Online-Nachricht - Donnerstag, 28.11.2024

Verfahrensrecht | Gemein­nützig­keit nach §§ 51 ff. AO und Verfas­sungs­schutz­bericht (BFH)

Die Anwen­dung der Vermu­tungs­regel des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO erfor­dert die Fest­stellung, dass gerade die Körper­schaft, deren steuer­recht­liche Gemein­nützig­keit versagt werden soll, als selbstän­diges Steuer­subjekt (§ 51 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO) in einem Verfas­sungs­schutz­bericht aus­drück­lich als extre­mis­tisch bezeich­net wird und nicht ein hiervon verschie­denes selbstän­diges Steuer­subjekt (BFH, Urteil v. 5.9.2024 - V R 36/21; veröf­fent­licht am 28.11.2024).

Hintergrund: Die Steuer­vergünsti­gung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG setzt gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 AO u.a. voraus, dass die Körper­schaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäfts­führung keine Bestre­bungen im Sinne des § 4 BVerfSchG fördert und dem Gedanken der Völker­verständi­gung nicht zuwider­handelt. Bei Körper­schaften, die im Verfas­sungs­schutz­bericht des Bundes oder eines Landes als extre­mistische Organi­sation aufge­führt sind, ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 AO wider­legbar davon auszu­gehen, dass die Voraus­setzun­gen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO nicht erfüllt sind.

Sachverhalt: Der Kläger, ein Verein, war eine selbstän­dige Landes­organisation, deren Bezeichnung teilweise wortgleich in dem Namen der ebenfalls selbständigen Bundes­organi­sation enthalten war. Der Name der Bundes­organi­sation enthielt zudem eine Abkürzung. Die Verfas­sungs­schutz­berichte eines Landes enthielten Aus­führungen zu beiden Organi­satio­nen. Der jeweilige Anhang einiger dieser Verfas­sungs­schutz­berichte, der extre­mistische Organi­sationen aufführte, führte nur den wortgleichen Namensteil und die Abkürzung auf. Das FA versagte dem Kläger die Körperschaft­steuer­befreiung für gemein­nützige Körperschaften, da er nach Auffassung des FA in Verfas­sungs­schutz­berichten als extre­mistisch aufgeführt war und die dann nach § 51 Abs. 3 Satz 2 AO geltende Vermutung, er fördere Bestre­bungen gegen die freiheitliche demokratische Grund­ordnung der Bundes­republik Deutsch­land, nicht widerlegt habe. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG München, Urteil v. 27.9.2021 - 7 K 3347/18)..

Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur ander­weitigen Verhand­lung und Entschei­dung zurück:

  • Zwar greift die widerlegbare Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO bereits dann ein, wenn eine Körper­schaft in einem Verfas­sungs­schutz­bericht ausdrücklich als extremistisch aufgeführt ist, wofür die Erwähnung in einem Anhang des Verfas­sungs­schutz­berichtes, der extre­mistische Organi­sationen aufführt, genügt.
  • Indes muss die jeweilige Körperschaft eindeutig identifizierbar sein.
  • Hierfür reicht es nicht aus, wenn aus den Verfas­sungs­schutz­berichten nicht klar hervorgeht, welche Körperschaft als selbstän­diges Steuer­subjekt gemeint ist.
  • Im zweiten Rechtsgang wird das FG die Tatsachen, ob eine bestimmte Körper­schaft als selbständiges Steuer­subjekt in den Verfas­sungs­schutz­berichten i.S. des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt ist, selbst zu prüfen und zu würdigen haben.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 5.9.2024 - V R 36/21 sowie BFH, Pressemitteilung v. 28.11.2024 (il)

 
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