Online-Nachricht - Donnerstag, 13.02.2025
DBA | Abkommensrechtliche Aufteilung der Einkünfte eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Piloten (BFH)
Die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit eines im Inland ansässigen Piloten, der von einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen im internationalen Luftverkehr eingesetzt wird, sind nur insoweit von der deutschen Einkommensteuer (unter Progressionsvorbehalt) freizustellen, als er seine Tätigkeit nach dem Territorialitätsprinzip auf Schweizer Boden und im Schweizer Luftraum ausübt (BFH, Urteil v. 24.10.2024 - VI R 28/22; veröffentlicht am 13.2.2025).
Hintergrund: Stehen nach Art. 15 DBA-Schweiz sowohl dem Ansässigkeitsstaat als auch dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht an den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu, bestimmt sich das Besteuerungsrecht nach Art. 24 DBA-Schweiz. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz werden bei einer in Deutschland ansässigen Person die aus der Schweiz stammenden Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Sinne des Art. 15 DBA-Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer ausgenommen, wenn sie nach den dem Art. 24 voranstehenden Artikeln des DBA-Schweiz in der Schweiz besteuert werden können und die unselbständige Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Die Doppelbesteuerung wird bei einer in Deutschland ansässigen Person, die Einkünfte aus der Schweiz bezieht, entweder unter Anwendung der Freistellung mit Progressionsvorbehalt (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DBA-Schweiz i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) oder im Wege der Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz i.V.m. § 34c EStG) vermieden.
Sachverhalt: Der Kläger ist ein Pilot mit Lebensmittelpunkt in Deutschland, der bei einer Schweizer Fluggesellschaft angestellt war. Als solcher war er sowohl im internationalen als auch im nationalen Flugverkehr tätig und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger hatte sowohl einen Wohnsitz in der Schweiz als auch in Deutschland inne. In seiner deutschen Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger steuerfreien Arbeitslohn unter Anwendung des DBA-Schweiz. Das Finanzamt ermittelte anhand der Flugpläne die Zeiten, in denen der Kläger außerhalb der Schweiz tätig war. Laut dem Finanzamt führte dies dazu, dass der auf diese Zeiten entfallende Einkünfteanteil im Rahmen der Anrechnungsmethode in Deutschland zu versteuern sei (Art. 15 Abs. 3 i. V. mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA Schweiz).
Der hiergegen erhobenen Klage gab das FG statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.6.2021 – 2 K 2191/17; s. hierzu Stange, IWB 10/2023 S. 387).
Die Richter des BFH hoben das FG-Urteil auf und verwiesen die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück:
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Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte des Klägers stehen Deutschland als Ansässigkeitsstaat und daneben der Schweiz als Tätigkeitsstaat beziehungsweise Unternehmensstaat unter Anwendung des Art. 15 DBA-Schweiz zu. Die hieraus resultierende Doppelbesteuerung der Einkünfte des Klägers wird unter Anwendung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz vermieden.
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Danach sind die Einkünfte des Klägers, die er für die Tätigkeit im Rahmen reiner Inlandsflüge in der Schweiz erhalten hat, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, da diese Tätigkeit als in der Schweiz ausgeübt gilt.
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Die Einkünfte des Klägers, die er für die unselbständige Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erhalten hat, sind demgegenüber nur insoweit von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, als die Tätigkeit territorial auf dem Boden oder im Luftraum über der Schweiz ausgeübt wurde. Nur soweit der Kläger auf Schweizer Boden und im Schweizer Luftraum tätig geworden ist, gilt seine Tätigkeit im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz als "in der Schweiz ausgeübt".
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Ausgehend vom Territorialitätsprinzip ist die Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz nicht bereits deshalb vollständig als "in der Schweiz ausgeübt" anzusehen, weil der jeweilige Flug in der Schweiz begonnen und beendet worden ist. Das FG ist hiervon zu Unrecht ausgegangen.
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Eine solche Auslegung lässt sich insbesondere nicht aus Art. 15 Abs. 2 DBA-Schweiz ableiten, wonach die Einkünfte nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, wenn der Empfänger der Einkünfte sich u.a. nicht länger als 183 Tage im anderen Staat während des Kalenderjahres aufhält. Hierbei wird auf die physische Anwesenheit des Steuerpflichtigen im Tätigkeitsstaat abgestellt.
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Für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "in der Schweiz ausgeübt[e]" Arbeit in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz wird maßgeblich auf die Dauer der konkreten unselbständigen im Tätigkeitsstaat ausgeübten Arbeit für die Besteuerung abgestellt.
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Ebenso wenig kann für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "in der Schweiz ausgeübt[e]" Arbeit in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz die Regelung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz herangezogen werden. Das Besteuerungsrecht des Unternehmensstaats knüpft gerade nicht an den geographischen Arbeitsort, sondern unabhängig vom Ort der Ausübung der Arbeit an den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens an.
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Das FG hat im zweiten Rechtsgang insbesondere festzustellen, welchen zeitlichen Anteil der unselbständigen Arbeit der Kläger territorial im Staatsgebiet oder im Luftraum der Schweiz beziehungsweise außerhalb des Schweizer Territoriums ausgeübt hat.
Quelle: BFH, Urteil v. 24.10.2024 - VI R 28/22; NWB Datenbank (lb)
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im VI. Senat des BFH Dr. Stephan Geserich gelangen Sie hier (Login erforderlich).