S. 6).

Im Hinblick auf die steuerliche Rechtsformwahl in dieser ersten Unternehmensphase kann damit festgehalten werden, dass einerseits möglicherweise Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG erzielt werden und andererseits Anlaufverluste aus dem Start-up-Engagement. Es stellt sich damit die Frage, wie mittels welcher Rechtsform die Verluste steuerlich unmittelbar verwertet werden können. Zur Auswahl stehen grundsätzlich Personenunternehmen (also Einzelunternehmen und Personengesellschaften) oder Kapitalgesellschaften (z. B. UG oder GmbH).

1. Personenunternehmen

Mit der Rechtsform des Einzelunternehmens erzielt der Gründer in den meisten Fällen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i. S. des § 15 EStG; die in der Anlaufphase erwirtschafteten Verluste können so zunächst im Rahmen des vertikalen Verlustausgleichs (§ 2 Abs. 3 EStG) mit den positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit verrechnet werden. Zur Abmilderung von Spitzen in Gestalt hoher Erstattungsüberhänge bei der jährlichen Veranlagung zur Einkommensteuer und zur Verbesserung der Liquiditätslage kann bereits unterjährig durch die Bildung entsprechender Lohnsteuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerabzug verringert werden, um näherungsweise eine Berücksichtigung des voraussichtlichen Verlusts aus dem Start-up-Unternehmen zu erreichen (§ 39 Abs. 1, 4 Nr. 3 EStG i. V. mit § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a, b EStG). Können dabei nicht alle Verluste berücksichtigt werden, gehen die Beträge in den Verlustabzug des § 10d EStG ein.

Es ist zwischen dem Verlustrücktrag in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum und dem Verlustvortrag in nachfolgende Veranlagungszeiträume zu unterscheiden. Dabei hat der Verlustrücktrag Vorrang vor dem Verlustvortrag (§ 10d Abs. 1, 2 EStG). Durch das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz (BGBl 2021 I S. 330) wurden die Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag für Verluste der Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 auf 10 Mio. € bei Einzelveranlagung und auf 20 Mio. € bei Zusammenveranlagung angehoben. Dagegen ist der Verlustvortrag betragsmäßig begrenzt (sog. Mindestbesteuerung): Er ist bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. € unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte – vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen – vorzunehmen (§ 10d Abs. 2 Satz 1 EStG).

2. Kapitalgesellschaften

Entscheidet sich der Gründer für die Rechtsform der Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH), hat dies zur Folge, dass die erwirtschafteten Verluste auf Ebene der Gesellschaft „eingesperrt“ werden (sog. Lock-in-Effekt – vgl. Prinz/Kaeser in Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2018, Rz. 429 f.). Mangels Vorliegens eines gewerblichen Unternehmens auf Ebene der Person des Gründers würde zudem eine körperschaftsteuerliche Organschaft gem. § 14 KStG vielfach ausscheiden (, BStBl 1965 III S. 589).

Es bliebe demnach abzuwarten, bis die aufgelaufenen Anlaufverluste mit späteren Gewinnen der Kapitalgesellschaft verrechnet werden können. Im Hinblick auf einen späteren Anteilsverkauf bzw. die Aufnahme weiterer Gesellschafter ist auf die Regelung S. 163zum Untergang von Verlustvorträgen bei schädlichem Beteiligungserwerb nach § 8c KStG zu achten. Sollte sich ein künftiger Investor zu mehr als 50 % an der Start-up-GmbH beteiligen, würden die angehäuften Anlaufverluste nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG prinzipiell vollständig untergehen. Der Vollständigkeit halber darf im Zusammenhang mit der Vorschrift des § 8c KStG nicht unerwähnt bleiben, dass in gewissen Fällen auch Ausnahmetatbestände wie etwa die sog. Stille-Reserven-Klausel (§ 8c Abs. 1 KStG), die sog. Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) und der Antrag auf Feststellung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags (§ 8d KStG) eingreifen können.

3. Zwischenfazit

Für die erste Phase eines Start-up-Unternehmens, welche vor allem von hohen Anlaufverlusten geprägt ist, kann aus steuerlicher Sicht also grundsätzlich nur ein Personenunternehmen empfohlen werden.

III. Das Baby lernt laufen: von den ersten Schritten bis zum Wachstum

1. Finanzierung durch Venture Capital

Die Zeit nach der Gründung bis zum ersten Wachstum des Start-up-Unternehmens ist in aller Regel dadurch gekennzeichnet, dass Wagnis- bzw. Risikokapital von Investoren eingesammelt wird. Parallel hierzu bedarf es für die Fortentwicklung des Unternehmens hochqualifizierter Mitarbeiter, bei welchen sich insbesondere im Managementbereich die Frage stellt, wie diese ggf. am Unternehmenserfolg partizipieren können.

Start-up-Unternehmen sehen sich regelmäßig mit dem Problem konfrontiert, dass Fremdkapitalgeber aufgrund der sehr kurzen Unternehmenshistorie, geringer Bonität und dem damit verbundenen Ausfallrisiko sowie dem Fehlen an beleihbaren Sicherheiten nicht zur Gewährung von Krediten bereit sind.

Als weitere Finanzierungsquelle steht grundsätzlich der Kapitalmarkt zur Verfügung. Durch einen dortigen Zugriff kann ein Unternehmen mithilfe der Platzierung neuer Aktien oder der Ausgabe von Anleihen sein Wachstum stärken. Als Resultat eines Börsengangs wird außerdem die Möglichkeit zur Fremdfinanzierung verbessert, da das Unternehmen durch die Investorengelder nunmehr über eine bessere Ausstattung mit Eigenkapital verfügt (vgl. Weitnauer in Weitnauer, Handbuch Venture Capital, 2019, Rz. 93). Gleichzeitig steht die Börse nur emissionsfähigen Unternehmen offen und die Umwandlung, z. B. in eine AG, kommt für die meisten Start-up-Unternehmen – wenn überhaupt – erst in einer späteren Unternehmensphase in Betracht. Das Listing an einer Börse setzt zudem eine gewisse „Börsenreife“ voraus (vgl. Weitnauer in Weitnauer, a. a. O., Rz. 97 ff.).

Vor diesem Hintergrund eröffnet sich den Venture-Capital-Investoren die Möglichkeit, an den Erfolgspotenzialen des Start-up-Unternehmens zu partizipieren, was zu einem hohen Wertzuwachs der Beteiligung führen soll. Kernelement einer Venture-Capital-Finanzierung ist, dass bereits zu Beginn des Investments ein intensiver Austausch zwischen Investor und Gründer vereinbart wird; oft behält sich der Investor, der dem Start-up-Unternehmen in vielen Fällen über eine Minderheitsbeteiligung Eigenkapital zuführt, das Recht vor, direkt auf die strategischen und operativen Entscheidungen der Geschäftsführung Einfluss nehmen zu können.

a) Steuerliche Folgen bei Eintritt neuer Gesellschafter in ein Einzelunternehmen

Sollte das junge Unternehmen als Einzelunternehmen gestartet sein, liegt nunmehr mit dem Eintritt des Investors eine Personengesellschaft vor. Bei der Aufnahme einer natürlichen Person als Gesellschafter in ein gewerbliches Einzelunternehmen mit Zuzahlung in das Vermögen des einbringenden Gründers ist steuerlich eine kombinierte Einbringung in die neu entstehende Personengesellschaft und zugleich eine Veräußerung gegeben (, BStBl 2000 II S. 123).

Gegenstand der Veräußerung ist ein Teil des Betriebsvermögens des Einzelunternehmens, soweit dieses zugunsten des hinzutretenden Investors in die Personengesellschaft gelangt. Werden im Zusammenhang mit der Einbringung sämtliche stillen Reserven des Gesamtbetriebs aufgedeckt (nämlich durch Zuzahlung und Ansatz mit dem gemeinen Wert hinsichtlich der Beteiligung des Gründers in der neuen Personengesellschaft), gelten für die Besteuerung des Gewinns prinzipiell die Grundsätze der §§ 16 und 34 EStG. Soweit der Einbringende an der aufnehmenden Personengesellschaft selbst Mitunternehmeranteile erwirbt, entfällt allerdings nach § 24 Abs. 3 Satz 3 UmwStG i. V. mit § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG die Tarifvergünstigung des § 34 EStG (Annahme eines fiktiven laufenden Gewinns, vgl.  BStBl 2011 I S. 1314 – UmwStE, Rz. 24.12). Unabhängig von der einkommensteuerlichen Beurteilung als laufender Gewinn handelt es sich gewerbesteuerlich um einen Betriebsveräußerungsgewinn (, EFG 2000 S. 1271). Ein bestehender Verlustvortrag könnte so – in den Grenzen der Mindestbesteuerung – auf Ebene des Gründers verwertet werden.

b) Eintritt in Kapitalgesellschaft – Vorteile für Venture-Capital-Investoren

Ungeachtet dessen dürfte die überwiegende Mehrheit aller Venture-Capital-Investoren ein Investment in eine Kapitalgesellschaft gegenüber der Beteiligung an einer Personengesellschaft vorziehen, da nicht selten (Holding-)Kapitalgesellschaften als Wagniskapitalgeber fungieren, welche ihrerseits bei entsprechender Wertsteigerung der Beteiligung am Start-up-Unternehmen vollumfänglich in den Genuss einer 95 %igen Veräußerungsertragsbefreiung nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG kommen wollen. Aus Sicht des Gründers einer Start-up-Kapitalgesellschaft ist demgegenüber streng darüber zu wachen, dass eine schädliche Beteiligungsquote von mehr als 50 % der Anteile im Rahmen einer Wagniskapitalbeteiligung nicht erreicht wird, um die angehäuften Verlustvorträge nicht zu gefährden (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG).

2. Sog. Phantom Stocks als Leistungsanreize für führende Mitarbeiter

Der zweite große Themenkomplex im Rahmen der ersten Wachstumsphase eines Start-ups ist die Einräumung von Unternehmensbeteiligungen an führende Mitarbeiter. Denn Start-ups beziehen ihre Innovationskraft vor allem aus ihren Mitarbeitern und Know-how-Trägern, welche in der Regel auf marktübliche Gehälter verzichten und stattdessen Leistungsanreize über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme erhalten. Spätestens an dieser Stelle besteht jedoch Konfliktpotenzial dahingehend, dass gerade bei Start-up-Unternehmen und Venture-Capital-Investments die Stimm- und Verwaltungsrechte der Gründer sowie Kapitalgeber nicht verwässern und keine weitreichenden Informations- und/oder Kontrollrechte gewährt werden sollen (vgl. ausführlich hierzu Schrade/Denninger, DStR 2019 S. 2616). Ein möglicher Lösungsansatz könnte hier in der Begebung von sog. virtuellen Beteiligungen (oder auch Phantom Stocks – vgl. Spindler in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Aufl. 2021, § 87 Rz. 117) liegen, bei welchen in finanzschwachen Start-ups qualifizierte Mitarbeiter mit der Aussicht einer zukünftigen Gewinnbeteiligung gewonnen bzw. gebunden werden, um eine schnelle Unternehmenswertsteigerung und damit einen erfolgreichen Unternehmensverkauf zu erreichen.

Die Wette lautet: Wenn der Exit gelingt (man spricht von einer Build-to-sell-Politik), werden die Mitarbeiter über die virtuellen Beteiligungsprogramme am Exit-Erlös in beachtlicher Weise finanziell beteiligt. Die virtuellen Beteiligungen werden durch einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Start-up und den teilnehmenden Mitarbeitern abgeschlossen, wodurch die bonusartige Forderung des Mitarbeiters gegenüber der Gesellschaft begründet wird (vgl. Weitnauer, GWR 2020 S. 127; Schrade/Denninger, DStR 2019 S. 2615).

a) Steuerliche Folgen beim Mitarbeiter

Kommt es zur Auszahlung des Erlösanspruchs im Exit-Fall, erzielt der Mitarbeiter Einkünfte aus § 19 EStG. An dieser Stelle kommt ein wichtiger Vorteil virtueller Beteiligungen im Vergleich zur Einräumung „echter“ Gesellschaftsanteile zum Vorschein: Bei unentgeltlicher oder auch nur vergünstigter Übertragung von „echten“ Anteilen an Mitarbeiter, ist der damit verbundene geldwerte Vorteil grundsätzlich im Zeitpunkt der Anteilsgewährung als Arbeitslohn zu versteuern (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die damit verbundene Steuerzahlung ohne tatsächlichen Zufluss könnte vielfach von Start-up-Mitarbeitern gar nicht geleistet werden.

b) Steuerliche Folgen auf Ebene der Gesellschaft

Auf Ebene der Gesellschaft ist keine Rückstellung für die rein Exit-abhängige Mitarbeiterforderung zu bilden, da es sich um einen zukunftsorientierten Leistungsanreiz handelt (, BStBl 2017 II S. 1043). Dementsprechend bedarf es auch keiner Freistellungsverpflichtung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, um einen negativen Ergebniseffekt auszugleichen (vgl. Weitnauer, GWR 2017 S. 349).

c) Potenzielle Folgen für Gründungsgesellschafter und Investoren

Durch die virtuelle Beteiligung der Mitarbeiter werden die Anteile der Venture-Capital-Investoren wirtschaftlich verwässert. Daher kommt es nicht selten zu der Vereinbarung zwischen Gründungsgesellschaftern und Wagniskapitalgebern dahingehend, dass die Gründungsgesellschafter die wirtschaftlichen Auswirkungen der virtuellen Beteiligungen bis zu einer bestimmten Höhe (z. B. bis zu 10 % ihrer Beteiligung) tragen (vgl. Weitnauer/Dunkmann, GWR 2013 S. 371). Diese Schuldübernahme durch die Gründungsgesellschafter führt im Exit-Fall auf deren Ebene zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. des § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 1 EStG; bei der Start-up-GmbH liegt mit Blick auf den wertmindernden Charakter der Phantom-Stock-Verpflichtung in dieser Freistellung durch die Gründungsgesellschafter eine entsprechende verdeckte Einlage i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG vor, welche im steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) zu erfassen ist.

3. Übertragung „echter“ Anteile als Leistungsanreize für führende Mitarbeiter

Neben den virtuellen Beteiligungen können den Mitarbeitern auch „echte“ Anteile übertragen werden. Um den zuvor erwähnten steuerlichen Nachteil der Direktbesteuerung ohne Geldzufluss abzumildern, wurde am  das Fondsstandortgesetz (Gesetz zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland und zur Umsetzung der Richtlinie [EU] 2019/1160 zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG und 2011/61/EU im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Vertrieb von Organismen für gemeinsame Anlagen [Fondsstandortgesetz – FoStoG]) im BGBl 2021 I S. 1498 verkündet, wodurch Kapitalbeteiligungen an Start-up-Unternehmen steuerlich stärker gefördert werden sollen. Dabei werden im Wesentlichen zwei neue Erleichterungen geschaffen bzw. erweitert.

a) Förderung von Kapitalbeteiligungen: § 3 Nr. 39 EStG

Zum einen wurde § 3 Nr. 39 EStG geändert, welcher vorsieht, dass Unternehmen ihren Arbeitnehmern steuer- und sozialversicherungsfrei geldwerte Vorteile aus Unternehmensbeteiligungen bis zu einem Jahreshöchstbetrag zukommen lassen können. Der steuerfreie Höchstbetrag für Vermögensbeteiligungen wurde von 360 € im Jahr auf 1.440 € angehoben. Die Neuregelung gilt für die Übertragung von Vermögenbeteiligungen nach dem . Als Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist gem. § 3 Nr. 39 Satz 2 EStG jedoch zu beachten, dass das Angebot der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung von Anteilen mindestens allen Arbeitnehmern offenstehen muss, welche im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen. Die Steuerbefreiung wird somit nicht gewährt, wenn sie nur einzelnen, ausgewählten Mitarbeitern zugutekommen soll.

b) Förderung von Kapitalbeteiligungen: § 19a EStG

Daneben gibt es insbesondere für Arbeitnehmer von Start-up-Unternehmen eine neue Regelung (§ 19a EStG), nach der die Einkünfte (= geldwerter Vorteil) aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers zunächst nicht besteuert werden. Dies gilt auch, wenn die Vermögensbeteiligungen mittelbar über Personengesellschaften gehalten werden. Die Besteuerung erfolgt erst zu einem späteren Zeitpunkt, in der Regel im Zeitpunkt der Veräußerung, jedoch spätestens nach zwölf Jahren oder bei einem Arbeitgeberwechsel.

Damit soll vermieden werden, dass die Übertragung einer Beteiligung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (Sachbezug) beim Arbeitnehmer führt, ohne dass liquide Mittel zugeflossen sind. Die Regelung gilt ebenfalls für Vermögenbeteiligungen, die nach dem  übertragen werden. Voraussetzung ist, dass das Unternehmen des Arbeitgebers im Übertragungszeitpunkt der Vermögensbeteiligung die Schwellenwerte für Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gem. Art. 2 Abs. 1 des Anhangs der Empfehlung der Kommission v.  betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl EU 2003 Nr. L 124 S. 36) nicht überschreitet oder im vorangegangenen Kalenderjahr nicht überschritten hat.

Die relevanten Größenkriterien sind demnach:

  • weniger als 250 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € oder

  • eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 € Mio.

Darüber hinaus darf die Gründung des Unternehmens im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung nicht mehr als zwölf Jahre zurückliegen.

4. Zwischenfazit

Bei der zweiten Lebensphase eines Start-ups lässt sich im Gegensatz zur Anlaufphase eine klare Tendenz in Richtung Kapitalgesellschaft ausmachen. Dies gilt sowohl aus Sicht der Risikokapitalgeber als auch der Start-up-Unternehmen selbst. Zur Gewährung von Anteilen für besonders qualifizierte (Führungs-)Mitarbeiter dürften sich virtuelle Beteiligungen gegenüber „echten“ Beteiligungen als vorteilhaft erweisen und zwar ungeachtet der im Jahr 2021 eingeführten Neuregelungen. Denn zum einen kommt es dabei aus Sicht der Gründer bzw. der Wagniskapitalgeber zu keiner weiteren realen Anteilsverwässerung und zum anderen erfolgt mangels Einräumung eines geldwerten Vorteils keine Zuflussbesteuerung auf Mitarbeiterebene (vgl. ausführlich hierzu Schrade/Denninger, DStR 2019 S. 2616).

IV. Veräußerung: „Schmücke die Braut“ und langfristiges Investment

1. Veräußerung eines Personenunternehmens

Veräußert der Start-up-Unternehmer sein Einzelunternehmen bzw. seinen Anteil an einer gewerblichen Personengesellschaft, wird gem. §§ 16 und 34 EStG dieser Vorgang grundsätzlich ertragsteuerlich begünstigt. Der Gesetzgeber gewährt bis zu einer bestimmten Höhe des Veräußerungsgewinns einen Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG. Außerdem entfällt auf den durch den Freibetrag nicht abgedeckten Teil des Gewinns ein ermäßigter Steuersatz nach Maßgabe des § 34 EStG. Grundsätzlich erfolgt hierbei die Anwendung der sog. Fünftelregelung (§ 34 Abs. 1 EStG). Auf Antrag beträgt der ermäßigte Steuersatz jedoch bis zu einem Veräußerungsgewinn von 5 Mio. € 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes (§ 34 Abs. 3 EStG).

Ein steuerlicher Vorteil besteht indes darin, dass der Veräußerungsgewinn nicht der Gewerbesteuer unterliegt (R 7.1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GewStR). Weitere ertragsteuerliche Vorteile greifen aber regelmäßig ins Leere. Zum einen sind Start-up-Unternehmer in aller Regel zu jung für den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG oder die Gewährung des „halben“ durchschnittlichen Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG, zum anderen verpufft die progressionsglättende Wirkung der Fünftelregelung nach § 34 Abs. 1 EStG bei entsprechend hohen Veräußerungsgewinnen. Im Ergebnis hätte der Start-up-Unternehmer bei Fortführung eines Personenunternehmens mit einer Steuerbelastung von ca. 50 % (Einkommensteuersatz von 45 % zuzüglich SolZ und ggf. Kirchensteuer) zu rechnen.

2. Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft

Alternativ könnte erwogen werden, das Personenunternehmen nach der Anlaufphase gemäß §§ 20-23 UmwStG in eine Kapitalgesellschaft einzubringen und in der Zukunft Anteile an der Kapitalgesellschaft zu veräußern.

In diesem Fall würde die spätere Veräußerung prinzipiell unter § 17 EStG fallen, was die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens beim Start-up-Unternehmer zur Folge hätte. Damit wären nach § 3 Nr. 40 Buchst. c i. V. mit § 3c Abs. 2 EStG lediglich 60 % des Veräußerungsgewinns mit seinem individuellen Einkommensteuersatz zu versteuern. Dies würde einer Ertragsteuerbelastung von ca. 30 % (inkl. SolZ und Kirchensteuer) entsprechen. Insoweit würde diese Variante zu einem Belastungsvorteil von ca. 20 Prozentpunkten im Vergleich zum Ausgangsfall „Veräußerung von Personenunternehmen“ führen.

Beim Einbringungsvorgang selbst ist – stark verkürzt – auf folgende Aspekte zu achten:

Das eingebrachte Betriebsvermögen ist grundsätzlich mit dem gemeinen Wert (Marktwert) anzusetzen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Dies würde vorliegend aufgrund des erwarteten Veräußerungsgewinns wahrscheinlich auch bereits heute zu einer umfassenden Aufdeckung stiller Reserven führen. Auf Antrag kann das übernommene Betriebsvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mit dem Buchwert oder einem höheren Zwischenwert angesetzt werden, soweit

  • sichergestellt ist, dass das übergehende Betriebsvermögen später bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft der Besteuerung mit Körperschaftsteuer unterliegt,

  • die Passiva (ohne Eigenkapital) die Aktiva nicht übersteigen,

  • das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird,

  • der gemeine Wert von sonstigen Gegenleistungen, die neben den neuen Gesellschaftsanteilen an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft gewährt werden, nicht mehr beträgt als 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens.

Der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, gilt für den Einbringenden als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile (§ 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG).

Besonders in den Blick zu nehmen ist vorliegend der Zeitraum zwischen Einbringung und Veräußerung, da der Start-up-Unternehmer nach erfolgter Einbringung sog. einbringungsgeborene Anteile an der Kapitalgesellschaft hält. Bei einer Veräußerung von einbringungsgeborenen Anteilen innerhalb der ersten sieben Jahre nach dem Einbringungszeitpunkt erfolgt eine nachträgliche Besteuerung der im Zeitpunkt der Einbringung vorhandenen stillen Reserven, gemindert um 1/7 für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr (sog. Einbringungsgewinn I, § 22 Abs. 1 UmwStG); neben der Veräußerung enthält § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG verschiedene Ersatztatbestände (z. B. steht der Veräußerung der Anteile gleich, wenn der Einbringende die erhaltenen Anteile entgeltlich überträgt, es sei denn, er weist nach, dass die Übertragung durch eine Einbringung nach §§ 2021 UmwStG erfolgte).

Eine vollumfängliche Besteuerung nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens kann insoweit erst nach Ablauf von sieben Jahren erfolgen. Umgekehrt bedeutet dies, dass sich der Start-up-Unternehmer mit Blick auf die zukünftige Veräußerung durch die Umwandlung seines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft steuerlich grundsätzlich nie schlechter stellen kann als im Ausgangsfall. Eine steuerliche Gleichstellung würde sich nämlich dann ergeben, wenn die Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile vor Ablauf eines Jahres nach Einbringung erfolgen würde (Hinweis: Eine Abweichung könnte auftreten, wenn der [gemeine] Wert des Unternehmens in der Zeit zwischen Einbringung und Veräußerung absinkt – je nach betraglicher und zeitlicher Konstellation könnte sich dann eine nachteilige ertragsteuerliche Situation ergeben).

3. Holdingmodell

Ein weiterer Schritt in Richtung Ertragsteueroptimierung könnte darin bestehen, die Anteile an der Kapitalgesellschaft (s. IV, 2) unmittelbar nach Umwandlung des Einzelunternehmens in eine Holding-Kapitalgesellschaft einzubringen (sog. Anteilstausch gem. § 21 Abs. 1 UmwStG). In diesem Fall wäre die Holding-GmbH zukünftig Veräußerer der Anteile an der operativ tätigen Start-up-GmbH. Auf deren Ebene würde der Veräußerungsgewinn nach § 8b Abs. 2 i. V. mit Abs. 3 KStG lediglich zu 5 % der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer unterliegen, mithin wäre die effektive Ertragsteuerbelastung mit ca. 1,5 % zu beziffern. Eine Besteuerung auf Ebene des Gesellschafters erfolgt prinzipiell so lange nicht, wie dieser die Gewinne auf Ebene der Holding-GmbH thesauriert (sog. Spardoseneffekt). Im Fall der Ausschüttung unterliegt lediglich die tatsächlich ausgeschüttete Dividende der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 % (zzgl. SolZ und Kirchensteuer). Im Vergleich zu den beiden vorab vorgestellten Szenarien bestimmt der Start-up-Unternehmer bei der Einrichtung einer Holding folglich selbst darüber, ob bzw. inwieweit es über die Steuerbelastung von ca. 1,5 % hinaus zur Besteuerung der Veräußerungsgewinne kommt.

Vor diesem Hintergrund ist die Errichtung einer Holdingstruktur bestehend aus einer Holdingkapitalgesellschaft als Muttergesellschaft und der operativ tätigen Start-up-Kapitalgesellschaft ertragsteuerlich zu empfehlen. Dies gilt für Start-up-Unternehmer auch nach dem Exit-Fall, da die Holdinggesellschaft den thesaurierten Veräußerungsgewinn von 98,5 % nach Steuern z. B. selbst als Wagniskapitalgeber in weitere Start-up-Kapitalgesellschaften investieren oder bspw. auch eine Immobilie mittels einer Tochterkapitalgesellschaft unter Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung für vermögensverwaltende Gesellschaften nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erwerben könnte. In diesem Fall betrüge die laufende Besteuerung der Immobilienkapitalgesellschaft 15 %.

Nicht selten übernimmt die Holdinggesellschaft nach der Veräußerung der Start-up-Gesellschaft auf diese Weise die Funktion des sog. Family-Office. In ihr werden damit alle unternehmerischen und vermögensverwaltenden Aktivitäten steuerlich optimiert gebündelt.

Was spricht also gegen die Errichtung einer Holdingstruktur von Anfang an? Die fehlende Verrechnungsmöglichkeit von Anlaufverlusten bzw. der potenzielle Untergang von Verlustvorträgen bei der Aufnahme von Venture-Capital-Investoren. Prima facie könnte das zur Empfehlung führen, zunächst als Personenunternehmen zu starten, um Anlaufverluste unmittelbar bzw. zeitnah verwerten zu können, und die Umstrukturierung in das Holdingsmodell bei Eintritt in die Gewinnphase anzustoßen. Problem ist dabei wiederum die siebenjährige Sperrfrist, die den vollen Vorteil der Holding erst nach Ablauf dieses Zeitfensters sichert, da Unternehmen vielfach bereits nach drei bis vier Jahren veräußert werden.

4. Lösungsansatz: GmbH & atypisch Still

Es gilt also einerseits das Holdingmodell von vornherein zu installieren und andererseits dennoch Anlaufverluste auf Ebene des Gründungsgesellschafters (Stichwort „Halbtagsjob“) nutzbar zu machen. Dafür beteiligt sich der Gründungsgesellschafter zusätzlich atypisch still an der verlustverursachenden Start-up-Gesellschaft – mithin liegt die Rechtsform der GmbH & atypisch Still vor. Im Gegensatz zur typisch stillen Beteiligung bzw. Gesellschaft, bei der sich der stille Gesellschafter mittels Einlage ausschließlich am Gewinn (ggf. auch am Verlust) beteiligt, zeichnet sich die atypisch stille Beteiligung dadurch aus, dass der atypisch stille Gesellschafter (hier: Gründungsgesellschafter) auch an den stillen Reserven und dem Geschäftswert partizipiert sowie darüber hinaus einen gewissen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben kann (vgl. Prinz/Kahle in Beck´sches Handbuch der Personengesellschaften, 2020, Rz. 50 ff.). Somit wird dieser wie ein Mitunternehmer behandelt, der gewerbliche Einkünfte gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus der atypisch stillen Beteiligung erhält (Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der atypisch stille Gesellschafter Mitunternehmerinitiative – wie z. B. ein Kommanditist – und Mitunternehmerrisiko – z. B. Beteiligung an den stillen Reserven/Verlusten – hat; vgl. Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 2020, § 15 EStG Rz. 2).

Positiv hervorzuheben ist, dass die Gründung der atypisch stillen Gesellschaft und die Ausarbeitung des Gesellschaftsvertrags grundsätzlich formfrei sind. Eine Eintragung der atypisch stillen Gesellschaft im Handelsregister ist zudem auch nicht erforderlich, da es sich um eine reine Innengesellschaft handelt (vgl. Koch/Ott, NWB 34/2018 S. 2502).

a) Verlustverrechnung

Die Gewinn- und Verlustanteile werden auf Ebene der atypisch stillen Gesellschaft im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO den atypisch stillen Gesellschaftern zugewiesen (NWB KAAAH-09267; Bitz in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, 2020, § 15 EStG Rz. 7). Die Verlustanteile des atypisch Stillen können – wie auch bei anderen Mitunternehmerschaften – mit Einkünften aus anderen Quellen verrechnet werden. Die Verrechnung der Verluste mit anderen Einkünften setzt jedoch eine natürliche Person als Beteiligten voraus (§ 15 Abs. 4 Satz 8 EStG). Die Isolation der Verluste in der Kapitalgesellschaft wird auf diese Weise abgeschwächt. Gleichzeitig wird die 95 %ige Veräußerungsgewinnbefreiung nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG auf Holdingebene von vornherein uneingeschränkt sichergestellt.

Gegebenenfalls zu beachten sind dabei die Beschränkungen des § 15a EStG, soweit ein negatives Kapitalkonto entsteht (, BStBl 2012 II S. 745; vgl. Riegler/Riegler, DStR 2014 S. 1031; Engelberth, NWB 2/2022 S. 111); indes wird durch die Anwendung des § 15a EStG die sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG vermieden, da es dort an einem entsprechenden Verweis fehlt (vgl. Kaminski in Korn, EStG, 2020, § 10d Rz. 15, 60).

b) Steuerliche Fallstricke

Hinsichtlich der Begründung der GmbH & atypisch Still ist für die Beratungspraxis darauf hinzuweisen, dass die Start-up-GmbH hierzu ihren Geschäftsbetrieb auf die GmbH & atypisch Still übertragen muss und vom steuerlichen Berater folglich gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ein Antrag auf Buchwertfortführung zu stellen ist, um die Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden (vgl. Wacke in Schmidt, EStG, 2021, § 15 EStG Rz. 350; Bauschatz/Levedag in Widmann/Bauschatz, eKommentar, 2021, § 24 UmwStG Rz. 87). Der Gründungsgesellschafter selbst kann seine Einlage in die atypisch stille Gesellschaft bspw. auch in Form einer Sacheinlage erbringen, die mit dem Teilwert angesetzt wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG). Alternativ kann die Einlage auch steuerneutral aus einem Betriebsvermögen des Gründungsgesellschafters gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG erfolgen (vgl. Spreitzer in Haufe Steuer Office, HI1098735, 2019, Rz. 48; Johannemann/Häuselmann in Lüdicke/Sistermann, Unternehmensteuerrecht, 2018, Rz. 13). Die Höhe der Einlage des Gründungsgesellschafters ist aus zwei Gründen von entscheidender Bedeutung. Einerseits bestimmt sie das mögliche Verlustverrechnungspotenzial nach § 15a EStG, andererseits ist von ihr die Höhe der Gewinn- bzw. Verlustzuweisung abhängig (soweit im Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen getroffen worden sind; diese müssen jedoch eine fremdübliche Gewinnbeteiligung darstellen, , BStBl 2015 II S. 935).

Ist der atypisch stille Gründungsgesellschafter zugleich mindestens zu 10 % Anteilseigner der GmbH, stellen seine GmbH-Anteile Sonderbetriebsvermögen II (= der stillen Beteiligung dienend) dar (, BStBl 1999 II S. 286). Dies würde vorliegend auch auf die Holdingkapitalgesellschaft durchschlagen. Etwaige dem atypisch Stillen zugeflossene Gewinnausschüttungen der GmbH wären deshalb als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassen und würden dem Teileinkünfteverfahren nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG unterliegen. Potenzielle Refinanzierungsaufwendungen des Gründungsgesellschafters für seine Einlage stellen wiederum Sonderbetriebsausgaben dar und mindern den steuerlich zuzurechnenden Gewinnanteil. Im Hinblick auf die Gewerbesteuer kann sich die atypisch stille Gesellschaft ebenfalls als vorteilhaft erweisen, sofern ein Gewinn erzielt wird. Denn hier wird – im Gegensatz zu einer GmbH – der gewerbesteuerliche Freibetrag in Höhe von 24.500 € gewährt sowie eine potenzielle Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer beim Gründungsgesellschafter nach § 35 EStG ermöglicht (vgl. Protz/Krome in Prinz/Winkeljohann, Beck'sches Handbuch der GmbH, 2021, Rz. 191-192).

Steht der Verkauf der Start-up-GmbH durch die Holdingkapitalgesellschaft an einen Investor in naher Zukunft (zwei bis drei Jahre) bevor, empfiehlt es sich bereits vorab, die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, um die atypisch stille Gesellschaft wieder aufzulösen. Insbesondere sollte die Beteiligung der Holdingkapitalgesellschaft, welche grundsätzlich Sonderbetriebsvermögen des Gründungsgesellschafters bei der atypisch stillen Gesellschaft darstellt, vor Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft gestalterisch „herausgelöst“ werden. Das Ziel besteht letztlich darin, dass der Geschäftsbetrieb, der sich in der atypisch stillen Gesellschaft befindet, wieder steuerneutral in die Start-up-GmbH gelangt. Als Lösungsansatz soll im vorliegenden Fall, zeitgleich mit der Bildung der atypisch stillen Gesellschaft, eine GmbH & Co. KG gegründet werden, an welcher der Gründungsgesellschafter beteiligt ist. Anschließend wird der sich im Sonderbetriebsvermögen befindliche Anteil an der Holdingkapitalgesellschaft nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG steuerneutral in das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG überführt. Im Ergebnis hat der Gründungsgesellschafter im Rahmen seiner atypisch stillen Beteiligung kein Sonderbetriebsvermögen mehr.

Die vor dem Verkauf geplante Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft kann im o. g. Fall bspw. durch den Austritt des Gründungsgesellschafters mit dem Verkauf seiner atypisch stillen Beteiligung an die Start-up-GmbH erfolgen (Auflösung durch Kündigung des Gesellschafters i. S. des § 234 HGB). Dieser hat neben der geleisteten Einlage auch einen Anspruch auf die anteilig gebildeten stillen Reserven innerhalb des Betriebsvermögens (vgl. Wichmann, DStZ 2014 S. 444). Der Verkauf der atypisch stillen Beteiligung fällt grundsätzlich unter § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Eine begünstige Besteuerung des Veräußerungsgewinns auf Ebene des Gründungsgesellschafters kommt nur in Betracht, wenn der gesamte Mitunternehmeranteil veräußert wird (, BStBl 2012 II S. 888). Grundsätzlich stellt die Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils jedoch einen nach § 16 Abs. 4 EStG i. V. mit § 34 EStG begünstigten Veräußerungsvorgang dar.

Hinweis:

Es ist zu beachten, dass die Gesamtplanbetrachtung für die Gewährung der Vergünstigungen nach § 16 Abs. 4 und § 34 EStG im Gegensatz zur Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG und § 6 Abs. 5 EStG nach der BFH-Rechtsprechung weiterhin Anwendung findet ( BStBl 2019 I S. 1291, Rz. 10, 16; , BStBl 2015 II S. 536). Aus diesem Grund sollte die GmbH & Co. KG zeitgleich mit der atypisch stillen Gesellschaft begründet werden, so dass die Problematik der Gesamtplanbetrachtung nicht auftritt und genügend Zeit bis zum Verkauf der Beteiligung verstrichen ist.

Ergibt sich im Rahmen der Veräußerung des Mitunternehmeranteils ein Veräußerungsgewinn, kann dieser insoweit mit vorliegenden verrechenbaren Verlusten nach § 15a EStG aus den Vorjahren verrechnet werden (vgl. Seufer in Kirchhof/Kulosa/Ratschow, Beck'scher Online-Kommentar, 2021, § 15a EStG Rz. 145-146).

Durch das Ausscheiden des Gründungsgesellschafters wird die atypisch stille Gesellschaft beendet. Der operativen Start-up-GmbH wächst als Folge das Vermögen der atypisch stillen Gesellschaft gem. § 738 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an. Scheidet der Gründungsgesellschafter gegen einen Abfindungsbetrag aus, der oberhalb des steuerlichen Eigenkapitals liegt, ist darauf zu achten, dass ggf. eine steuerbilanzielle Aufstockung der einzelnen Wirtschaftsgüter vorgenommen werden muss (vgl. Ley, kösdi 2018 S. 20750 Rz. 32).

Nach Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft befindet sich der Geschäftsbetrieb nun wieder in der Start-up-GmbH. Einem vollumfänglich steuerbegünstigten Verkauf nach § 8b Abs. 2 und Abs. 3 KStG an einen potenziellen Investor durch die Holdingkapitalgesellschaft steht nun nichts mehr im Weg.

5. Der bloßen Vollständigkeit halber: Option nach § 1a KStG

Durch § 1a KStG wird es Personengesellschaften ermöglicht, wie eine Körperschaft besteuert zu werden. Dabei ist der Wechsel zwischen den beiden Besteuerungsregimen weniger formalistisch als die bis dato genutzten Möglichkeiten des UmwG/UmwStG (vgl. ausführlich Brühl/Weiss, DStR 2021 S. 889, 945, 1617).

Häufig kommt es jedoch vor, dass Start-up-Unternehmer ihren Betrieb zunächst im Rahmen eines Einzelunternehmens führen. In diesem Fall ist die neue Optionsmöglichkeit nach § 1a KStG nicht möglich, da deren Anwendungsbereich beschränkt ist auf Kommanditgesellschaften, offene Handelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften. Hinzu kommt, dass Personengesellschaften, auf welche § 1a KStG Anwendung findet, und insbesondere das Institut der Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben im internationalen Kontext weitestgehend unbekannt sind (vgl. Kudert/Kahlenberg, PIStB 2017 S. 44; NWB QAAAH-94630). Dies dürfte die Attraktivität weiter schmälern. Im Zusammenhang mit der Option sollte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese unmittelbare Auswirkungen auf ggf. vorhandene Grundstücke hat. Beispielsweise ist nach §§ 5 und 6 GrEStG die (grunderwerb-)steuerneutrale Übertragung von Grundstücken auf eine beteiligungsidentische Gesamthand oder von einer Gesamthand auf eine andere beteiligungsidentische Gesamthand möglich. Durch die Ausübung der Option nach § 1a KStG wird eine sog. Grunderwerbsteuersperre ausgelöst. Als Folge können die o. g. (grunderwerb-)steuerneutralen Übertragungsvorgänge nicht mehr problemlos durchgeführt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 3 Satz 4 GrEStG). Insoweit wird der vermeintliche Vorteil eines formalistischen Minderaufwands durch diverse in § 1a KStG geborgene Nachteile mehr als überkompensiert.

Fazit

Start-up-Unternehmen benötigen aus steuerlicher Sicht ein dynamisches Rechtskleid, welches sich danach richtet, in welcher Lebensphase sie sich gerade befinden. So ist in der verlustträchtigen Anlaufphase die Personenunternehmung klar zu bevorzugen – vor allem dann, wenn noch andere Einkunftsquellen auf Ebene des Gründers gegeben sind („Halbtagsjob“). Diese klare Empfehlung ändert sich in der anschließenden Finanzierungs-/Kapitalerhöhungsphase in Richtung Kapitalgesellschaft, da dies zum einen von Risikokapitalgebern präferiert wird, welche häufig selbst in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft agieren. Zum anderen sind Beteiligungen am Unternehmenserfolg für (qualifizierte) Mitarbeiter in der Welt der Personenunternehmen ungleich schwieriger möglich als bei Kapitalgesellschaften. Dabei könnte sich die Einräumung von virtuellen Anteilen (Phantom Stocks) als die für alle Beteiligten vorteilhafteste Variante erweisen. Die Veräußerung betreffend bietet schließlich das Holdingmodell mit Kapitalgesellschaften den größtmöglichen steuerlichen Vorteil bedingt durch die 95 %ige Steuerbefreiung verbunden mit dem Spardoseneffekt. Um die Vorteile der unmittelbaren Verlustnutzung durch Personenunternehmen in der Anlaufphase mit den Vorteilen eines Holdingmodells zu kombinieren, könnte daran gedacht werden, von vornherein eine Holdingstruktur mit Kapitalgesellschaften zu installieren, bei welcher der Gründer zusätzlich atypisch still an der operativ tätigen und zunächst verlustbringenden Start-up-GmbH beteiligt wird (GmbH & atypisch Still).

Autoren

Prof. Dr. Markus Peter,
Steuerberater, ist Professor für BWL Steuerlehre, Internationales Steuerrecht und ABWL an der Hochschule Aalen sowie Partner bei Peter Partner Steuerberater, Aalen und Köln.

Jonathan Sola,
M.A. (Taxation), ist Steuerberater und Senior Manager bei Peter Partner Steuerberater in Aalen.

Sebastian Moos,
Dipl.-Finanzwirt (FH), LL.M., ist Steuerberater und Senior Manager bei Peter Partner Steuerberater in Köln.

Fundstelle(n):
NWB 2022 Seite 160 - 172
NWB IAAAI-01648

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