Online-Nachricht - Donnerstag, 06.02.2025
Grunderwerbsteuer | Anteilsvereinigung bei einer ausländischen Stiftung (BFH)
Eine grunderwerbsteuerbare Anteilsvereinigung durch Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf eine niederländische Stiftung ist nicht nach § 5 Abs. 1 GrEStG steuerfrei, wenn der Rechtstypenvergleich ergibt, dass die Stiftung ihrer rechtlichen Struktur nach nicht mit einer Gesamthandsgemeinschaft nach innerstaatlichem Recht vergleichbar ist (BFH, Urteil v. 30.10.2024 – II R 14/23; veröffentlicht am 6.2.2025).
Hintergrund: Das GrEStG enthält diverse Vorschriften, die dazu führen, dass für einen steuerbaren Rechtsvorgang die Grunderwerbsteuer nicht erhoben wird. Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind unter anderem Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S.d. ErbStG von der Besteuerung ausgenommen. Die Vorschrift ist auch auf eine Anteilsvereinigung i.S.d. § 1 Abs. 3 Nr. 1, 2 GrEStG anzuwenden, die auf einer schenkweisen Übertragung von Gesellschaftsanteilen beruht. Geht ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand über, so wird die Steuer gemäß § 5 Abs. 1 GrEStG in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Vorschrift gilt auch bei "fiktiven" Grundstückserwerben i.S.d. § 1 Abs. 1 bis Abs. 3a GrEStG und ist daher auch im Fall eines Anteilsübergangs im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1, 2 GrEStG anwendbar. Nach § 6a Satz 1 GrEStG wird für einen steuerbaren Rechtsvorgang aufgrund einer Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwStG, einer Einbringung oder eines anderen Erwerbsvorgangs auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage die Steuer nicht erhoben. Dies gilt gemäß § 6a Satz 2 GrEStG auch für entsprechende Umwandlungen, Einbringungen sowie andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaates der EU oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Stiftung nach niederländischem Recht („stichting“) mit Sitz in den Niederlanden. Zweck der Klägerin war der Erwerb und das Halten von Gesellschaftsanteilen gegen die Ausgabe von Zertifikaten. Die A-B.V. (A) war zu 25 % und die B-B.V. (B) zu 75 % an der C-B.V. (C) beteiligt, wobei C Eigentümerin eines inländischen Grundstücks war. Gesellschafter von A und B waren die Brüder E und F, welche auch den Vorstand der Klägerin bildeten. A und B übertrugen im Jahr 2017 ihre Beteiligungen an C auf die Klägerin und erhielten von dieser im Gegenzug für jeden übertragenen Anteil ein korrespondierendes Zertifikat. Die Klägerin verwaltete die Anteile an der C zugunsten von E und F als Zertifikatsinhaber. Das Finanzamt setzte im Rahmen der Veranlagung Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin fest, da das Finanzamt durch die Übertragung der Anteile an C auf die Klägerin den Tatbestand der Anteilsvereinigung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der im Streitjahr geltenden Fassung verwirklicht sah.
Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil v. 4.5.2023 – 11 K 2851/21 GE).
Die Richter des BFH stimmen dem FG-Urteil zu, dass die Übertragung der Anteile an der C auf die Klägerin der Grunderwerbsteuer unterliegt:
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Die Anteilsübertragung unterliegt allerdings entgegen der Auffassung des FG nicht gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG, sondern gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG (in der Fassung des Streitjahres) der Grunderwerbsteuer.
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§ 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG erfassen die Fälle des Übergangs bereits zu mindestens 95 % vereinigter Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger. Voraussetzung für die Anwendung dieser Tatbestände ist daher, dass bereits in der Hand des übertragenden Rechtsträgers die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar vereinigt sind und diese sodann auf einen Erwerber übergehen (vgl. BFH, Urteil v. 16.1.2002 - II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053, unter II.2.).
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Das FG hat nicht festgestellt, dass bereits vor dem Übertragungsvertrag mindestens 95 % der Anteile an der C entweder in der Hand der A oder in der Hand der B als veräußernde Rechtsträger vereinigt waren.
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Die Vereinigung von 100 % der Anteile an der C in der Hand der Klägerin infolge der Anteilsübertragung unterliegt jedoch nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder nach Nr. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer, so dass die Annahme eines grunderwerbsteuerbaren Vorgangs durch das FG jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Zum Vermögen der C gehörte im Zeitpunkt der Anteilsvereinigung auch ein inländisches Grundstück i.S.d. § 1 Abs. 3 GrEStG.
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Die gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1, 2 GrEStG steuerbare Vereinigung von 100 % der Anteile an der C in der Hand der Klägerin ist nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Denn die Übertragung der Anteile an der C durch A und B auf die Klägerin erfolgte nicht unentgeltlich. Vielmehr wurde die Übertragung des Eigentums an den Anteilen gegen Ausgabe von Zertifikaten vollzogen, und zwar in der Weise, dass die Klägerin für jeden erhaltenen Anteil an der C ein korrespondierendes Zertifikat an A und B ausgab.
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Die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 GrEStG ist ebenso nicht anzuwenden, da die Klägerin nach einem Rechtsvergleich nicht mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft gleichgestellt werden kann. Denn die Begünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG greift für ausländische Gesellschaften nur, wenn deren Struktur mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar ist.
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Nach den Feststellungen des FG zum niederländischen Zivilrecht handelt es sich bei der Klägerin, die in der Rechtsform einer "stichting" organisiert ist, um eine durch Rechtsgeschäft gegründete rechtsfähige juristische Person in Form eines verselbständigten Zweckvermögens, das keine Mitglieder hat und das dem Zweck dient, mithilfe eines dazu bestimmten Vermögens ein in der Satzung festgelegtes Ziel zu verwirklichen. Das FG schlussfolgerte, dass die Klägerin als "stichting administratiekantoor" kein einer inländischen Gesellschaft vergleichbares Konstrukt und damit auch nicht mit einer inländischen Gesamthandsgemeinschaft vergleichbar sei. An diese Würdigung ist der BFH gebunden.
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Zudem liegt kein begünstigungsfähiger Vorgang nach § 6a Satz 1 und 2 GrEStG vor, da die Übertragung der Anteile an der C auf die Klägerin weder eine Einbringung noch ein anderer Erwerbsvorgang auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage im Sinne der Vorschrift ist.
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Beruht die Übertragung von Anteilen an einer Gesellschaft auf eine niederländische Stiftung ("stichting") weder auf einer Sacheinlage- oder Beitragsverpflichtung noch auf einer anderweitigen gesellschaftsvertraglichen Grundlage, da die "stichting" weder Gesellschafter noch Anteilseigner hat, sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG nicht gegeben.
Quelle: BFH, Urteil v. 30.10.2024 – II R 14/23; NWB Datenbank (lb)
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