Online-Nachricht - Donnerstag, 05.12.2024

Grunderwerbsteuer | u.a. Grund­­­erwerb­­­steuer­­­befreiung bei einer nieder­­­ländischen Stiftung (BFH)

Eine steuerbare Vereini­gung von Anteilen an einer grund­besitzen­den Gesell­schaft in einer nieder­ländischen Stif­tung (stichting) ist nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG steuer­befreit, wenn die Stiftung bei einem Rechts­typen­vergleich nicht mit einer Gesamt­hands­gemeinschaft gleich­gestellt werden kann (BFH, Urteil v. 23.7.2024 - II R 11/22; veröf­fent­licht am 5.12.2024).

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Stiftung nach nieder­ländischem Recht mit Sitz in den Niederlanden. Sie wurde am 14.10.2009 gegründet. Alleiniger Vorstand der Klägerin war der nieder­ländische Staats­angehörige B. Als Stiftungszweck wurde die Verwaltung der Anteile an der Holding B.V., einer Kapital­gesell­schaft nieder­ländischen Rechts, sowie die Herausgabe von Zertifikaten zu diesen Anteilen festgelegt. Am gleichen Tag wurde die Holding B.V. mit Sitz in den Nieder­landen gegründet und B zu deren alleinigem Geschäfts­führer bestellt. Es wurden 180 Anteile im Nennwert von jeweils 100 € ausgegeben.

Unmittelbar nach der Gründung erfolgte eine Kapital­erhöhung durch Ausgabe von 442.900 Anteilen an den B. Dieser brachte seine Anteile an der Holding B.V. in die Klägerin ein. Im Gegenzug gab die Klägerin Zertifikate an den B aus.

Am 24.12.2009 beschloss die Gesell­schafter­versamm­lung der Holding B.V. eine weitere Kapital­erhöhung durch Ausgabe von 298.064 Anteilen im Nenn­wert von 100 € an den B. Als Gegenleistung für die Übernahme dieser Anteile übertrug B 100 % seiner Anteile an der A-N.V., einer Kapital­gesell­schaft belgischen Rechts mit Sitz im König­reich Belgien, auf die Holding B.V. Die A-N.V. war Allein­gesell­schafterin der C-GmbH, die mit notariellem Vertrag vom 20.5.2009 das Grundstück X-Straße in Y zu einem Kaufpreis von 915.000 € erworben hatte.

Ebenfalls am 24.12.2009 brachte B seine am gleichen Tag im Rahmen der Kapital­erhöhung über­nommenen Anteile an der Holding B.V. in die Klägerin ein. Hierfür erhielt er von der Klägerin entsprechende Zertifikate.

Das FA setzte aufgrund der Übertragung der Anteile des B an der Holding B.V. auf die Klägerin mit Vertrag vom 24.12.2009 Grund­erwerb­steuer gegenüber der Klägerin fest. Im Laufe des Verfahrens setzte das FA die Grund­erwerb­steuer herab.

Hiergegen trägt die Klägerin vor, dass bereits mit der Anteils­über­tragung am 14.10.2009 mehr als 95 % der Anteile an der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt worden seien. Dass die Schwelle von 95 % der Anteile infolge der Kapital­erhöhung der Holding B.V. am 24.12.2009 wieder unter­schritten worden sei, sei unerheblich. Nur die erstmalige Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile könne die Besteue­rungs­folge auslösen. Jedenfalls aber wäre ein etwaiger grund­erwerb­steuer­barer Vorgang nach § 5 Abs. 2 GrEStG in der im Streitjahr (2009) geltenden Fassung (GrEStG) steuerfrei. Die Klägerin stehe einer Gesamt­hands­gemein­schaft im Sinne der Vorschrift gleich. Das FG sei nur deswegen zu einem anderen Ergebnis gelangt, weil der von ihm angestellte Rechtstypen­vergleich unvoll­ständig sei. Es hätte insbe­sondere berück­sichtigt werden müssen, dass die Klägerin in den Niederlanden transparent besteuert werde.

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Münster, Urteil v. 10.3.2022 - 8 K 1945/19 GrE):

  • Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Vereinigung der Anteile an der Holding B.V. in der Hand der Klägerin aufgrund des Vertrags vom 24.12.2009 der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG unterliegt.

  • Selbst wenn nach niederländischem Recht dem Übergang der Anteile an der Holding B.V. auf die Klägerin ein anspruchsbegründendes Rechtsgeschäft nicht vorausgegangen sein sollte, wurde die Anteils­vereini­gung durch die Einbringung der Anteile des B an der Holding B.V. in die Klägerin am 24.12.2009 vollzogen. Vor Abschluss des Vertrags vom 24.12.2009 war die Klägerin aufgrund der Kapitalerhöhung der Holding B.V. nur mit 59,76 % der Anteile an der Holding B.V. beteiligt. Nach Abschluss des Vertrags vom 24.12.2009 entfielen auf sie insgesamt 99,98 % der Anteile an der Holding B.V., so dass sich mindestens 95 % der Anteile der Holding B.V. in der Hand der Klägerin vereinigt haben.

  • Zum Vermögen der Holding B.V. gehörte im Zeitpunkt der Vereinigung von mindestens 95 % ihrer Anteile in der Hand der Klägerin mit Vertrag vom 24.12.2009 ein inlän­disches Grundstück, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG erfüllt ist.

  • Ob ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen einer Gesellschaft gehört, richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgeblich ist vielmehr eine grund­erwerb­steuer­recht­liche Zuordnung.

  • Ein inländisches Grundstück ist danach einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer­schuld grund­erwerb­steuer­recht­lich zuzurechnen, wenn die Gesell­schaft in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1, 2, 3 oder 3a GrEStG fallenden Erwerbs­vorgang verwirklicht hat. Dies gilt auch bei mehr­stöckigen Beteiligungen (Anschluss an BFH, Urteil v. 14.12.2022 - II R 40/20, BStBl II 2023, 1012, Rz 30).

  • Darüber hinaus ist die Anteils­vereinigung nicht nach § 5 Abs. 2 GrEStG von der Grund­erwerb­steuer befreit.

  • Das FG hat in seinem Urteil zum niederländischen Zivilrecht festgestellt, dass es sich bei der Klägerin, die in der Rechtsform einer "stichting" organisiert ist, um eine durch Rechtsgeschäft gegründete rechtsfähige juristische Person in Form eines verselbständigten Zweckvermögens handelt, das keine Mitglieder hat und das dem Zweck dient, mithilfe eines dazu bestimmten Vermögens ein in der Satzung festgelegtes Ziel zu verwirklichen (vgl. Art. 285 des Zweiten Buchs des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Niederlande).

  • Ausgehend hiervon hat das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungs­sätze darauf abgestellt, dass sich die Klägerin nach ihrer rechtlichen Struktur bereits aufgrund des Fehlens von Mitgliedern oder Anteils­eignern von einer Gesamthands­gemeinschaft, deren Entstehung als Personen­verband die Beteiligung von mindestens zwei Gesellschaftern voraussetzt (vgl. § 705 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), unterscheidet. Ebenso durfte das FG beim Rechtstypenvergleich berücksichtigen, dass eine "stichting" im Unterschied zu einer Gesamthandsgemeinschaft nicht durch eine gesamt­händerische Bindung des Gesell­schafts­vermögens gekennzeichnet ist.

  • Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass die Klägerin in ihrer konkreten Ausgestaltung als "stichting administratiekantoor" die Zertifizierung von Anteilen ermöglicht. Denn ungeachtet der wirtschaft­lichen Berechtigung der Zertifikats­inhaber in Bezug auf die Erträge aus den verwalteten Anteilen verbleibt es nach den Feststellungen des FG bei der Verselb­ständigung des zweckgebundenen Vermögens auf Ebene der "stichting" als zivil­recht­liche Inhaberin der verwalteten Anteile, ohne dass die Zertifikats­inhaber an den Anteilen vermögens­rechtlich beteiligt sind.

  • Ebenso wenig hat das FG Anhalts­punkte für das Erfordernis einer Selbst­organschaft oder der persönlichen Haftung der Zertifikats­inhaber für von der Klägerin eingegangene Verbind­lichkeiten festgestellt.

  • Vor diesem Hintergrund begegnet die Schluss­folgerung des FG, die Klägerin sei nicht mit einer inländischen Gesamt­hands­gemein­schaft vergleichbar, keinen revisions­rechtlichen Bedenken.

 
Quelle: BFH, Urteil v. 23.7.2024 - II R 11/22; NWB Datenbank (il)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforderlich).