Online-Nachricht - Donnerstag, 09.01.2025
Umsatzsteuer | Umfang der Besteuerung nach Durchschnittssätzen bei einer Putenmast (BFH)
Verpflichtet sich ein § 24 Abs. 1 UStG anwendender Tierzuchtbetrieb gegen Entgelt über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Bedingungen für eine tiergerechte und nachhaltige Fleischerzeugung einzuhalten, liegt eine § 24 Abs. 1 UStG unterliegende Leistung vor (BFH, Urteil v. 29.8.2024 – V R 15/23; veröffentlicht am 9.1.2025).
Hintergrund: Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG in der im Streitjahr 2018 geltenden Fassung wird für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen, bei denen es sich nicht um die in Satz 1 dieser Vorschrift näher bezeichneten Lieferungen von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder um die dort genannten Leistungen mit Getränken oder mit alkoholischen Flüssigkeiten handelt, die Steuer auf 10,7 % der Bemessungsgrundlage festgesetzt. Aus § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG ergibt sich ein Vorsteuerabzug in gleicher Höhe. Zu den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F. insbesondere Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören.
Sachverhalt: Die Klägerin betrieb eine Putenmast, im Rahmen derer sie an einem Programm zur Förderung einer tiergerechteren und nachhaltigeren Fleischerzeugung teilnahm. Für die Einhaltung der Anforderungen des Programms erhielt sie eine Vergütung von der X-GmbH. Im Rahmen der Erstellung der Umsatzsteuererklärung wendete die Klägerin die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG für die erzielten Umsätze aus dem Betrieb der Putenmast an. Die erhaltenen Zahlungen aus dem Programm zur tiergerechten Fleischerzeugung erfasste sie als Entgelte für Umsätze, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegen. Die Klägerin machte abziehbare Vorsteuerbeträge basierend auf dem Verhältnis der Umsätze zum allgemeinen Steuersatz und der Umsätze aus der Durchschnittsbesteuerung geltend. Das Finanzamt erkannte den geltend gemachten Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerbescheid des Streitjahres nicht an.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.5.2023 - 9 K 54/21, s. hierzu Lüger, USt direkt digital 2/2024 S. 6).
Die Richter des BFH hoben das Urteil auf und wiesen die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück:
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Verpflichtet sich ein die Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG anwendender Tierzuchtbetrieb gegen Entgelt über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Bedingungen für eine tiergerechte und nachhaltige Fleischerzeugung einzuhalten, liegt eine der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG unterliegende Leistung vor.
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§ 24 UStG ist richtlinienkonform auszulegen. Danach sind die von der Klägerin im Rahmen des Programms erbrachten und von der X-GmbH vergüteten Leistungen Umsätze, die ‑ bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 UStG ‑ im Sinne von § 24 Abs. 1 UStG im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs ausgeführt werden, da es sich um landwirtschaftliche Dienstleistungen im Sinne von Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Anh. VIII Nr. 4 MwStSystRL handelt.
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Für die Anwendung der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG muss grundsätzlich das Kriterium der Leistungsverwendung beim Empfänger für land- und forstwirtschaftliche Zwecke erfüllt sein. Es kommt allerdings nicht ausnahmslos auf eine unmittelbare Verwendung für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke beim Empfänger an. Eine landwirtschaftliche Dienstleistung unterliegt der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG, wenn der Leistungsempfänger die Leistung aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes bezieht (vgl. BFH, Urteil v. 6.9.2018 – V R 34/17).
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Ebenso ist es im Streitfall, in dem die sonstige Leistung der Klägerin, die Putenmast im Rahmen des vorgesehenen Programms in bestimmter Art und Weise durchzuführen, bei ihr zur landwirtschaftlichen Erzeugung beitrug und die auszahlende Stelle als Leistungsempfängerin mit der von ihr bezogenen Leistung keine weitergehenden Zwecke verfolgte, als die Art und Weise der landwirtschaftlichen Produktion bei der Klägerin zu beeinflussen. Damit entfällt das Erfordernis einer eigenständigen Empfängerverwendung, so dass die Leistung der Klägerin, bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 UStG, der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG unterliegt.
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Die Sache ist nicht spruchreif. Unterliegen die von der Klägerin erbrachten Leistungen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 UStG erfüllt sind, entfällt die bisher angenommene Anwendung des Regelsteuersatzes auf diese Umsätze, während dem von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzug § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG entgegensteht. Da das FG aber zur Frage eines Steuerausweises in Rechnungen nach Maßgabe des Regelsteuersatzes keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat nicht entscheiden, ob eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG entstanden ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 29.8.2024 – V R 15/23; NWB Datenbank (lb)
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