Online-Nachricht - Donnerstag, 12.12.2024
Erbschaftsteuer/Verfahrensrecht | u.a. Kosten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft als Nachlassverbindlichkeiten (BFH)
Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen, um die testamentarisch jedem Miterben zugewandten Geldbeträge zu erzielen (BFH, Urteil v. 21.8.2024 - II R 43/22; veröffentlicht am 12.12.2024).
Hintergrund: § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sieht vor, dass von dem Erwerb unter anderem die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" ist weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen (BFH, Urteil v. 26.7.2023 - II R 5/21, BStBl II 2024, 166, Rz 14 f.).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten in der Sache um den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten bei der Erbschaftsteuer. Darüber hinaus hat der Prozessvertreter der Klägerin eine Rüge erhoben, die sich auf den Ausschluss der Öffentlichkeit und zur Gestattung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz beim BFH bezog:
Die Klägerin ist Miterbin der im Jahr 2017 verstorbenen Erblasserin. Die Erblasserin war Alleinerbin ihres im selben Jahr vorverstorbenen Ehemannes. Die Eheleute hatten in einem Testament verschiedene Familienmitglieder angeführt, die nach dem Tod des letztverstorbenen Ehegatten Erben oder Vermächtnisnehmer sein sollten. In dem Testament hatten sie festgelegt, welcher Geldbetrag an jeden Erwerber ausgezahlt werden sollte.
Im Jahr 2012 waren die Eheleute aus dem Ausland in eine Seniorenresidenz in Deutschland gezogen. Für die Einlagerung der späteren Nachlassgegenstände, für die sie in der Seniorenresidenz keinen Platz fanden, schlossen sie einen kostenpflichtigen Lagervertrag ab.
Im Jahr 2018 wurde allen Miterben ein gemeinschaftlicher Erbschein mit den Erbquoten der einzelnen Erwerber entsprechend dem an sie auszuzahlenden Geldbetrag (für die Klägerin eine Quote in Höhe von 10,103 %) erteilt.
Der eingesetzte Testamentsvollstrecker machte in der Erbschaftsteuererklärung für die Erbengemeinschaft Räumungskosten für ein Büro und die Wohnung der Erblasserin, die Lagerkosten für die Einlagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Verkauf sowie das Honorar einer Kunstexpertin für die Beratung bei der Veräußerung der Nachlassgegenstände als Nachlassverbindlichkeiten geltend.
Das FA erkannte die erklärten Erbfallkosten nicht als Nachlassverbindlichkeiten an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz teilweise Erfolg. Das FG der ersten Instanz ließ die Räumungskosten für das Büro und die Wohnung zum Abzug zu, nicht jedoch das Honorar für die Kunstexpertin und die Kosten für den Lagervertrag (FG Köln, Urteil v. 18.8.2022 - 7 K 2127/21).
Die Richter des BFH gaben der hiergegen gerichteten Klage statt und ließen den Abzug der geltend gemachten Kosten las Nachlassregelungskosten zu:
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Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können, wenn - wie im Streitfall - die Auseinandersetzung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers erfolgt, auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkauf dazu dient, die Geldbeträge zu erlangen, die nach dem testamentarischen Willen des Erblassers an die einzelnen Miterben ausgezahlt werden sollen.
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Darunter können Kosten für die Sichtung der Nachlassgegenstände, deren Inventarisierung sowie Kosten für die Vermittlung, Vorbereitung und Durchführung der Versteigerung fallen.
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Eingeschlossen sein können auch Kosten, die notwendigerweise für die Lagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Veräußerung und der darauffolgenden Auflösung der Erbengemeinschaft anfallen.
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Diese Kosten dienen dazu, den Nachlass bei einer Erbengemeinschaft im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zu verteilen.
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Es handelt sich dabei nicht um nichtabzugsfähige Nachlassverwaltungskosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG.
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Der Verkauf der Nachlassgegenstände dient in diesem Fall nicht der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens (vgl. BFH, Urteil v. 6.11.2019 - II R 29/16, BFHE 267, 433, BStBl II 2020, 505, Rz 19 für eine Alleinerbschaft), sondern er ist notwendig, um den Nachlass nach der letztwilligen Verfügung des Erblassers in Geld auf die Miterben zu verteilen.
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Die in verfahrensrechtlicher Hinsicht erhobenen Rüge des Prozessvertreter der Klägerin, die sich auf den Ausschluss der Öffentlichkeit und zur Gestattung der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Bild- und Tonübertragung durch das FA bezog, wiesen die Richter des BFH dagegen zurück.
Quelle: BFH, Urteil v. 21.8.2024 - II R 43/22; NWB Datenbank (il)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im II. Senat des BFH Prof. Dr. Matthias Loose gelangen Sie hier (Login erforderlich).