Online-Nachricht - Donnerstag, 27.02.2025

Einkommensteuer/Insol­venz­recht | Einkom­men­steuer als Masse­verbind­lich­keit bei Zwangs­ver­steige­rung eines Grund­stücks durch einen absonde­rungs­berech­tigten Grund­pfand­gläubiger (BFH)

Der Eigentumsverlust aufgrund einer Zwangs­ver­steige­rung ist als Veräuße­rungs­vorgang im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu werten (BFH, Urteil v. 12.11.2024 – IX R 6/24; veröf­fent­licht am 27.2.2025).

Hintergrund: Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch solche aus privaten Veräuße­rungs­geschäften im Sinne des § 23 EStG. Diese umfassen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unter anderem Veräußerungsgeschäfte bei Grund­stücken, soweit der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräuße­rung nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

Sachverhalt: Der Kläger ist als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Insolvenzschuldners bestellt worden. Das Finanzamt hatte bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund von Steuer­schulden eine Zwangs­hypothek auf eine Eigen­tums­wohnung des Insol­venz­schuldners eintragen lassen und die Zwangs­ver­steige­rung beantragt, welche das Amtsgericht angeordnet hatte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde die Eigentumswohnung im Wege der Zwangsversteigerung durch Zuschlagsbeschluss veräußert. Das Finanzamt ermittelte aus der Zwangs­ver­steigerung einen Veräuße­rungsgewinn nach § 23 EStG und setzte hierauf gegenüber dem Kläger Einkommen­steuer fest, da es sich um eine Masse­verbind­lich­keit handele.

Der hiergegen erhobenen Klage wurde stattgegeben (FG Münster, Urteil v. 25.1.2024 - 10 K 1934/21 E; siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.3.2024).

Die Richter des BFH hoben das Urteil des FG Münster auf:

  • Unter Anschaffung beziehungs­weise Veräuße­rung im Sinne des § 23 EStG ist der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen. Diese Vorgänge müssen wesentlich vom Willen des Steuer­pflich­tigen abhängen und mithin Ausdruck einer "wirt­schaft­lichen Betäti­gung" sein (vgl. BFH, Urteil v. 23.7.2019 - IX R 28/18, BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 20, m.w.N.).

  • Solch eine willentliche wirt­schaft­liche Betätigung ist auch der Über­tragung eines Grundstücks im Wege der Zwangsversteigerung beizumessen. Die Abgabe des Meistgebots entspricht in ihrer Wirkung wirt­schaft­lich dem Abschluss eines schuld­recht­lichen Kaufvertrags über ein Grundstück. Dabei ist der Meist­bietende an sein Angebot gebunden und wird durch den nach­folgenden Zuschlag (originär) Eigentümer des Grundstücks (§ 90 Abs. 1 ZVG).

  • Der Eigentumsverlust aufgrund einer Zwangs­ver­steige­rung ist somit als Veräuße­rungs­vorgang im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu werten.

  • Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 InsO sind Masse­verbind­lich­keiten die Verbind­lich­keiten, die in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insol­venz­verfahrens zu gehören. Voraussetzung dafür ist, dass die Verbind­lich­keiten entweder durch die Insol­venz­verwal­tung ausgelöst wurden oder jedenfalls einen Bezug zur Insolvenz­masse aufweisen (vgl. BGH. Urteile v. 28.11.2019 - IX ZR 239/18, BGHZ 224, 177, Rz 31 und v. 28.4.2022 - IX ZR 69/21, Rz 20, m.w.N.)

  • Wird ein zur Insolvenzmasse gehörendes und mit einem Absonde­rungs­recht belastetes Grundstück nach Insol­venz­eröff­nung auf Betreiben eines Grund-pfand­gläubigers ohne Zutun des Insol­venz­verwal­ters versteigert und durch die Zwangsversteigerung ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn ausgelöst, ist die auf den Gewinn entfal­lende Einkommen­steuer eine "in anderer Weise" durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründete Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

  • Dies gilt auch dann, wenn das Grundstück bereits vor der Eröff­nung des Insolvenz­verfahrens zwangs­voll­streckungs­recht­lich beschlag­nahmt war.

Quelle: BFH, Urteil v. 12.11.2024 – IX R 6/24; NWB Datenbank (lb)

 
Zur Online-Nachricht mit Anmerkung von Richter im IX. Senat des BFH Dr. Nils Trossen gelangen Sie hier (Login erforderlich).