Online-Nachricht - Donnerstag, 28.11.2024
Verfahrensrecht | Keine Schätzungsbefugnis bei pauschaler Verbuchung der Entnahme von Non-Food-Artikeln durch Einzelhändler (BFH)
Eine Hinzuschätzung wegen Verstoßes gegen Aufzeichnungspflichten kommt nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige darauf vertrauen durfte, dass er von einer ihm durch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingeräumten Aufzeichnungserleichterung Gebrauch gemacht hat (BFH, Urteil v. 16.9.2024 - III R 28/22, veröffentlicht am 28.11.2024).
Sachverhalt: Der Kläger, ein Einzelkaufmann, betrieb mehrere Supermärkte und entnahm in den strittigen Jahren 2015 – 2017 Waren für den Eigenbedarf, ohne diese Entnahmen einzeln aufzuzeichnen. Stattdessen nutzte er die vom BMF veröffentlichten Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) für den Gewerbezweig Nahrungs- und Genussmittel (Einzelhandel) vom 12.12.2014 (BStBl I 2014, 1575) für die Gewinnermittlung.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass die BMF-Regelung nur für Nahrungs- und Genussmittel gelte, nicht jedoch für Non-Food-Artikel. Daher nahm das FA Hinzuschätzungen für die Entnahmen von Non-Food-Artikeln vor und erhöhte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bzw. § 7 Satz 1 GewStG und die Umsatzsteuer entsprechend. Das FG gab der Klage des Steuerpflichtigen statt und entschied, dass die Hinzuschätzungen des FA unzulässig seien, da sie über die Pauschbeträge der BMF-Regelung hinausgingen.
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg und die Richter des BFH führten hierzu u.a. aus:
- Die Vorentscheidung verstößt gegen Bundesrecht, weil das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass das FA wegen der Sachentnahmen des Klägers aus seinen Supermärkten dem Grunde nach zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO berechtigt war, und weil es (folgerichtig) für Schätzungen geltende Rechtsgrundsätze angewandt hat. Im Streitfall lagen die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht vor. Der Kläger hat nicht gegen Aufzeichnungspflichten verstoßen, sondern in zulässiger Weise von einer Erleichterung von den durch die Steuergesetze begründeten Aufzeichnungspflichten Gebrauch gemacht.
- Die Vorentscheidung ist dennoch im Ergebnis richtig, weil das FG im Ergebnis zu Recht hinsichtlich der Hinzuschätzungen wegen der Entnahme von Non-Food-Artikeln der Klage stattgegeben hat.
- Nach diesen Grundsätzen kommt im Streitfall eine (Hinzu )Schätzung wegen der Entnahme von Non-Food-Produkten (§ 162 AO) nicht in Betracht, da der Kläger auch seine Sachentnahmen im Non-Food-Bereich zulässigerweise in pauschalierter Form aufgezeichnet hat. Die angefochtenen Bescheide wurden vom FG im Ergebnis zu Recht korrigiert.
- Für die Auslegung von an bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen adressierte Regelungen des BMF über Aufzeichnungserleichterungen ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der objektivierte Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte, maßgebend; im Zweifel ist das die Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen.
Quelle: BFH, Urteil v. 16.9.2024 - III R 28/22 (gr)
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