Online-Nachricht - Donnerstag, 20.02.2025

Grunderwerb­steuer | Anwendung des § 6a GrEStG auf Anteils­über­tragun­gen im Ausland (BFH)

Die sogenannte Verlän­gerung der Betei­ligungs­kette, bei der der über­tragende Allein­gesell­schafter zugleich Allein­gesell­schafter der erwer­benden Gesell­schaft ist, unter­liegt auch bei aus­ländi­schen Gesell­schaften nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer, wenn der Gesell­schaft, deren Anteile über­tragen werden, ein inlän­disches Grund­stück gehört (BFH, Urteil v. 25.9.2024 - II R 36/21; veröf­fent­licht am 20.2.2025).

Hintergrund: Nach § 6a Satz 1 Halbsatz 1 GrEStG wird für einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, 2a, 3 oder Abs. 3a GrEStG steuer­baren Rechts­vorgang aufgrund einer Umwand­lung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben. Nach § 6a Satz 2 GrEStG gilt Satz 1 auch für entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitglied­staats der EU oder eines Staats, auf den das Abkommen über den EWR Anwendung findet.

Sachverhalt: Die A Group Unlimited (A) war alleinige Gesell­schafterin der B Holdings Limited (B), beide mit Sitz in Irland. B war Alleingesellschafterin weiterer Gesell­schaften mit Grundbesitz in Deutschland. Die Gesell­schafts­struktur bestand seit über fünf Jahren. Die Klägerin wurde im Jahr 2010 mit Sitz auf den Britischen Jungfern­inseln durch die A gegründet. Im selben Jahr übertrug A alle Anteile an der B auf die Klägerin gegen Gewährung von Anteilen. Seitdem ist die Klägerin für steuer­liche Zwecke in Irland ansässig. Im Anschluss an eine Außen­prüfung setzte die Finanzverwaltung u. a. einen Bescheid gem. § 17 GrEStG fest, in dem die Umwandlungsschritte in 2010 als Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG gewertet und eine Befreiung nach § 6a GrEStG verneint wurde.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Münster, Urteil v. 23.9.2021 - 8 K 1125/17 GrE, s. hierzu Wischott/Graessner, NWB 44/2021 S. 3232).

Die Richter des BFH wiesen die Revision als unbe­gründet zurück:

  • Die sogenannte Verlängerung der Beteili­gungs­kette, bei der der übertragende Allein­gesell­schafter zugleich Alleingesellschafter der erwerbenden Gesellschaft ist, unterliegt auch bei ausländischen Gesellschaften nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG der Grund­erwerb­steuer, wenn der Gesell­schaft, deren Anteile übertragen werden, ein inlän­disches Grundstück gehört (vgl. BFH, Urteil v. 25.11.2015 - II R 64/08, BFH/NV 2016, 420, Rz 15, m.w.N.).

  • Ausgehend davon sind die Voraus­setzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG im Streit­fall erfüllt. Im Jahr 2010 sind alle Anteile der A an der grundbesitzenden B und damit mindestens 95 % der Anteile auf die Klägerin über­gegangen.

  • • Es ist unerheblich, dass A auch alleinige Anteils­eignerin der Klägerin war. Entscheidend ist, dass die Anteile an der B und damit die (mittelbar) in deren Vermögen befindlichen Grundstücke mit der Anteils­über­tragung dem Vermögen der Klägerin (erstmalig) zuge­ordnet wurden.

  • Ob die nach der maßgeblichen ausländischen Rechts­ordnung zu beur­teilenden Rechts­vorgänge einer nach § 6a GrEStG begünstigten Umwand­lung entsprechen, hat das FG anhand des dafür maß­gebenden auslän­dischen Rechts von Amts wegen zu ermitteln.

  • Das FG hat im Streitfall unter Anwendung des maßgeblichen ausländischen Rechts festge­stellt, dass es sich bei dem die Grund­erwerb­steuer auslösenden Vorgang nicht um eine "ent­sprechende Umwand­lung" im Sinne des § 6a Satz 2 GrEStG handelt.

  • Diese Feststellungen des FG sind revisionsrechtlich nicht zu bean­standen. Eine Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass die Vorent­scheidung auf der fehler­haften Anwendung auslän­dischen Rechts beruht.

  • § 1 Abs. 3 GrEStG verstößt nicht gegen die Kapitalansammlungsrichtlinie (Richtlinie 2008/7/EG des Rates v. 12.2.2008 betref­fend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. L 46, 11)). Aus dem Wortlaut dieser Richt­linie ergibt sich eindeutig, dass sie auf grund­erwerb­steuer­bare Rechts­vorgänge keine Anwendung findet.

  • Zudem verstößt die Nicht­anwendung des § 6a GrEStG bei der Über­tragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf eine ausländische Gesellschaft weder gegen die Nieder­lassungs­freiheit (Art. 49 AEUVnoch gegen die Kapital­verkehrs­freiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV).

  • Auf die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) kann sich die Klägerin nicht berufen, da es sich bei ihr um eine Dritt­staaten­gesell­schaft handelt.

  • Eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit liegt ebenfalls nicht vor. Hiervon sind nur solche (aus­ländischen) Vorgänge erfasst, die einem Umwand­lungs­vorgang im Sinne von § 6a GrEStG entsprechen. Dies ist, wie vom FG zutreffend fest­gestellt worden ist, vorliegend nicht der Fall.

  • Es liegt auch keine gegen EU-Recht verstoßende Beihilfe vor (Art. 107 Abs. 1 AEUV). Die Vorschrift wirkt zwar selektiv, weil sie bestimmte Gesell­schaften im Hinblick auf die bei einem Rechts­träger­wechsel anfallende Grund­erwerb­steuer begünstigt; dies ist jedoch durch die Natur und den Aufbau des Systems der Grund­erwerb­steuer gerechtfertigt (vgl. EuGH, Urteil A Brauerei v. 19.12.2018 - C 374/17, EU:C:2018:1024, Rz 44).

Quelle: BFH, Urteil v. 25.9.2024 - II R 36/21; NWB Datenbank (lb)

 
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