Online-Nachricht - Donnerstag, 27.02.2025

Umsatzsteuer | Keine Haftung des Grund­stücks­erwerbers für unrichtige Steuer­ausweise in über­nom­menen Mietver­trägen (BFH)

Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aus­steller bezeich­neten Person nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG setzt voraus, dass diese an der Erstel­lung der Rech­nung mitge­wirkt hat oder dass ihr die Ausstel­lung ander­weitig nach den für Rechts­geschäfte geltenden Rege­lungen, zu denen auch das Recht der Stell­vertre­tung gehört, zuzu­rechnen ist. Ein vom Vor­eigen­tümer veran­lasster unrich­tiger Steuer­ausweis i.S. des § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG kann dem Grund­stücks­erwer­ber nicht nach § 566 Abs. 1 BGB zuge­rechnet werden (BFH, Urteil v. 5.12.2024 - V R 16/22; veröf­fent­licht am 27.2.2025).

Hintergrund: Nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet der Unter­nehmer, der in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuer­betrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat (unrichtiger Steuerausweis), auch den Mehrbetrag. Steuerschuldner ist in den Fällen des § 14c Abs. 1 UStG - ebenso wie bei Lieferungen und sonstigen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG - der Unter­nehmer (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Sachverhalt: Die Klägerin erstand im Streitjahr 2013 im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens ein mit einem mehrstöckigen Büro­gebäude bebautes Grundstück. Die Gebäudeflächen waren größten­teils vermietet. Der Voreigen­tümer hatte u.a. Mietverträge mit einer Tagesklinik, einer Physio­therapie­praxis sowie mit einer Wohnungs­bau­gesell­schaft abge­schlossen. In diesen Mietverträgen waren jeweils die monat­lichen Nettokalt­mieten, die sonstigen Kosten­vorschüsse und die auf diese Beträge entfal­lende Umsatz­steuer mit dem Zusatz "+ 19 % Mehrwert­steuer" benannt.

In ihrer Umsatzsteuererklärung behandelte die Klägerin die Umsätze aus den o.g. Vermietungen als steuerfrei. Das FA vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, dass die Klägerin die in den Mietverträgen offen ausge­wiesene Umsatz­steuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulde und setzte die Umsatzsteuer ent­sprechend fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.4.2022 - 7 K 7031/19).

Die Richter des BFH dagegen hoben das Urteil auf und gaben der Klage statt:

  • Die Klägerin ist nicht Steuerschuld­nerin nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG.

  • Begründet § 14c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG eine Steuer­schuld des Unter­nehmers, der in einer Rechnung für seine Leistung einen Steuer­betrag unrichtig ausweist, muss die Rechnung auf den Namen des leistenden Unter­nehmers lauten.

  • Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeich­neten Person nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG setzt zudem voraus, dass die in einer Rechnung als Aussteller bezeichnete Person an der Erstel­lung der Rechnung mitge­wirkt hat oder dass ihr die Ausstel­lung ander­weitig nach den für Rechtsgeschäfte geltenden Regelungen, zu denen auch das Recht der Stellver­tretung gehört, zuzurechnen ist (BFH, Urteil v. 7.4.2011 - V R 44/09, BStBl II 2011, 954, Rz 14; BFH, Urteil v. 17.8.2023 - V R 3/21, Rz 23).

  • Im Streitfall hat die Klägerin die Steuer­beträge nicht selbst - im eigenen Namen - unrichtig ausge­wiesen. Denn die Mietverträge wurden vom Voreigen­tümer abgeschlossen, so dass dieser die Steuer­beträge unrichtig ausgewiesen hat, wobei er im eigenen Namen gehandelt hat.

  • Eine Zurechnung kommt nicht aufgrund des Erwerbs im Rahmen eines Zwangs­versteige­rungs­verfah­rens nach § 57 ZVG i.V.m. § 566 Abs. 1 BGB in Betracht.

  • Zwar tritt nach § 57 ZVG i.V.m. § 566 Abs. 1 BGB der Ersteher anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Miet­verhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.

  • Nach der Rechtsprechung des BGH dient der - über § 57 ZVG anwendbare und - in § 566 Abs. 1 BGB geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Miet­verhältnis aber dem Schutz des Mieters. Die ihm dadurch von seinem Vertragspartner einge­räumte Rechts­stellung soll ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grund­stücks erhalten bleiben.

  • Hierfür enthält § 566 Abs. 1 BGB eine Durchbrechung des schuld­recht­lichen Grund­satzes, wonach Rechte und Pflichten nur zwischen den am Schuld­verhältnis beteiligten Personen entstehen. Diese Vorschrift legt dem Mietverhältnis für den Fall der Veräußerung des Mietgrund­stücks eine gleichsam dingliche Wirkung bei, indem sie mit dem Übergang des Eigentums am vermieteten Grundstück auf den Erwerber auch die Vermieter­rechte und -pflichten auf diesen übergehen lässt.

  • Als Ausnahmevorschrift ist § 566 Abs. 1 BGB eng auszu­legen und nur anzuwenden, soweit der mit ihr bezweckte Mieterschutz dies erfordert (BGH, Urteil v. 27.10.2021 - XII ZR 84/20, Rz 28).

  • Nach diesem Normverständnis kommt es nicht in Betracht, § 566 Abs. 1 BGB als Zurech­nungsnorm zu verstehen, die einen vom Voreigen­tümer veranlassten unrichtigen Steuerausweis dem Grund­stücks­erwerber oder -ersteher zurechnet.

  • Zum einen dient eine Steuerschuldentstehung nach § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG nicht dem Mieterschutz. Zum anderen gehört ein unrichtiger Steuer­ausweis nicht zu den Vermieter­rechten und -pflichten, auf deren Übergang diese Vorschrift gerichtet ist.

Quelle: BFH, Urteil v. 5.12.2024 - V R 16/22; NWB Datenbank (il)

 
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