Online-Nachricht - Donnerstag, 20.02.2025
Einkommensteuer | Gewinnrücklage bei Übernahme von Pensionsverpflichtungen (BFH)
Für den Gewinn aus der Übernahme einer Pensionsverpflichtung kann eine gewinnmindernde Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG gebildet werden; die Bewertung der übernommenen Verpflichtung nach § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG schließt die Anwendung des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG nicht aus (BFH, Urteil v. 23.10.2024 - XI R 24/21; veröffentlicht am 20.2.2025).
Hintergrund: Nach § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG sind übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären. Dies gilt nach § 5 Abs. 7 Satz 2 EStG in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß. § 5 Abs. 7 Satz 3 EStG ordnet an, dass Satz 1 für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden ist.
Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist nach § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 EStG so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben. Nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG kann für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).
Sachverhalt: Streitig ist, ob für den Gewinn aus der Übernahme einer Pensionsverpflichtung eine Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG gebildet werden darf: R wechselte von einem anderen Unternehmen zur Klägerin als neuem Arbeitgeber. Die Klägerin übernahm die Versorgungszusage, die R bei dem anderen Unternehmen erteilt worden war. Im Gegenzug wurden der Klägerin entsprechende Vermögenswerte (Lebensversicherung, Forderungen gegenüber R) in Gesamthöhe von 512.052 € übertragen. Es entstand ein Übertragungsgewinn in Höhe von 77.881 €, für den die Klägerin eine Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG bildete. Das FA vertrat die Auffassung, dass eine Rücklagenbildung unzulässig sei; § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG sei nicht anzuwenden.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Nach Auffassung der Richter kann eine gewinnmindernde Rücklage auch für den Gewinn aus einer übernommenen Pensionsverpflichtung gebildet werden. Dem stehe der Wortlaut von § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG nicht entgegen. Denn auch bei einer Pensionsübernahme realisiere sich der Gewinn nach § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG, weshalb diese Konstellation von der Bezugnahme des Satzes 5 in Absatz 7 auf Satz 1 erfasst sei (FG Nürnberg, Urteil v. 10.8.2021 - 1 K 528/20).
Die Richter des BFH wiesen die hiergegen gerichtete Revision zurück:
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Ob eine Rücklage nach § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG auch für einen Gewinn offensteht, der aus einer übernommenen Pensionszusage resultiert, ist umstritten.
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Nach einer Ansicht stellt § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG keinen eigenen Tatbestand dar. Die Vorschrift regele nur die Berechnung des Gewinns besonders, die sich grundsätzlich nach § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG richte. Insoweit liege auch ein Fall des § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG vor; der Gewinn aus einer entsprechenden Übernahme sei daher von der Bezugnahme des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG auf Satz 1 erfasst (jedenfalls im Ergebnis zustimmend Brandis/Heuermann/Krumm, § 5 EStG Rz 256; Reddig in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 5 Rz 235a; BeckOK EStG/Meyer, 20. Ed. 01.11.2024, EStG § 5 Rz 2940.1; Briese, DStR 2019, 943 f.; Lieb, BB 2022, 306).
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Nach anderer Ansicht im Schrifttum sowie des beigetretenen BMF ist eine Rücklagenbildung bei Pensionsübernahme nicht zulässig. Einer solchen stehe schon der Wortlaut des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG entgegen. So beschränke § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG die Möglichkeit der Rücklagenbildung ausdrücklich auf die Fälle des § 5 Abs. 7 Satz 1 bis 3 EStG. Die Übertragung einer Pensionsverpflichtung werde in § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG behandelt und sei deshalb nicht erfasst (vgl. Tiedchen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 EStG Rz 2462; Schiffers/Strahl/Fuhrmann/Veit in Korn, § 5 EStG Rz 660; Veit/Hainz, BB 2014, 1323, 1326; Huth/Wittenstein, DStR 2015, 1088, 1090; Selig-Kraft, BB 2017, 919, 923; Kahle/Braun, FR 2018, 197, 204; Schulenburg/Lüder, FR 2019, 213).
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Der erkennende Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an:
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Für den Gewinn aus einer übernommenen Pensionsverpflichtung darf eine gewinnmindernde Rücklage gemäß § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG gebildet werden - die Bewertung der übernommenen Verpflichtung nach § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG schließt die Anwendung des § 5 Abs. 7 Satz 5 EStG nicht aus.
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Anders als das FA und das BMF geltend machen, spricht der Wortlaut des Gesetzes nicht gegen, sondern für die Rücklagenbildung.
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Im Verhältnis zu § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG ist die Vorschrift des § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG zwar im Hinblick auf die Bewertung lex specialis. Sie regelt eine abweichende Rechtsfolge und erschöpft sich darin. Anders als § 5 Abs. 7 Satz 2 und 3 EStG enthält sie gerade keinen eigenen Tatbestand, ohne den § 5 Abs. 7 Satz 1 EStG nicht anwendbar wäre.
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So betreffen die Sätze 2 und 3 andere Fallgruppen als die Übertragung, nämlich den Schuldbeitritt und die Erfüllungsübernahme (Satz 2) sowie den Erwerb von Mitunternehmeranteilen (Satz 3). § 5 Abs. 7 Satz 4 EStG hingegen begründet keine neue vierte Fallgruppe, sondern ordnet für einen Teil der Übertragungsfälle des Satzes 1 eine besondere Bewertung an.
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Auch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist es geboten, die Rücklagenbildung nicht nur bei andersartigen Verpflichtungen, sondern ebenso bei Pensionszusagen zuzulassen, die andernfalls sinnwidrig benachteiligt würden (vgl. Briese, DStR 2019, 943 f. mit Beispielen). Dies gilt im Steuerrecht, das intensives Eingriffsrecht ist, umso mehr deshalb, weil durch das Verwehren der Rücklage bei Pensionsverpflichtungen erheblich in die Rechte der Steuerpflichtigen eingegriffen würde.
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Anhaltspunkte dafür, § 5 Abs. 7 Satz 1 und 5 EStG - wie die Revision letztlich geltend macht - entgegen dem Wortlaut einschränkend auszulegen und die Rücklagenbildung damit zu verwehren, vermag der Senat nicht zu erkennen.
Quelle: BFH, Urteil v. 23.10.2024 - XI R 24/21; NWB Datenbank (il)
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