Online-Nachricht - Donnerstag, 30.01.2025

Einkommen­steuer | Fahrt­kosten eines (nicht erwerbs­tätigen) Teilzeit­studie­ren­den zwischen seiner Wohnung und seinem Studien­ort (BFH)

Ein Vollzeit­studium im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG liegt nur vor, wenn das Studium nach der Studien­ordn­ung darauf aus­gelegt ist, dass sich die Studie­ren­den diesem ver­gleich­bar einem voll­beschäf­tigten Arbeit­nehmer zeit­lich voll­umfäng­lich widmen müssen (BFH, Urteil v. 24.10.2024 – VI R 7/22; veröf­fent­licht am 30.1.2025).

Hintergrund: Gemäß § 9 Abs.  1 Satz 3 Nr. 4a Satz 1 und 2 EStG können die Aufwen­dungen eines Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeits­stätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG sowie keine Familienheimfahrten sind, nach Wahl des Steuer­pflichtigen in tatsächlicher Höhe oder mit den pauschalen Kilometer­sätzen angesetzt werden, die für das jeweils benutzte Beförde­rungs­mittel (Fahrzeug) als höchste Wegstrecken­entschädi­gung nach dem Bundes­reise­kosten­gesetz (BRKG) fest¬gesetzt sind. Für die Benutzung eines Personen­kraft­wagens liegt diese bei 0,30 € für jeden gefahrenen Kilometer (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BRKG). Aufwen­dungen für Fahrten zu einer Bildungs­einrich­tung, die der Steuer­pflichtige außerhalb eines Dienst­verhält­nisses zum Zwecke eines Vollzeit­studiums oder einer voll­zeitigen Bildungs­maßnahme aufsucht, können dagegen nur mit der Entfer­nungs­pauschale berück­sichtigt werden, weil die Bildungs­einrich-tung in diesem Fall gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 1 EStG als erste Tätig­keits­stätte gilt und unter anderem die Regelungen für Arbeit­nehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG entsprechend anzu­wenden sind (§ 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 2 EStG).

Sachverhalt: Die Kläger sind zusammen veran­lagte Eheleute. Im Streitjahr belegte der Kläger einen Studien­gang an der Fernuniversität Hagen und war als Teilzeit­student einge­schrieben. Bei dem Studium handelte es sich um ein Zweit­studium des Klägers. In einem Beschäf­tigungs­verhältnis stand der Kläger daneben nicht. Laut der Fernuni­versität Hagen zeichnen sich Teilzeit­studien­gänge dadurch aus, dass diese über­wiegend berufs­begleitend in einem zeitlichen Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich ausgeübt werden. In der Einkommen­steuer­erklärung machten die Kläger bei den Einkünften aus nicht­selbstän­diger Arbeit des Klägers Aufwen­dungen für die Hin- und Rückfahrten zwischen ihrer Wohnung und der Fernuni­versität Hagen basierend auf den Reise­kosten­grund­sätzen geltend. Das Finanzamt berück­sichtigte die Fahrtkosten im Einkommen­steuer­bescheid nur unter Anwendung der Ent­fernungs­pauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, da es sich um ein Vollzeit­studium handle und die Univer­sität deshalb als erste Tätigkeits­stätte im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gelte.

Der hiergegen erhobenen Klage wurde stattgegeben (FG Niedersachsen, Urteil v. 16.2.2022 – 4 K 113/20).

Die Richter des BFH wiesen die Revision als unbe­gründet zurück:

  • Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG liegen grundsätzlich auch dann vor, wenn der Steuer­pflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Dann sind die Aufwen­dungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlas­sungs­zusam­men­hang mit späteren Einnahmen stehen (vgl. BFH, Urteil v. 17.5.2017 – VI R 1/16, BFHE 258, 365, BStBl II 2017, 1073, Rz 26).

  • Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine zweite Ausbildung (Berufs­ausbildung oder Studium) sind regelmäßig beruflich veranlasst. Demgemäß sind sämtliche beruflich veran­lassten Aufwen­dungen, die im Rahmen einer Zweitaus­bildung (Berufs­ausbildung oder Studium) anfallen, als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar. Hierzu gehören nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG auch die Fahrtkosten zur Ausbildungs­stätte.

  • Nach diesen Grundsätzen sind die vom Kläger im Rahmen seines Zweitstudiums geltend gemachten Aufwen­dungen für die Hin- und Rückfahrten zwischen seiner Wohnung und der Fernuni­versität dem Grunde nach beruflich veranlasste, vorab entstandene Werbungs­kosten.

  • Für die Frage, ob im vorliegenden Fall die Fahrtkosten für die Hin- und Rüc­kfahrten zur Universität nur basierend auf der Ent­fernungs­pauschale gemäß § 9 Abs. 4 Satz 8 Halbsatz 1 EStG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als Werbungs­kosten angesetzt werden können, ist entscheidend, ob der Kläger einem Vollzeitstudium oder einem Teilzeit­studium nachgegangen ist.

  • Ein Vollzeitstudium liegt vor, wenn das Studium nach der Studien­ordnung darauf ausgelegt ist, dass sich die Studierenden diesem vergleichbar einem voll­beschäf­tigten Arbeit­nehmer zeitlich vollum­fänglich widmen müssen (vgl. BFH, Urteil v. 14.5.2020 – VI R 24/18, BFHE 269, 89, BStBl II 2020, 770, Rz 13). Davon ist auszugehen, wenn das Studium nach den Ausbildungsbestimmungen (hier Studienordnungen) insgesamt etwa 40 Wochen­stunden erfordert beziehungs­weise im Durch­schnitt pro Semester 30 ECTS-Leistung­spunkte (Creditpoints) vergeben werden.

  • Ist das Studium nach der jeweiligen Studien­ordnung hingegen darauf ausge­richtet, dass die Studie­renden für die Erbringung der vorge­schriebenen Studien­leistungen nur einen Teil ihrer Arbeitszeit aufwenden müssen, liegt ein Teilzeit­studium vor.

  • Ob die Studierenden daneben in einem Beschäftigungs­verhältnis stehen oder anderweitig erwerbstätig sind, ist für die steuer­rechtliche Einordnung eines Studiums als Teilzeit­studium unerheblich.

  • Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht entschieden, dass die Fernuni­versität in Hagen im Streitjahr nicht als erste Tätigkeits­stätte des Klägers im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG gilt und seine Fahrtkosten deshalb auch nicht auf die Entfernungspauschale begrenzt sind. Der Kläger war lediglich als Teilzeit­studierender einge­schrieben und studierte nach seinem Hörerstatus in einem zeitlichen Umfang von etwa 20 Stunden wöchentlich. Die Tatsache, dass er im Streitjahr keiner Erwerbs­tätigkeit nachging, ist im Hinblick auf den Begriff des Vollzei­tstudiums unerheblich.

Quelle: BFH, Urteil v. 24.10.2024 – VI R 7/22; NWB Datenbank (lb)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).