Online-Nachricht - Donnerstag, 06.03.2025
Grunderwerbsteuer | Steuerpflicht von nachträglichen Sonderwünschen bei noch zu errichtenden Gebäuden I (BFH)
Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche unterliegen beim Grundstückserwerb mit einem noch zu errichtenden Gebäude als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG, wenn ein rechtlicher Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft vorliegt. Die Steuer ist in einem selbständigen Bescheid festzusetzen (BFH, Urteil v. 30.10.2024 - II R 15/22; veröffentlicht am 6.3.2025).
Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer bemisst sich nach dem Wert der Gegenleistung, § 8 Abs. 1 GrEStG. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gehören auch solche Leistungen zur Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die nachträglich mit dem Bauträger getroffene Vereinbarung über Sonderleistungen - abweichend von der bisherigen Baubeschreibung (Bodenbelag, Badausstattung, Türen) - nach Erwerb einer noch nicht errichteten Eigentumswohnung eine grunderwerbsteuerpflichtige Gegenleistung darstellt: Die Kläger erwarben im Februar 2018 vom Bauträger X zwei noch zu errichtende Eigentumswohnungen samt Tiefgaragenstellplätzen. Im Kaufvertrag war vereinbart, dass Änderungswünsche der Käufer nur berücksichtigt werden können, wenn diese die Mehrkosten übernehmen.
Nach Beginn der Rohbauarbeiten beauftragten der Kläger und seine Ehefrau bei der Veräußerin zwischen dem 17.10.2018 und dem 19.8.2019 verschiedene Sonderwünsche, die zu Mehrkosten führten. Die Übergabe des Vertragsobjekts erfolgte am im November 2019. Das FA erließ zunächst zwei - hier nicht streitige - Grunderwerbsteuerbescheide gegenüber den Klägern auf Grundlage des Kaufpreises. Im Januar 2021 erließ es zwei weitere Bescheide. Bemessungsgrundlage war der "Kaufpreis Sonderwünsche". Der Kläger ist der Auffassung, dass die Sonderwünsche weder § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG noch § 1 GrEStG unterfielen. Den zeitlich deutlich nach der notariellen Vertragsunterzeichnung (8 bis 18 Monate) beauftragten Leistungen habe jeweils eine selbständige, vom eigentlichen Kaufvertrag unabhängige Entscheidung zugrunde gelegen. Zwischen den Sonderwünschen und dem Grundstückserwerb fehle es an dem notwendigen rechtlichen Zusammenhang. Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg (Vorinstanz: FG Bremen, Urteil v. 9.8.2021 - 2 K 77/21 (1):
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
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Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger nachträglich beauftragten Sonderwünsche als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG unterliegen. Die Steuer ist in einem selbständigen Bescheid festzusetzen.
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Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche stellen zwar dann keine Gegenleistung dar, wenn die Vereinbarungen nicht mit dem Veräußerer, sondern etwa unmittelbar mit einzelnen Handwerkern getroffen worden sind (BFH, Urteil v. 26.4.2006 - II R 3/05, BStBl II 2006, 604, unter II.1., m.w.N.).
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Von diesen Ausnahmen abgesehen, unterliegen Vergütungen für nachträglich vereinbarte Sonderwünsche beim Grundstückserwerb mit noch zu errichtendem Gebäude als zusätzliche Leistungen der Grunderwerbsteuer nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG (vgl. u.a. Jochum in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 9 GrEStG Rz 47, 107, Stand 10/2024; Pahlke/Pahlke, GrEStG, 7. Aufl., § 9 Rz 53, 209; Loose in Viskorf, GrEStG, 21. Aufl., § 9 Rz 192; a.A. Thierfeld, Steuer-Seminar, Praktische Fälle des Steuerrechts, 5/2021, S. 149 ff.).
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Der rechtliche Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschäft kann sich bei nachträglich vereinbarten Sonderwünschen dadurch ergeben, dass eine vom Veräußerer geschuldete, sich aus dem Erwerbsgeschäft ergebende Bauleistung konkretisiert, verändert oder beispielsweise durch qualitativ höherwertige Materialien ersetzt und dafür eine zusätzliche Gegenleistung vereinbart wird.
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Ob ein rechtlicher Zusammenhang von Vereinbarungen weiterer Leistungen mit dem Erwerbsgeschäft im konkreten Einzelfall besteht oder ob die Leistungen auf einer neuen unabhängig vom ursprünglichen Vertrag abgeschlossenen Vereinbarung beruhen, unterliegt der Vertragsauslegung durch das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.
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Das FG hat ausgeführt, die zusätzlichen Leistungen für die Sonderwünsche hätten in einem rechtlichen Zusammenhang mit dem notariell beurkundeten Vertrag gestanden, da der Kläger nach § 1 Ziff. 3 des Vertrags zur Übernahme der mit den Sonderwünschen entstandenen Mehrkosten verpflichtet und die Ausführung von Arbeiten durch den Käufer selbst oder von ihm direkt beauftragte Handwerker vor der Übergabe des Objekts ausgeschlossen gewesen sei, so dass für den Kläger aufgrund dieses Verbots bei der Ausführung von Sonderwünschen eine Bindung an den Veräußerer bestanden habe.
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Diese Auslegung des FG ist möglich, entspricht den Grundsätzen nach §§ 133, 157 BGB und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze. Zulässige und begründete Revisionsrügen wurden im Hinblick auf die Vertragsauslegung von dem Kläger nicht vorgebracht. An die Würdigung des FG ist der BFH daher gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).
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Unerheblich für die Steuerpflicht der vereinbarten Sonderwünsche ist, dass der Vertrag bei einer entsprechenden Zustimmung der Veräußerin die Möglichkeit einer unmittelbaren Erteilung eigener Aufträge an die ausführenden Handwerker durch den Kläger vorsah.
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Nach den Feststellungen des FG sowie dem eigenen Vortrag des Klägers erfolgte bei den mit Grunderwerbsteuerbescheid erfassten Sonderwünschen keine unmittelbare Beauftragung der Handwerker durch den Kläger.
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Darüber hinaus hat das FG zu Recht entschieden, dass die aufgrund der nachträglichen Vereinbarungen über die Sonderwünsche zusätzlich gewährten Gegeleistungen nicht durch Änderung desjenigen Bescheides zu erfassen sind, durch den die Steuer für den ursprünglichen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG festgesetzt worden ist, sondern durch einen gesonderten Bescheid.
Quelle: BFH, Urteil v. 30.10.2024 - II R 15/22; NWB Datenbank (il)
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